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# taz.de -- Nach Machtübernahme der Taliban: „Unsere Stimme wird nicht verst…
> In Afghanistan gibt es mehrere kleine Proteste von Frauen gegen die
> Taliban. Deren Regierungsbildung lässt weiter auf sich warten.
Bild: Frauen bei einem Protest in Kabul
Schon zum zweiten Mal in zwei Tagen haben am Sonnabend in Afghanistans
Hauptstadt Kabul Frauen gegen die Taliban protestiert. Hauptforderungen der
Demonstrantinnen waren das Recht auf Arbeit und nach Beteiligung an der
künftigen Regierung – eine Reaktion auf die Ankündigung hochrangiger
Taliban, Frauen könnten darin eventuell eine Rolle spielen, aber nicht wie
bisher auf Ministerebene.
Die als Zivilgesellschaftsaktivistin vorgestellte Soraja Scharifi sagte dem
weiter sendenden, unabhängigen TV-Sender Tolo, die Taliban hätten
Elektrokabel als Schlagwaffen und Pfefferspray eingesetzt. Auf einer
späteren improvisierten Pressekonferenz wurde eine Frau mit Platzwunde am
Kopf gezeigt. In einem in sozialen Medien verbreiteten Video war aber auch
zu sehen, wie ein Talibankämpfer einen anderen davon abhielt, mit dem
Gewehrkolben gegen die Protestierenden vorzugehen.
Tolo zeigte eine Gruppe von gut zwei Dutzend modern, aber mit Kopftüchern
gekleideten Frauen mit violetten Flaggen sowie Schals und Transparenten.
Eine Aufschrift lautete „Ich habe Jura studiert, ich bin keine Ärztin, ich
will meinen Job!“ – eine Anspielung auf die Anordnung der Taliban von
letzter Woche, dass alle berufstätigen Frauen abgesehen von medizinischem
Personal bis auf Weiteres zu Hause bleiben sollen, weil ihre Kämpfer „noch
nicht ausreichend im Umgang mit Frauen ausgebildet seien“.
Die Frauen forderten auf einem weiteren Transparent die internationale
Gemeinschaft auf, die Talibanregierung nicht anzuerkennen, wenn sie Frauen
keine politische Partizipation erlaubten.
## Protest „außer Kontrolle“
Die Frauen wollten zudem vor dem Präsidentenpalast einen Kranz für die
gefallenen Soldaten der Regierungsarmee niederlegen. In Teilen der
afghanischen Öffentlichkeit wird Ex-Präsident Aschraf Ghani wegen seiner
Flucht vor den Taliban ins Ausland für deren Tod verantwortlich gemacht.
Auch Sprechchöre mit dem Slogan „Unsere Stimme wird nicht verstummen“ waren
zu hören.
Die Taliban stoppten den Zug, da der Zugang zu öffentlichen Gebäuden wie
unter der vorherigen Regierung verboten sei. Tolo zeigte einen nicht näher
in seiner Funktion bezeichneten Talibanoffiziellen namens Abdulhak Hammad,
der behauptete, der Protest sei „außer Kontrolle“ geraten. Vorhandene
Videos von Tolo und anderen afghanischen Onlinemedien belegen das
allerdings nicht.
Die Frauen waren von einer schwer bewaffneten Taliban-Polizeisondereinheit
und anderen Kämpfern umstellt. Die militanteste sichtbare Aktion der Frauen
war, dass eine von ihnen einem Talibanoffiziellen ein Megafon aus der Hand
wand und es selbst verwendete. Die Videos zeigen auch, wie die Taliban
schließlich die weitere Berichterstattung durch anwesende Reporter
unterbanden.
Schon am Freitag protestierte in Kabul eine Gruppe Frauen unter anderem für
„Frauenrechte und [1][Gleichberechtigung] mit den Männern“ und forderte
„politische Partizipation in die Verfassung“. Dies berichtete ein anonymer,
offenbar in Afghanistan angesiedelter Twitter-Account namens „From The
Afghan Women“, über den sich nach eigenen Angaben Frauen in verschiedenen
Provinzen vernetzen.
## Talibansprecher versucht, Frauen die Schuld zu geben
Dort wurde auch ein kurzes Video von einem Frauenprotest in der
Südwestprovinz Nimrus verbreitet, in dem eine kleine Gruppe schwarz
gekleideter Frauen ebenfalls Frauenrechte einklagte. Zuvor gab es auch in
der westafghanischen Metropole Herat Straßenproteste von Frauen.
Die unterschiedlichen Reaktionen der [2][Taliban] auf die Proteste sind
auch in der mehrmals für die nächsten Tage oder Wochen angekündigten, aber
bisher ausgebliebenen Proklamation einer neuen Regierung zu suchen. Damit
fehlen einheitliche Anweisungen an Kämpfer. Äußerungen wie von
Talibansprecher Enamullah Samangani, der dem Persisch-Dienst der BBC sagte,
„Frauen zu schlagen“ sei „nicht unsere Politik“, bleiben so lange
unglaubwürdig.
Samangani nannte die Übergriffe ein Resultat von „Missverständnissen“ und
versuchte, den Frauen die Schuld dafür zuzuschieben. Es handele sich nur um
„kleine Gruppen, die Störungen hervorrufen“ wollten.
Unterdessen gingen in der einzigen bisher nicht von den Taliban eroberten
Provinz Pandschir die Kämpfe weiter. Nach dem Scheitern von Verhandlungen
waren Freitagnacht Taliban in das Tal eingedrungen und verlangten die
Kapitulation ihrer Gegner. Offenbar mussten sich einige örtliche Milizen
ergeben, während weitere Kämpfer einen Talibanvorstoß auf das
Provinzzentrum Basarak bisher verhindern konnten. Beide Seiten sprachen von
einer hohen Anzahl von Opfern, vor allem auf der jeweils gegnerischen
Seite.
Die Taliban in Pandschir behaupten, fünf von sieben Distrikten zu
kontrollieren. Der Anführer der Pandschir-Milizen, Ahmad Massud, dessen
Aufenthaltsort unbekannt ist, würdigte online die Frauenproteste.
Verbindungen zwischen beiden Bewegungen bestehen aber nicht. Massuds
islamistische Dschamiat-Partei lehnt ebenfalls viele Frauenrechte ab.
6 Sep 2021
## LINKS
[1] /Frauenrechte-in-Afghanistan/!5799169
[2] /Regierungsbildung-in-Afghanistan/!5797653
## AUTOREN
Thomas Ruttig
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