# taz.de -- Nach den Anschlägen in Brüssel: Die Angst vor dem „Entgleiten“ | |
> Auch deutsche Sicherheitsbehörden sind alarmiert. Innenpolitiker fordern | |
> eine bessere europäische Polizeiarbeit. | |
Bild: Entsetzen, Fassungslosigkeit: PassantInnen wie die einstige EU-Kommissari… | |
Berlin taz | Es hatte etwas von Routine, trauriger Routine. Kaum sind die | |
Explosionen am Dienstag früh in Brüssel erfolgt, da versetzen sich auch die | |
deutschen Sicherheitsbehörden in den Alarmmodus. Die Bundespolizei fährt | |
Kontrollen an der Grenze zu den Benelux-Ländern hoch. Auf Flughäfen und | |
Bahnhöfen ziehen schwer bewaffnete Beamte auf, im Auswärtigen Amt wird ein | |
Krisenstab eingerichtet. | |
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte sich den Tag für ein | |
Treffen mit seinem serbischen Amtskollegen NebojšjaStefanović reserviert. | |
Nun überlagert Brüssel alles. „Die Anschläge galten nicht nur Belgien, | |
sondern unserer Freiheit, unserer Bewegungsfreiheit, der Mobilität und | |
allen, die Teil der EU sind“, sagt ein müde dreinschauender de Maizière. | |
Der Kampf gegen Terrorismus werde „entschlossen und hart“ weitergeführt. | |
„Ein Zurückweichen darf es nicht geben.“ | |
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bemüht klare Worte. „Die Mörder | |
von Brüssel sind Terroristen ohne Rücksicht auf die Gebote der | |
Menschlichkeit“, sagte sie in Berlin. Sie erklärte, das Entsetzen sei | |
ebenso grenzenlos wie die Entschlossenheit, den Terrorismus zu besiegen. | |
„Unsere Kraft liegt in unserer Einigkeit“, betonte die Kanzlerin und | |
beschwor die europäische Solidarität. Der Tatort Brüssel erinnere ganz | |
besonders daran, dass die Täter Feinde aller Werte seien, für die Europa | |
stehe und zu denen sich die Europäische Union bekenne. „So werden sich | |
unsere freien Gesellschaften als stärker erweisen als der Terrorismus.“ | |
Bundespräsident Joachim Gauck verurteilt die Terrortaten „aufs Schärfste“. | |
„Gemeinsam werden wir unsere europäischen Werte, Freiheit und Demokratie, | |
verteidigen.“ | |
Zeitgleich aber sind die Folgen des Terrors auch hierzulande schon spürbar. | |
Die Deutsche Bahn stoppt ihre Züge nach Brüssel, sie enden in Aachen. | |
Fluglinien streichen ihre Flüge in die belgische Hauptstadt. | |
NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD), dessen Bundesland direkt an Belgien | |
grenzt, spricht seine Sorgen offen aus. Er fürchte, dass die islamistische | |
Szene im Nachbarland „entgleitet“. „Erschreckend ist, dass die belgischen | |
Behörden von den Vorbereitungen offenbar nichts mitbekommen haben.“ | |
## Reaktion auf Festnahme des Paris-Attentäters? | |
In den Sicherheitsbehörden hatte man solch ein Szenario für möglich | |
gehalten – als Reaktion auf die am Freitag erfolgte Festnahme des | |
mutmaßlichen Paris-Attentäters Salah Abdeslam in Brüssel. Innenminister de | |
Maizière bestätigt dies am Dienstag: „Möglicherweise führen auch Festnahm… | |
dazu, dass der Terrorismus noch stärker Gewalt ausübt.“ Dies aber dürfe | |
niemanden von solchen Maßnahmen abhalten. | |
Eine Verbindung der Brüssel-Attentäter nach Deutschland schließt der | |
Minister vorerst aus: Dafür gebe es „keinerlei Hinweise“. Und doch gibt es | |
eine Spur, welche die Behörden verunsichert. So fuhr Abdeslam im Oktober | |
mit einem Mietwagen von Belgien nach Ulm und holte dort wahrscheinlich drei | |
Männer ab, die in einer Unterkunft für Asylbewerber gelebt und sich als | |
syrische Flüchtlinge ausgegeben hatten. Wo die drei heute sind, ist | |
unbekannt. Abdeslam brachte das Auto nach Belgien zurück. Plante er | |
Anschläge auch in Deutschland? | |
Konkrete Anschlagspläne seien nicht bekannt, heißt es am Dienstag. Dennoch | |
lässt das BKA die derzeit 471 islamistischen Gefährder nach Brüssel erneut | |
überprüfen. | |
## Erneute Debatte um Sicherheitspolitik | |
Unter den Sicherheitspolitikern bricht nun wieder die Diskussion aus, ob | |
die Maßnahmen reichen. Der CDU-Innenexperte Armin Schuster fordert | |
europäische Antworten. „Wir brauchen ein starkes europäisches | |
Terrorabwehrzentrum und ein Fahndungssystem, an dem sich alle Länder | |
diszipliniert beteiligen“, sagte er der taz. Zudem müssten an allen | |
Ländergrenzen „stichprobenhafte“ Kontrollen durchgeführt werden. | |
Seit Jahresbeginn gibt es in Den Haag ein Europäisches Terrorabwehrzentrum. | |
Die Zahl der Mitarbeiter aber ist gering, die Zuarbeit der Länder mau. Auch | |
der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka kritisiert eine „fehlende | |
Vernetzung der Sicherheitsbehörden auf europäischer Ebene“. Diese offene | |
Flanke sei „schleunigst zu schließen“. Auch sei eine „weitere personelle | |
und technische Ertüchtigung“ der deutschen Sicherheitsbehörden | |
„unerlässlich“. | |
Die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic warnt davor, „ohne jegliche | |
Analyse der Vorfälle Forderungen zu erheben“. Sie appelliert vielmehr, die | |
„regionalen Netze“ der Islamisten in Europa in den Blick zu nehmen. „Die | |
terroristische Gefahr entstammt größtenteils unseren eigenen | |
Gesellschaften.“ | |
Die AfD nutzt die Anschläge für sich. Ihr NRW-Chef Marcus Pretzell | |
twittert: „Vor meiner Haustür. Ich bin es so leid.“ Später legt er noch | |
einen drauf: „Alle solidarisch mit den Toten. Wann seid ihr endlich | |
solidarisch mit den Lebenden?“. Dazu setzt er den Hashtag #jesuisheuchler. | |
Seine Parteikollegin Beatrix von Storch schreibt auf Facebook: „Viele Grüße | |
aus Brüssel. Wir haben soeben das Parlament verlassen. Hubschrauber | |
kreisen. Militär rückt an. Sirenen überall. Offenbar viele Tote am | |
Flughafen und am Zentralbahnhof. Hat aber alles nix mit nix zu tun.“ Von | |
Empathie angesichts der vielen Toten und Verletzten keine Spur. | |
23 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
Sabine am Orde | |
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