# taz.de -- NSU-Prozess in München: Schon mal hinter Gittern | |
> André E. gilt als engster Helfer des NSU-Trios. Nun wurde er in U-Haft | |
> genommen. Die Bundesanwaltschaft hatte zuvor 12 Jahre Haft für ihn | |
> gefordert. | |
Bild: Hat sich bis heute nicht vom NSU distanziert: der Angeklagte Andre E. | |
MÜNCHEN taz | Der NSU-Prozess könnte für André E. bitter ausgehen. Am | |
Mittwochabend verhängte der Strafsenat des Oberlandesgerichts München nach | |
dreieinhalbstündiger, geheimer Beratung Haftbefehl gegen den als | |
Terrorhelfer Angeklagten. Es bestehe Fluchtgefahr wegen einer möglichen | |
hohen Haftstrafe. | |
Als einziger aller fünf Angeklagten hatte André E. bis zum Schluss | |
geschwiegen – und gehofft, mit dieser Strategie glimpflich davonzukommen. | |
Das könnte nun nach hinten losgehen. | |
Schon am Dienstag hatten die Richter den 38-Jährige im NSU-Prozess | |
vorläufig festnehmen lassen, noch im Verhandlungssaal. [1][Zuvor hatte die | |
Bundesanwaltschaft ihr Plädoyer beendet] und für E. eine zwölfjährige | |
Haftstrafe gefordert – in dieser Höhe überraschend. E.s Hilfe für das | |
NSU-Trio sei unerlässlich gewesen, betonte Bundesanwalt Herbert Diemer. Er | |
sei der „Anker“ für das Trio gewesen, „der Stein in der Brandung“. | |
André E. hielt den Untergetauchten von Anfang bis Ende die Treue und war | |
deren engste Bezugsperson. Der Zwickauer organisierte ihnen Wohnungen und | |
mietete Wohnmobile an. Mit einem fuhren die NSU-Terroristen Uwe Mundlos und | |
Uwe Böhnhardt im Jahr 2000 nach Köln und begingen dort einen | |
Sprengstoffanschlag auf einen Lebensmittelladen. Die 19-jährige Tochter des | |
Ladenbesitzers wurde dabei schwer verletzt. | |
Als das Trio 2007 aufzufliegen drohte, ging André E. zur Polizei und gab | |
sich als Zschäpes Ehemann aus. Und noch im November 2011, als der NSU nach | |
zehn Morden und zwei Anschlägen aufflog und Zschäpe floh, war es E., der | |
ihr ein letztes Mal half und Wechselkleidung brachte. | |
Aber wusste er auch von den NSU-Terrortaten? Die Anwälte von André E. taten | |
das als Spekulation ab. Auch Prozessbeteiligte hatten eine Strafforderung | |
von „nur“ rund sieben Jahren erwartet. Die Bundesanwaltschaft aber geht in | |
die Vollen: Als einziger Angeklagter habe E. von allen Taten des NSU | |
gewusst, ist sie überzeugt. Weil er dem Trio so nahestand wie niemand sonst | |
und voll ihre rechtsterroristische Ideologie teilte. Die Ankläger werfen E. | |
Beihilfe zum versuchten Mord vor und die Unterstützung einer | |
terroristischen Vereinigung. | |
Schon nach Bekanntwerden des NSU war André E. verhaftet worden. Nach sieben | |
Monaten wurde er indes freigelassen: Der Bundesgerichtshof hob seinen | |
Haftbefehl auf. Damals ging es um die Frage, ob E. am Bekennervideo des NSU | |
mitwirkte. Diesen Verdacht sah der Bundesgerichtshof nicht genügend | |
unterfüttert. | |
Gegen E.s erneute Inhaftierung hatte sein Verteidiger eingewandt, dass der | |
dreifache Familienvater doch seit viereinhalb Jahren stets zum Prozess | |
erschienen sei. Längst hätte er fliehen können, hätte er gewollt. Die | |
Richter sahen dennoch eine Fluchtgefahr – wegen der nun bekannten, | |
überraschend hohen Strafforderung. | |
Vom NSU distanziert hat sich André E. bis heute nicht – im Gegenteil. Der | |
Neonazi ist mit rechten Tattoos übersäht, „Die Jew Die“ lautet eines. In | |
seinem Wohnzimmer fanden Ermittler ein Bild von Mundlos und Böhnhardt – mit | |
dem Schriftzug „Unvergessen“. Seine Freiheit nutzte E. auch für die | |
Teilnahme an Aufzügen der rechtsextremen Szene, zuletzt etwa im Thüringer | |
Themar. | |
Mehmet Daimagüler, Anwalt zweier NSU-Opferfamilien, stellte deshalb die | |
Frage, warum André E. in den letzten Jahren überhaupt auf freiem Fuß war. | |
Schließlich sei dieser Mittäter als bloßer Helfer des NSU gewesen. Am | |
Donnerstag soll der NSU-Prozess fortgesetzt werden – mit den Plädoyers der | |
Opferanwälte. | |
13 Sep 2017 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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