| # taz.de -- Kämpfe in Afghanistan: Taliban erklären Pandschir für erobert | |
| > Talibansprecher Mudschahid verkündet die „vollständige“ Eroberung des | |
| > Pandschir-Tals. Die Nationale Widerstandsfront kündigt an, ihren Kampf | |
| > fortzusetzen. | |
| Bild: Milizionäre der Widerstandsfront im Pandschir-Tal Ende August | |
| Berlin taz | Nach fünftägigem Kampf haben die Taliban mit P[1][andschir | |
| auch die letzte afghanische Provinz] erobert. Talibannahe Accounts in | |
| sozialen Medien zeigten am Sonntagabend ihre Kämpfer vor dem | |
| Verwaltungsgebäude des Provinzzentrums Basarak. Am Montag verkündete | |
| Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid vor der Presse in Kabul die | |
| Eroberung. | |
| Das Pandschir-Tal nordöstlich von Kabul war in den 1980er und 90er Jahren | |
| unter dem 2001 ermordeten Mudschaheddinkommandeur Ahmad Schah Massud eine | |
| Hochburg des Widerstands gegen die sowjetische Besatzung und das erste | |
| Talibanregime. Die dort von Massuds Sohn Ahmad gegründete sogenannte | |
| Nationale Widerstandsfront gestand die Niederlage nur indirekt ein. | |
| Am Montag hieß es auf ihrem offiziellen Twitter-Account nur: „Wir geben | |
| nicht auf“, ihre Kämpfer hielten „strategische Positionen“ in den Bergen | |
| des Pandschir und setzten den Widerstand fort. Mudschahid sagte, die | |
| Taliban seien „sehr empfindlich, was Aufstände anbelangt. Jeder, der einen | |
| Aufstand zu beginnen versucht, wird hart getroffen. Wir werden nicht noch | |
| einen erlauben.“ | |
| Die Bewegung im Pandschir bestand aus lokalen Milizen und Einheiten der | |
| früheren Regierungsarmee inklusive Elitetruppen, die sich nach Kabuls Fall | |
| dorthin zurückgezogen hatten. Die Milizen erwiesen sich als die | |
| Achillesferse. Ihre Kapitulation ermöglichte den Taliban den Zugang in das | |
| schwer erreichbare Tal. Die Bewegung bestätigte schwere Verluste, darunter | |
| den Tod ihres Sprechers, des [2][Journalisten Fahim Daschti], sowie | |
| prominenter Kommandeure, darunter ein Cousin von Massud senior. Der frühere | |
| Parlamentsabgeordnete Saleh Muhammad Registani, ein engster Berater Ahmad | |
| Massuds, sei schwer verletzt. | |
| Die Widerstandsfront [3][beschuldigte Pakistan], den Taliban Drohnen für | |
| die Angriffe geliefert zu haben. Belege dafür gibt es bisher nicht. Wo sich | |
| die beiden Führer der Widerstandsfront, Massud und Ex-Vizepräsident | |
| Amrullah Saleh, aufhalten, ist unbekannt. Saleh könnte in Tadschikistan | |
| sein, wo ihn US-Journalisten Ende letzter Woche gesehen hatten. Offenbar | |
| versuchte er, internationale Unterstützung zu mobilisieren. | |
| ## Internationaler Einfluss | |
| Die blieb aus. Frühere [4][Unterstützer wie Russland] und Iran arrangierten | |
| sich inzwischen realpolitisch mit den Taliban. Westliche Regierungen, die | |
| den älteren Massud unterstützt hatten, dürften nach ihrem Scheitern in | |
| Afghanistan kaum Appetit auf die Verwicklung in einen neuen bewaffneten | |
| Konflikt haben. Zudem fehlt den Kämpfern der Landzugang ins Ausland als | |
| Nachschubroute. | |
| Doch vor allem ihre Machtpolitik unter US-Schutz hat sie in den letzten | |
| Jahren von potenziellen Verbündeten unter den Paschtunen entfremdet. | |
| Äußerungen der Pandschir-Front, dass „der Norden sich wieder erheben“ | |
| werde, sowie von Ex-Verteidigungsminister Bismillah Muhammadi, der | |
| ebenfalls aus Pandschir stammt, dass „unsere letzte Option die Teilung des | |
| Landes“ sei, dürften die ethnische Kluft vertiefen. | |
| Ein Guerillakrieg könnte für die Taliban zudem ein Vorwand für verschärfte | |
| Repression sein. Schon während der ersten Taliban-Herrschaft bis 2001 | |
| wurden Anschläge in Kabul der damaligen Widerstandsbewegung zugeschrieben | |
| und mit öffentlichen Hinrichtungen angeblicher Täter beantwortet. | |
| Während der Kämpfe traf der Chef von Pakistans Militärgeheimdienst, General | |
| Faiz Hameed, Samstagabend in Kabul Talibanführer. Die Pandschir-Front sah | |
| darin Koordinierungshilfe für die Taliban, er könnte aber auch eine | |
| Vermittlerrolle gespielt haben. Sein offen publizierter Besuch – der | |
| hochrangigste bei den Taliban seit ihrer Übernahme Kabuls – ist auch ein | |
| Signal, dass Pakistan das Nachbarland als seine Einflusssphäre betrachtet. | |
| Pakistan hat die Taliban immer unterstützt, das aber stets bestritten. | |
| ## Frauen in Gefahr | |
| Talibansprecher Mudschahid verkündete in Kabul, dass vier an Übergriffen | |
| auf [5][protestierende Frauen] am Samstag in Kabul beteiligte Kämpfer | |
| verhaftet wurden. Er sagte auch, solange es keine neue Regierung gebe, sei | |
| „keine Zeit für Proteste“. Afghanischen Onlinemedien zufolge gab es am | |
| Montag neue Frauenproteste, diesmal in der nördlichen Großstadt | |
| Masar-i-Scharif. Demnach versammelten sich die Frauen unter einem Mosaik | |
| Massud seniors. | |
| Zugleich wurde bekannt, dass Talibankämpfer in der Provinz Ghor eine | |
| schwangere Polizistin erschossen hätten, die zuvor im örtlichen Gefängnis | |
| tätig war. In Masar blockieren die Taliban vier Evakuierungsflugzeuge einer | |
| US-Organisation. Diese beschuldigte das State Department, die Taliban nicht | |
| von der Einreiseerlaubnis für die etwa 1.000 Passagiere informiert zu | |
| haben. | |
| 6 Sep 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Thomas Ruttig | |
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