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# taz.de -- Nachruf auf Jonathan Demme: Bastler, Wühler, Humanist
> Er drehte „Das Schweigen der Lämmer“ und mit „Stop Making Sense“ ein…
> der wichtigsten Musikfilme. Nun ist Jonathan Demme 73-jährig gestorben.
Bild: Er war kein Weißer-Elefant-Regisseur – im Gegenteil
In den frühen neunziger Jahren konnte man kurz mal dem Irrtum aufsitzen,
Jonathan Demme sei jetzt auch ein Weißer-Elefant-Regisseur. So hatte der
amerikanische Filmkritiker Manny Farber die Sorte Künstler bezeichnet, die
ins Große und Bedeutende zielen, das sich bei näherer Hinsicht recht hohl
zeigt. Auf Demmes Riesenhit „Das Schweigen der Lämmer“, der alle wichtigen
Oscars erhielt, folgte das Aidsdrama „Philadelphia“ mit Tom Hanks, das sich
bei aller Gutgemeintheit in problematische Prämissen verirrte.
Aber wenn man auf alles andere sieht, wird ganz klar: Demme war kein
Elefant, sondern eine der großartigsten Termiten-Figuren im amerikanischen
Kino der letzten Jahrzehnte.
Die Termiten sind für Farber die Bastler und Wühler, die das Große nicht
scheuen, sich aber mit mindestens genauso viel Liebe ins Kleine verbeißen.
Demme hatte in den Siebzigern bei Roger Corman begonnen, dem B-Movie-Gott
ohne Geld, aber mit jeder Menge Sleaze-Radikalität. In den Achtzigern kam
Demme in Hollywood an, doch „Gefährliche Freundin“ mit Melanie Griffith von
1986 vollführt so wilde Sprünge in Stimmung und Genre, dass man bis heute
nur begeistert den Kopf schütteln kann.
Darunter, daneben, danach: der Talking-Heads-Konzertfilm „Stop Making
Sense“, bis heute einer der besten des Genres, zuletzt noch Konzertfilme
mit Neil Young und sogar Justin Timberlake, weil überhaupt Musik für Demme
immer genauso wichtig war wie Kino.
Er war Musikfan, bescheidener Humanist, höchstens zu gut für die Welt, aber
dem schönen Inklusionspathos seines Films „Rachels Hochzeit“ von 2008 ist
sehr schwer zu widerstehen. Und dann war er auch als Mensch verdammt nett
und freundlich, wie alle bezeugen, die mit ihm zu tun hatten. Einer, der
als Mentor vom eigenen Erfolg weitergab. Einer, der sich nicht zu schade
war, einzelne Episoden für TV-Serien zu drehen. Etwa zu „Enlightened“ mit
Laura Dern – wobei die Serie besser ist als fast alles, was Hollywood im
letzten Jahrzehnt produziert hat. Dafür hatte Demme termitisches Gespür.
Und einer wie er stirbt nicht, ohne die Welt wenigstens ein bisschen
verändert zu haben. Möge seine Wühlarbeit immerdar Früchte tragen.
27 Apr 2017
## AUTOREN
Ekkehard Knörer
## TAGS
Film
Regisseur
Hollywood
Dokumentarfilm
Demenz
Spielfilmdebüt
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