| # taz.de -- NSU-Prozess gerät ins Stocken: Lange Jahre Knast für die Helfer | |
| > Nach dem Haftbefehl gegen den Mitangeklagten André E. gerät der | |
| > NSU-Prozess ins Stocken. Die Richter aber machen klar: Sie folgen der | |
| > Anklage. | |
| Bild: Soll Kenntnis von allen NSU-Morden gehabt haben: Archivbild von Andre E | |
| MÜNCHEN taz | Zwei Wachmeister führen André E. in den Saal. Sein übliches | |
| Grinsen ist verflogen, ernst schaut er durch seine Brille. Ein Lächeln gibt | |
| es nur für seine Frau Susann, die eigens angereist ist und auf der | |
| Zuhörertribüne sitzt. Dann strafft André E. seine rote Trainingsjacke – | |
| dieselbe, die er vor zwei Tagen trug, als er im Gerichtssaal des | |
| NSU-Prozesses verhaftet wurde. | |
| Die Ingewahrsamnahme kam überraschend, nicht nur für den 38-Jährigen. | |
| Vorerst war sie nur vorläufig. Die Bundesanwaltschaft hatte am Ende ihres | |
| Plädoyers eine zwölfjährige Haftstrafe für André E. gefordert – und dess… | |
| sofortige Verhaftung. Am Mittwochabend folgten dem die Richter: Sie | |
| verhängten Haftbefehl gegen E. wegen Fluchtgefahr. 382 Verhandlungstage war | |
| er als freier Mann aus Zwickau angereist – nun kommt er aus der JVA | |
| Stadelheim. | |
| André E. sei die engste Bezugsperson des NSU-Trios gewesen, ist die | |
| Bundesanwaltschaft überzeugt. Von Anfang bis Ende habe er den | |
| Untergetauchten geholfen, ihnen Wohnungen und Wohnmobile organisiert. Mit | |
| Letzteren fuhren die Rechtsterroristen zu zwei Banküberfällen und einem | |
| Sprengstoffanschlag in Köln. Als einziger Angeklagter sei E. in alle | |
| NSU-Terrortaten eingeweiht gewesen, so die Bundesanwaltschaft. | |
| Am Donnerstag nun versucht E.s Verteidiger Michael Kaiser den Gegenschlag. | |
| Er stellt einen Befangenheitsantrag gegen die Richter. Schon zuvor hatte er | |
| eingewandt, dass der dreifache Familienvater doch seit viereinhalb Jahren | |
| stets zum Prozess erschienen sei. Längst hätte er fliehen können. | |
| ## Sehr eng mit dem NSU-Trio verbandelt | |
| Auch der Mitangeklagte Ralf Wohlleben stellt einen Befangenheitsantrag. | |
| Auch er – beschuldigt als Waffenbeschaffer des NSU – soll nach dem Willen | |
| der Bundesanwaltschaft für zwölf Jahre in Haft. Wohlleben allerdings sitzt | |
| bereits seit 2011 in U-Haft. Mehrfach hatte seine Anwälte dies im Prozess | |
| als ungerechtfertigt kritisiert. | |
| Während für Wohlleben von Prozessbeteiligten eine hohe Haftstrafe erwartet | |
| wurde, war für André E. offen, wie viel ihm nachzuweisen ist. Der | |
| Haftbefehl des Gerichts ist für den Zwickauer nun fatal: Denn nach | |
| taz-Informationen folgen die Richter genau der Argumentation der | |
| Bundesanwaltschaft. | |
| Da André E. so eng mit den Untergetauchten verbandelt war, habe er gewusst, | |
| wie gewalttätig diese seien, halten auch die Richter fest. Schließlich | |
| hätten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt auch gegenüber weit weniger Vertrauten | |
| mit einigen ihrer Taten geprahlt. André E. habe also damit rechnen müssen, | |
| dass die Untergetauchten Straftaten bis hin zum Mordanschlag begehen | |
| könnten, als er ihnen die Wohnmobile organisierte. Vorkehrungen, um das zu | |
| verhindern, habe er nicht getroffen. Der entscheidende Satz im Haftbefehl: | |
| Im Falle einer Verurteilung habe André E. mit einer „erheblichen“ | |
| Freiheitsstrafe zu rechnen. | |
| ## Prozess gerät ins Stocken | |
| Damit wird es immer wahrscheinlicher, dass André E. tatsächlich zu einer | |
| hohen Haftstrafe verurteilt wird. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm Beihilfe | |
| zum versuchten Mord, zu schwerem Raub und Unterstützung einer | |
| terroristischen Vereinigung vor. | |
| ie rechtsextreme Szene, zu der André E. bis heute offen hält, reagierte | |
| prompt. „Freiheit für André“, verbreiteten Neonazis am Donnerstag ein Bild | |
| mit dem Porträt des Angeklagten im Internet. Noch vor kurzem hatte der | |
| Zwickauer seine Freiheit genutzt, um etwa an einem Neonazi-Konzert im | |
| Thüringer Themar teilzunehmen. | |
| Der NSU-Prozess indes gerät nun wiedermals ins Stocken. Der Prozesstag am | |
| Donnerstag wurde nach den Befangenheitsanträgen abgesagt, auch der folgende | |
| fällt aus. Weiter geht es nun am kommenden Mittwoch. Ob dann, wie bisher | |
| geplant, die Anwälte der Opferfamilien mit ihren Plädoyers begingen können, | |
| ist offen. | |
| 14 Sep 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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