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# taz.de -- Nach Abstimmung in Italien: Renzi geht und geht nicht
> Der italienische Senat verabschiedet den Haushalt für 2017.
> Ministerpräsident Matteo Renzi tritt zurück, bleibt aber bis zur
> Regierungsbildung im Amt.
Bild: Nach dem Referendum nun eine neue Regierung: Italiens Ministerpräsident …
Rom taz | Unmittelbar nach der Verabschiedung des Staatshaushalts 2017
durch den Senat vollzog Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi am
Mittwochabend seinen Rücktritt. Staatspräsident Sergio Mattarella kündigte
an, er werde schon am Donnerstag die Konsultationen zur Neubildung einer
Regierung aufnehmen. Bis zur Regierungsbildung soll Renzi geschäftsführend
im Amt bleiben.
Einigermaßen bizarr war die Abfolge der Ereignisse am Mittwoch. Erst ließ
Renzi sich vom Senat das Vertrauen aussprechen und erhielt mit 173 von 315
Stimmen eine überzeugende Mehrheit. Nur wenige Stunden später saß er bei
Staatspräsident Mattarella, um seine Kündigung einzureichen, mit der er auf
die Schlappe beim Verfassungsreferendum vom letzten Sonntag reagierte.
Es habe sich halt um ein rein „technisches Vertrauen“ gehandelt, heißt es
aus dem Renzilager: Es ging darum, mit der Vertrauensfrage das
Haushaltsgesetz ohne weitere Diskussionen und Änderungsanträge im
Schnelldurchgang durch den Senat zu bringen, um so den Weg für die
Regierungskrise freizumachen.
Dieses Ziel hat der scheidende Premier erreicht. Weiterhin aber haben er
und Präsident Mattarella für die Krisendramaturgie zwei verschiedene
Drehbücher. Mattarella wünscht eine neue, voll handlungsfähige Regierung,
die möglichst bis zum Ende der Legislaturperiode im Februar 2018 im Amt
bleibt.
Schließlich hat Italien in den nächsten Monaten auch einige wichtige
internationale Verpflichtungen, von der G7-Präsidentschaft im ersten
Halbjahr 2017 zu den großen Feierlichkeiten rund um den 60. Jahrestag der
Unterzeichnung der Römischen Verträge im März nächsten Jahres.
## Keine Neuwahlen im Februar
Davon jedoch will Renzi nichts wissen. Ginge es nach ihm, würden sofortige
Neuwahlen angesetzt. Dieses Vorhaben wurde jedoch sofort gestoppt, von
Mattarella genauso wie vom Verfassungsgerichtshof, der just am Dienstag
bekanntgab, er werde am 24. Januar über das Wahlgesetz für das
Abgeordnetenhaus entscheiden.
Der von Renzi [1][gewünschte Wahltermin im Februar] scheidet damit aus – er
wäre mit dem Risiko verbunden, dass das noch geltende Wahlrecht mitten im
Wahlkampf von den Verfassungsrichtern gekippt wird.
Widerstand gegen Renzis Crashkurs formierte sich aber auch in seiner
eigenen Partito Democratico (PD), nicht nur von der linken
Parteiminderheit, sondern auch aus dem Renzilager, in dem sich erste Risse
auftun.
In der Sitzung des erweiterten Parteivorstands erläuterte Renzi am
Mittwochnachmittag deshalb, die PD sei nun durchaus mit der Bildung einer
neuen Regierung einverstanden, allerdings nur einer „Regierung der
nationalen Verantwortlichkeit“, in der alle Parteien mittun müssten.
Dieser Vorschlag ist offensichtlich eine Mogelpackung; es ist völlig klar,
dass weder Beppe Grillos Movimento5Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung) noch
die rechtspopulistische Lega Nord eine solche Lösung mittragen würden. Und
Silvio Berlusconis Forza Italia bietet Renzi zwar an, eine Reform des
Wahlrechts mitzutragen, wäre in einer Regierungskoalition aber auch kaum
dabei.
## Renzis eigenes politisches Überleben
Sollte jedoch ein breites Bündnis nicht zustande kommen, dann – so der
scheidende Ministerpräsident – führt an der Ansetzung von Neuwahlen
unmittelbar nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts Ende Januar kein
Weg vorbei. „Wir haben keine Angst vor den Urnen“, erklärte er trotzig.
So gewagt und halsbrecherisch dieses Unterfangen eines Mannes erscheint,
der gerade erst [2][beim Referendum eine krachende Niederlage erlitten
hat], so plausibel sind doch Renzis Erwägungen, in denen sein eigenes
politisches Überleben eine große Rolle spielt.
Er selbst kann die Führung einer neuen, auf Dauer angelegten Regierung kaum
übernehmen, nachdem er sein Schicksal als Ministerpräsident an den Ausgang
der Volksabstimmung geknüpft hatte. Renzi bliebe zwar PD-Vorsitzender,
müsste aber so oder so um seine politische Zukunft fürchten.
Wäre die neue Regierung unter einem anderen PD-Politiker nämlich
einigermaßen erfolgreich, so wäre auch Renzis Führungsanspruch bei den
nächsten Wahlen im Jahr 2018 in Frage gestellt. Wahrscheinlicher dagegen
ist, dass die Probleme für die Regierung sich in den nächsten Monaten
häufen, von der weiter schwelenden Bankenkrise und der weiterhin
substantiell stagnierenden Wirtschaft zum anhaltenden Zustrom von
Flüchtlingen und Migranten.
## Renzi rechnet mit innerparteilichen Gegnern ab
Renzi dreht vor diesem Hintergrund die Dinge kurzerhand um und erklärt
seine Niederlage am Sonntag zu einem, wenn auch bescheidenen, Sieg.
Immerhin 40 Prozent habe das Regierungslager erhalten, führte er vor dem
Parteivorstand aus, und dieses Kapital möchte er, bevor es erodiert, so
schnell wie möglich in Stimmen für die PD bei den nächsten Parlamentswahlen
verwandeln. Deshalb will Renzi nur die Bildung einer kurzlebigen
Übergangsregierung, die Italien an die Urnen führen soll.
Vorher aber wird er wohl mit seinen innerparteilichen Gegnern abrechnen,
mit der linken Minderheit, die beim Verfassungsreferendum für ein Nein
eingetreten war. Die „Aufarbeitung“ dieses Konflikts werde unmittelbar nach
der Regierungsbildung erfolgen, erklärte er vor dem PD-Vorstand, und sie
werde „sehr hart“.
Weiterhin steht die Parteispaltung im Raum. Für Donnerstag – das Fest der
Unbefleckten Empfängnis – hat Renzi sich freigenommen. Er wolle mit seinen
Kindern an der Playstation spielen, ließ er seine Parteifreunde wissen,
„und ich hoffe, dass es dabei anders für mich ausgeht als letzten Sonntag
beim Referendum“.
8 Dec 2016
## LINKS
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## AUTOREN
Michael Braun
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