# taz.de -- Nach der Bremer Asyl-Affäre: Entscheider entscheiden nicht mehr | |
> Innenminister Seehofer (CSU) zieht Konsequenzen aus dem Bremer Skandal. | |
> Er verbietet der Bamf-Außenstelle weitere Entscheidungen in | |
> Asylverfahren. | |
Bild: Anerkennungsquote gesunken: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Ba… | |
BERLIN taz | Der Ruf des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) | |
hat am Mittwoch einen neuen Tiefpunkt erreicht: In der sogenannten Bremer | |
Asyl-Affäre kündigte Innenminister Horst Seehofer an, dass die Bremer | |
Außenstelle des Bundesamts keine Entscheidungen über Asylanträge mehr | |
treffen darf. Die Außenstelle steht im Verdacht, zwischen 2013 und 2016 | |
mindestens 1.200 Menschen ohne rechtliche Grundlage Asyl gewährt zu haben. | |
Die Entscheidung gilt „ab sofort und bis zum vollständigen Abschluss des | |
Ermittlungsverfahrens und der laufenden Überprüfungen“, so das | |
Innenministerium. | |
Eine Sprecherin des Innenministeriums erklärte, dass Seehofer die | |
Entscheidung, „schon jetzt Konsequenzen zu ziehen“, auf Basis von | |
Ergebnissen einer Innenrevision gefällt habe. In einer Pressemitteilung des | |
Ministeriums heißt es, die interne Prüfung des Bamf habe gezeigt, „dass im | |
Ankunftszentrum Bremen bewusst gesetzliche Regelungen und interne | |
Dienstvorschriften missachtet wurden“. Seehofer sagte, dass das Vertrauen | |
in die Qualität der Asylverfahren und die Integrität des Ankunftszentrums | |
Bremen „massiv geschädigt“ worden sei. Die Entscheidungen der Bremer | |
Außenstelle werden ab sofort von anderen Außenstellen der Behörden | |
übernommen. | |
Strafrechtliche Konsequenzen könnte die Affäre ebenfalls haben: Die | |
Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth prüft derzeit Anzeigen gegen | |
Bamf-Leiterin Jutta Cordt und weitere Mitarbeiter der Behörde. „Förmliche | |
Ermittlungen“ laufen nach Angaben einer Sprecherin aber noch nicht. Auf | |
parlamentarischer Ebene fordern FDP und AfD einen Untersuchungsausschuss. | |
Ebenso am Mittwoch veröffentlichte die Welt aktuelle Zahlen über die | |
Anerkennungsquote von Asylbewerbern. Die Erkenntnis: Im laufenden Jahr | |
fällt die Anerkennungsquote deutlich niedriger aus als in den beiden Jahren | |
zuvor. So liegt sie im laufenden Jahr bei 32,5 Prozent. 2017 lag die Quote | |
noch bei 43,3 Prozent, 2016 bei 62,4 Prozent. Das Bamf habe von Januar bis | |
Ende April insgesamt 93.381 Entscheidungen über Aslyanträge getroffen. | |
## Ein einheitliches europäisches Asylsystem | |
Gegenüber der Welt gab das Bamf an, dass nicht zwingend ein „übergeordneter | |
Grund für die Veränderung der Gesamtschutzquote“ existieren müsse. | |
Andererseits liege es nahe, dass die gesunkene Anerkennungsquote „mit den | |
vielen Verfahrenserledigungen“ erklärt werden kann. Diese hätten sich im | |
Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Auch Anträge, die laut Dublin-Verordnung | |
in den Zuständigkeitsbereich anderer europäischer Staaten fallen, gehörten | |
dazu. Hier habe man zusätzlich die Effizienz gesteigert – einerseits, weil | |
das Dublin-Verfahren im Bundesamt zentralisiert worden sei und andererseits | |
durch die Einrichtung von drei Dublin-Zentren und Personalaufstockung. | |
Die Zahlen seien ein Anlass dafür, an einem Einwanderungsgesetz zu | |
arbeiten, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Castellucci der taz. | |
„Das Dublin-Verfahren ist leider zum Verschiebebahnhof geworden. Wir | |
müssen es überwinden zugunsten eines einheitlichen europäischen Asylsystems | |
mit schnellen, fairen Verfahren und angemessener Verteilung nach | |
Leistungskraft der Länder.“ | |
Laut Luise Amtsberg, flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, | |
hängt das Sinken der Anerkennungsquote damit zusammen, „dass die | |
Zusammensetzung der Herkunftsländer der entschiedenen Asylanträge in den | |
ersten Monaten 2018 eine andere war als in den Jahren 2016 und auch 2017“. | |
Die Herkunftsländer seien heterogener geworden, auch was die Ursachen der | |
Flucht angeht. | |
23 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Volkan Ağar | |
## TAGS | |
Flüchtlinge | |
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) | |
Horst Seehofer | |
Bremen | |
Jutta Cordt | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) | |
Flüchtlinge | |
Bremen | |
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) | |
Flüchtlinge | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bremer Bamf-Affäre: Ehemalige Chefin verteidigt sich | |
Erstmals äußert sich die ehemalige Leiterin der Bremer Außenstelle des | |
Bundesamts für Flucht und Migration: Der Vorwurf der Korruption sei | |
lächerlich. | |
Bamf-Skandal in Bremen: Bundespolizei soll ermitteln | |
Nach einem Treffen der Bremer Innenbehörde und dem Ministerium des Innern | |
wird die Aufklärung der Vorfälle in Bremen an eine Ermittlungsgruppe | |
übertragen. | |
Kommentar Bamf-Affäre: Wie Rassismus wirkt | |
Viele Asylbescheide sind fehlerhaft. Zum Aufreger wird das erst, wenn zu | |
vielen Menschen Schutz gewährt wird. Der Skandal aber liegt woanders. | |
Kommentar Seehofer und Bamf-Affäre: Mehr Redlichkeit und Präzision, bitte! | |
Dass der Innenminister der Bremer Bamf-Außenstelle vorerst verbietet, | |
Asylanträge zu bearbeiten, ist richtig. Nun muss er für Qualitätskontrolle | |
sorgen. | |
Skandal im Bundesamt für Migration: „Wir wissen derzeit zu wenig“ | |
Die Grüne Luise Amtsberg erklärt, warum ihre Fraktion in der Bamf-Affäre | |
noch keinen Untersuchungsausschuss fordert – anders als FDP und AfD. | |
Streit um Asylverfahren beim Bamf: Das amtliche Drama von Bremen | |
Was war los in der Bremer Außenstelle des Bamf? Kollegen schildern die | |
ehemalige Leiterin als eine Frau, die helfen wollte. | |
Folgen falscher Bamf-Entscheidungen: Langer Weg bis zu „rechtswidrig“ | |
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge muss tausende Asylbescheide | |
überprüfen. Unregelmäßigkeiten allein heben noch keinen davon auf. | |
Nach Bremer Asyl-Skandal: Bamf überprüft 13 Außenstellen | |
In Bremen sollen Hunderte Asylanträge zu Unrecht positiv entschieden worden | |
sein. Nun werden weitere Außenstellen geprüft und Dolmetscher nachgeschult. |