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# taz.de -- Debütalbum von Produzent A.G. Cook: Immer weiter, hyper, hyper
> Als Produzent veredelt der Londoner Multiinstrumentalist A. G. Cook
> Popsongs. Nun veröffentlicht der 29-Jährige sein episches Debütalbum
> „7G“.
Bild: Diese Brille! A.G. Cook im Studio
Auf den ersten Blick wirkt das, was der britische Produzent A. G. Cook mit
seinem Solodebütalbum veröffentlicht, ziemlich größenwahnsinnig. Der Brite
vereint auf diesem Werk sage und schreibe 49 Songs mit einer Spieldauer von
2 Stunden und 39 Minuten. Ein bisschen weniger Opulenz wäre vielleicht gar
nicht verkehrt gewesen. Dabei ist dieses Unterfangen wie ein Rückblick auf
Cooks bisherige Karriere. Nach seinem Musikstudium gründete Alexander Guy
Cook im Jahr 2013 und im Alter von 20 Jahren das Londoner Label und
Kollektiv [1][PC Music]. Gedacht war es eigentlich als Sprungbrett für
Nerds und Außenseiter*innen, die von Haus aus wenig Chancen auf eine
Popkarriere hatten. Die Namen der PC Music-KünstlerInnen: Hannah Diamond,
GFOTY, QT.
Musikalisch vereint PC Music seit Gründung ein Potpourri aus Hochglanz-Pop,
Eurodance und Trance mit Autotune-Experimenten. Fans haben für die Musik
von A. G. Cook und den PC Music-Künstler*innen bereits vor einiger Zeit in
einem Reddit-Thread einen Namen festgelegt. Hyper-Pop soll einen
experimentellen Sound beschreiben, der elektronische Produktion und
selbstironische Attitüde vereint.
Wenig später wurde [2][Charli XCX] dank Cooks Produktion zum
Mainstream-Aushängeschild dieser neuen Welle. Auch die ehemalige
Chairlift-Sängerin Caroline Polachek veröffentlichte mit Cooks Hilfe ein
Werk, das durch seine Handschrift erfolgreich wurde. Cook selbst wiederum
brachte einzelne Singles und zwei Alben mit seinem Labelkollegen Danny L.
Harle heraus.
## Enormer Output
Trotz dieses enormen Outputs in den vergangenen Jahren veröffentlicht der
Brite mit „7G“ erst jetzt sein Solodebüt. Vieles von den 49 Stücken auf
„7G“ stammt aus dem Archiv des Produzenten, schon 2018 hatte er die Arbeit
an dem Projekt publik gemacht. Es dürfte aber auch nicht überraschen, wenn
coronabedingt zusätzliche Tracks in seinem Studio in Los Angeles entstanden
sind. „7G“ besteht aus Songskizzen und Demos, aber auch aus richtig fett
produzierten Hochglanzpopsongs. Zusätzlich bietet A. G. Cook noch
Coverversionen, etwa von Charli XCX, [3][Taylor Swift] und den Smashing
Pumpkins.
Eine Gebrauchsanweisung zum Hören von [4][„7G“] wäre wünschenswert, ist
aber nicht vorgesehen. In der Wildnis lässt Cook seine Zuhörer aber nicht.
Er hat das Album in sieben „Discs“ eingeteilt. Sie funktionieren wie
Kapitel, jede Disc hat eine eigene Überschrift: Da wäre zu Anfang des
Albums „A. G. Drums“ und zum Ende „A. G. Extreme Vocals“. Dazwischen: �…
G. Guitar“, „Supersaw“, „Piano“, „Nord“ und „Spoken Word“.
Einzeln betrachtet wirken diese „Discs“ wie abgeschlossene Werke, wobei sie
in ihrer Qualität stark variieren. Schon der Auftakt „A–Z“ kann mit
Kickdrums und Trance-Synthesizern Reizüberflutung auslösen. Auf „Acid
Angel“ erklingen im ähnlich rasanten Tempo technoide Staccato-Vocals von
Hannah Diamond. Höhepunkt der ersten Disc „A. G. Drums“ ist „Silver“.
Erstmals hört man Cooks Gesang, der über verträumten Popmelodien schwebt.
Der Künstler und Produzent baut aber nicht nur seine Produktionsweise aus,
sondern präsentiert sich zum ersten Mal als Interpret. Für „Lil Song“ hat
Cook sich Kompositionshilfe von Daniel Lopatin – besser bekannt als
Oneohtrix Point Never – geholt. Entstanden ist dabei der schönste der 49
Songs: Cooks Gesang ähnelt hier dem eines Chorknaben, dazu erklingt noch
ein glockenartiger Synthiesound.
Während „A. G. Guitar“ ziemlich harmonisch und beinahe schon harmlos
daherkommt, zückt Cook für seine folgenden Soundexperimente die Kreissäge:
Genauer genommen handelt es sich dabei um den SuperSaw, eine Waveform, die
für den Synthesizer Roland JP8000 Mitte der Neunziger entwickelt wurde.
Umgangssprachlich wird dieser auch als Trancesynthesizer gehandelt.
Die ersten beiden Titel, die Cook dem SuperSaw widmet, klingen eher nach
Drauflosprobieren im Studio. Gegen Ende des Abschnitts zeigt Cook, dass
diese Technik durchaus pointierter klingen kann. Auch in der Pianosektion
tobt sich Cook mit Beethoven’scher Ambition („Waldhammer“) und Technobäs…
(„Polyphloisboisterous“) aus. Der fünfte Abschnitt von „7G“ ist dem �…
Stage“ gewidmet, einem schwedischen Synthiepiano. Auch hiermit lassen sich
herausfordernde Soundexperimente kreieren wie „Triptych Demon“, das
schmirgelnden Lärm und verhaltene Orgelakkorde abwechselt.
## Alles schon mal passiert
Auf der sechsten Disc probiert sich Cook an Spoken-Word-Elementen. Auch
hier gelingt ihm eine enorme Bandbreite an unterschiedlichen Soundscapes
und Stimmungen. Zum Ende des Abschnitts schafft er mit dem nur so
dahinplätschernden „2021“ einen kleinen Hit. „Everything you do / It’s…
done done done before“ heißt es hier. Ein Zitat, das die Originalität und
Vision von A. G. Cook gut auf den Punkt bringt.
Der letzte Teil auf „7G“ ist der beispielhafteste für sein Schaffen.
Gewidmet ist er den „Extreme Vocals“. Dabei sticht besonders das Sia-Cover
„Chandelier“ hervor. Gemeinsam mit Caroline Polachek probiert sich Cook an
verschiedenen Stimmregistern und enormen vokalen Verzerrungen. „Show Me
What You Got“ – ein Feature mit Cecile Believe – wirkt beinahe wie ein
gewöhnlicher Popsong. Das Finale „Alright“ – erneut mit Vocals von Polac…
und dem Rapper Tommy Cash – wirkt wie ein versöhnlicher Abschluss dieses
Mammutprojekts.
Auf „7G“ bietet A. G. Cook nicht nur einen panoramatischen Einblick in
seine Studioarbeit, sondern lässt auch die vergangenen sieben Jahre von PC
Music Revue passieren. Nicht einmal der ambitionierteste PC-Music-Fan
dürfte es schaffen, sich dieses Album in einem Rutsch anzuhören.
Hörgewohnheiten, auch die Konzentrationsspanne seiner Fans fordert Cook mit
„7G“ heraus. Einerseits beweist er, dass ein guter Popsong nicht viel
länger als zwei Minuten dauern muss. Andererseits ist „7G“ mit zweieinhalb
Stunden Albumlänge das Gegenbeispiel zum gewöhnlichen 40-minütigen
Popalbum.
Es zeigt, seinen avantgardistischen Popentwurf entwickelt Cook noch weiter.
Er präsentiert auch die Prozesse seiner Arbeit: Von ersten Skizzen über
rudimentäre Demos bis hin zu polierten Popsongs – sie dokumentieren ein
umfangreiches Repertoire an Möglichkeiten, die analoge wie elektronische
Instrumente bieten. Langweilig wird die Musik von „7G“ definitiv nicht,
wobei nicht jeder Abschnitt für sich alleine unbedingt hörenswert ist.
Dafür gibt es auf jeder der sieben Discs Songs, die umso mehr lohnen.
Nach dem Hören von „7G“ steht besonders eine Frage im Raum: Wie wird die
Zukunft des Pop klingen? A. G. Cook beantwortet diese Frage nicht. Vieles
von dem, was wir in den nächsten Monaten hören werden, wird aber an dieser
Monumentalveröffentlichung gemessen. Wohin die Reise für Cook geht, bleibt
ungewiss. Fest steht: Die visionäre Popmusik, wie sie auf „7G“ zu hören
ist, wird höher, schneller und verzerrter klingen, als alles, was wir zuvor
gehört haben. Ein bisschen Größenwahnsinn gehört halt zum Hyperpop dazu.
19 Aug 2020
## LINKS
[1] https://pcmusic.info/
[2] /Charli-XCX-macht-Quarantaene-Disco/!5688604/
[3] /Aktivismus-von-Taylor-Swift/!5619407/
[4] https://agcook.bandcamp.com/album/7g-2
## AUTOREN
Louisa Zimmer
## TAGS
Synthesizer
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Pop
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Proletariat
Miley Cyrus
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