# taz.de -- Nach den Erdbeben in Syrien: Alleingelassen | |
> Im Rebellengebiet bergen die Weißhelme Verschüttete mit Händen. Strom und | |
> Wasser sind ausgefallen, Menschen schlafen im Freien. | |
Bild: Ein erschöpftes Mitglied der Weißhelme in Idlib | |
IDLIB taz | Mit bloßen Händen und Schaufeln suchen Mitglieder der | |
Freiwilligenorganisation Weißhelme in den rebellengehaltenen Gebieten | |
Nordsyriens nach Überlebenden des [1][Erdbebens]. Es fehlt an technischen | |
Geräten zur Ausgrabung und an Fahrzeugen. Die Zahl der in den zerstörten | |
Häusern Begrabenen ist enorm, Zivilisten und weitere Freiwillige helfen den | |
Bergungstrupps. | |
Nach Angaben der Organisation ist die Zahl der in den rebellengehaltenen | |
Gebieten Gestorbenen bisher auf 1.280 und die der Verletzten auf 2.600 | |
gestiegen. Sie befürchten, dass die Zahl weiter ansteigen wird: Viele | |
Menschen stecken noch unter den Trümmern fest. | |
Ahmed Abu al-Huda, der in Idlib lebt, erzählt der taz: „Mit meiner Familie | |
schlief ich im vierten Stock eines Hauses im Stadtzentrum. Der Boden begann | |
zu beben und wir rannten hinaus auf die Straße. Wir sahen zwei Tote, Vater | |
und Tochter, die unter dem Dach eines in sich zusammengefallenen Hauses | |
feststeckten. Die Weißhelme haben lange gebraucht, um sie zu bergen.“ | |
Amer al-Hussein, der westlich von Idlib lebt, wartet darauf, dass sein Sohn | |
aus der Ruine seines Hauses geborgen wird. 36 Stunden, erzählt er, hätte es | |
gedauert, bis seine Enkelkinder aus den Trümmern geholt wurden. „Wir haben | |
sie nun beerdigt“, sagt er. „Wir werden in dieser Katastrophe | |
alleingelassen“, erklärt er. „Wir rufen die arabischen Länder und die | |
gesamte Welt an, uns zu helfen.“ | |
## Assad fordert Aufhebung der Sanktionen | |
Hilfe soll nun aus der Türkei kommen. Hilfskonvois durften die | |
Grenzübergänge Bab al-Hawa, Bab al-Salaam und al-Rai zwar passieren, doch | |
bisher sind sie noch nicht in den betroffenen Gebieten angekommen. | |
Das vor allem von der islamistischen Hayat Tahrir asch-Scham kontrollierte | |
Rebellengebiet [2][kann vom syrischen Regime Baschar al-Assads wohl keine | |
Hilfe erwarten]. Im ebenfalls vom Erdbeben betroffenen, im Regimegebiet | |
liegenden Aleppo ist mittlerweile ein russischer Bergungstrupp angekommen, | |
auch der Iran und Irak schicken Hilfe. Assad fordert außerdem eine | |
Aufhebung der Sanktionen gegen sein Regime – von denen Hilfsgüter für | |
Erdbebenopfer sowieso nicht betroffen wären. | |
Unterstützung brauchen die Menschen im Rebellengebiet nicht nur zur Bergung | |
der Toten und womöglich noch Lebenden. Das Erdbeben hat große Risse in den | |
Hauswänden hinterlassen. Auch vor dem Beben waren viele Gebäude in | |
schlechtem Zustand: Die Armut ist hoch, die Infrastruktur unzureichend. In | |
Idlib leben viele Binnengeflüchtete, die aus anderen Regionen vor dem | |
Assad-Regime flohen. Das Erdbeben, sagt Sobhi al-Kurdi, die in Idlib lebt, | |
sei noch beängstigender gewesen als die Bomben während des Krieges. „Wir | |
wussten nicht, wann das Beben aufhören würde.“ | |
Auch das Stromnetz ist beschädigt, Elektrizität und Wasser in den am | |
stärksten betroffenen Gebieten ausgefallen. Auch die Kälte macht den | |
Menschen zu schaffen. Aus Angst vor einem erneuten Beben oder dem Einsturz | |
instabiler Gebäude schlafen manche weiter im Freien. | |
Aus den vom Erdbeben betroffenen Gebieten der [3][Türkei], in denen auch | |
viele syrische Geflüchtete leben, kommen immer mehr Leichen im | |
Rebellengebiet an – den Familien ist es wichtig, dass ihre Angehörigen in | |
syrischer Erde begraben werden. Auch von Massengräbern in Harim, nahe der | |
syrisch-türkischen Grenze, wird berichtet. | |
Al-Hussein sagt: „Lob sei Gott, wir nehmen unser Schicksal und unsere | |
Bestimmung an, aber der Schmerz in unseren Herzen wird bleiben.“ | |
Mitarbeit: Lisa Schneider | |
8 Feb 2023 | |
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## AUTOREN | |
Muhammad Al-Hosse | |
Moawia Atrash | |
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