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# taz.de -- Mutmaßliche rechte Gewalt in Freiburg: „Der ist doch gefährlich…
> Zwei Attacken von Rechtsextremen auf Linke sorgen in Freiburg für
> Diskussionen. Manche fragen: Ist die Polizei auf dem rechten Auge blind?
Bild: Streifenwagen in der Freiburger Innenstadt
Freiburg taz | Mit dem grün-liberalen Freiburg hätte man solche Meldungen
bisher nicht unbedingt in Verbindung gebracht. Aber jetzt sorgen gleich
zwei mutmaßlich rechtsextreme Vorfälle an einem Tag für Aufregung in der
Stadt. Die Vorwürfe: Erst attackiert Robert H., ehemaliger AfD-Politiker
und prominentes Gesicht der Querdenker-Szene, zwei Mitglieder einer
Antifa-Gruppe mit Pfefferspray. Einen Mann, der den beiden zu Hilfe kommt,
verletzt er mit einem Messer. Zwei Stunden später grölt dann eine Gruppe
auf offener Straße ausländerfeindliche Parolen, bevor sie mutmaßlich einen
lettischen Punk jagt, bedrängt und schlägt.
In beiden Fällen, die sich am 12. Juni ereignet haben sollen, spielt die
Freiburger Polizei eine mindestens unglückliche Rolle. Im ersten Fall
übernahm die Polizei noch zwei Tage nach der Tat die Sichtweise des
AfD-Mannes in einer Pressemitteilung. Darin wurde er als Opfer dargestellt,
obwohl er der einzige Bewaffnete war und der Polizei zu diesem Zeitpunkt
schon andere Aussagen vorlagen. Im zweiten Fall gehörte sogar ein
Polizeibeamter zu der Gruppe, aus der heraus der Angriff erfolgt sein soll.
Enthüllt wurde das erst durch die Antifa.
Das Vorgehen passt so gar nicht zu dem Bild, das die Freiburger Polizei
gerade in den Sozialen Medien von sich zeichnet. Auf Twitter wirbt sie für
Diversity in ihren Reihen. Männer und Frauen mit Migrationshintergrund und
Prothesen werben in einem Clip für den Polizeidienst.
Das schöne Bild wird vom Verdacht gestört, man dulde rechte Pöbler in den
eigenen Reihen und übernehme die Darstellung von Rechtsextremen ungeprüft
in einer Pressemitteilung. Polizeipressesprecher Martin Lamprecht beteuert
gegenüber der taz: „Wenn ich den Eindruck hätte, dass ich als Sprecher
irgendetwas decken müsste, was mit extremistischem Gedankengut zu tun hat,
würde ich hier nicht länger Dienst tun.“
## Mit neun Stichen genäht
Im Fall der Messerattacke von Robert H. zeichnet die Freiburger Polizei
aber zumindest ein schiefes Bild von den Vorgängen. Das mutmaßliche Opfer
des Ex-AfD-Politikers stellt die Ereignisse grundlegend anders dar.
Wolfgang P. 61, sitzt am Donnerstag dieser Woche auf einem Grillplatz in
Kaiserstuhl, zieht sein Hemd hoch und zeigt eine vier Zentimeter lange
Schnittwunde unter der Brust, die mit neun Stichen genäht werden musste.
Die Polizei schrieb in ihrer Pressemitteilung nur etwas von einer leichten
Verletzung.
Das Treffen des Frührentners P. mit der taz hat ein Antifa-Aktivist
organisiert, der noch vor der Lokalpresse Hintergründe zu den beiden Fällen
veröffentlicht hatte. Die Badische Zeitung hatte sich die Darstellung P.s
zuvor offenbar nicht anhören wollen. Er sei am Telefon abgewimmelt worden.
Wie er zu der Verwundung kam, erzählt P. so: Als er am 12. Juni mit seiner
Frau aus der Tiefgarage seines Wohnhauses im Freiburger Stadtteil
Unterwiehre fährt, sieht er einen Mann, der auf dem Gehweg zwei Teenager
mit Pfefferspray traktiert. Ohne lange zu überlegen, steigt er aus seinem
Auto und greift ein. Was P. nicht weiß: Bei dem Mann handelt es sich um den
39-jährigen, stadtbekannten Querdenker-Aktivisten Robert H. Vor der
Pfefferspray-Attacke hat ihn das junge Pärchen, das sich zur Antifa zählt,
angepöbelt.
## Plötzliche Attacke
Als P. dazu kommt, so berichtet er es zumindest, haben sich die beiden
Teenager auf die andere Straßenseite gerettet. Ihr Verfolger zögert einen
Moment. P.s Frau bringt Wasser aus dem Wagen, damit sich die beiden
Angegriffenen die Augen auswaschen können. Als Robert H. plötzlich die Frau
attackiert, geht Wolfgang P. drohend auf den Angreifer zu und beschimpft
ihn. Obwohl auch er eine Salve Pfefferspray abbekommt, drängt er ihn weiter
ab. In diesem Moment zieht H. ein Messer. Das beobachten auch Passanten. H.
lässt sich von den Zeugen nicht irritieren und bringt P. den Schnitt unter
der Brust bei.
Noch im Krankenhaus, sagt Wolfgang P., sei er von zwei Polizeibeamten
befragt worden, denen er alle Details berichtet habe. Der Polizei ist auch
bekannt, dass gegen Robert H. bereits ein Verfahren wegen Körperverletzung
läuft. Zusammen mit dem rechtsextremen Anwalt und Kommunalpolitiker
Dubravko Mandic soll er im Mai 2019 einem Radfahrer attackiert und mit
einer Metallzange niedergeschlagen haben. Trotzdem heißt es am Montag in
der Pressemitteilung der Polizei nur: „Der 39-Jährige gab an, dass er von
insgesamt drei Personen tätlich angegangen wurde und sich daraufhin mit
Pfefferspray und einem mitgeführten Messer verteidigt habe.“
So wird der Ersthelfer in der Darstellung der Polizei zu einem von drei
Angreifern. Und statt eines Danks eröffnete ein Beamter Wolfgang P. vier
Tage später, dass nun auch gegen ihn ermittelt werde. Die Polizei
rechtfertigt die Darstellung später damit, dass zu diesem Zeitpunkt nur
eine Aussage von H. vorgelegen habe. Dass auch ein Opfer als Beschuldigter
geführt werde, sei bei zunächst unklarer Sachlage üblich und auch mit
entsprechenden Rechten wie etwa Aussageverweigerung verbunden.
Wolfgang P. hat sich mit Hilfe der Antifa jetzt erst mal einen Anwalt
genommen. Er sagt, er habe sich nie um Politik gekümmert auch von den
politischen Hintergründen der Auseinandersetzung habe er keine Ahnung
gehabt, als er eingegriffen habe. „Ich wollte helfen, man sagt doch immer,
man solle Zivilcourage zeigen.“
## Politische Wellen
Inzwischen schlagen die beiden Fälle von rechter Gewalt und die Reaktion
der Polizei in Freiburg auch politisch Wellen. Im zweiten Fall, dem des von
einer Gruppe attackierten Punks, sucht die Polizei nach Zeugen und
Handyfilmen, die den Ablauf der Tat klären können. Hier wehrt sich die
Polizei gegen die Behauptung des Opfers, die ermittelnden Beamten hätten
sich mit dem mutmaßlichen Rädelsführer, der ja einer ihrer Kollegen war, am
Tatort „verbrüdert“. Der Sprecher betont, gegen den Beamten werde ermittelt
und zwar nicht von den eigenen Kollegen, sondern von der Kriminalpolizei.
Den zwei linken Fraktionen im Freiburger Gemeinderat genügt das nicht. Sie
wollen nun vom Polizeipräsidenten wissen, warum sich die Polizei spät und
trotzdem verzerrend zu den Vorfällen geäußert hat und wie sie die
Gefährdungslage von rechter Seite einschätzt.
Die Sicherheitslage in der Freiburger Innenstadt war spätestens seit
[1][dem Mord an der Studentin Maria L. 2016] immer wieder heiß diskutiert
worden. Seitdem soll der Kommunale Ordnungsdienst und eine
Sicherheitskooperation mit dem Land für Ordnung sorgen. Demos und Partys
sorgen derzeit in der Innenstadt, die seit Corona wie andernorts auch
verwaist war, für unruhige Nächte mit Polizeieinsätzen.
Wolfgang P. hat nicht den Eindruck, dass es auf der Straße sicherer
geworden ist. Seinen Angreifer hat er zwei Tage nach dem Vorfall auf der
Straße getroffen. Es kam zu einem ruppigen Wortwechsel, in dem Robert H.
behauptete, sein Angriff sei Notwehr gewesen. Wolfgang P. kann es nicht
fassen: „Der ist doch gefährlich“, sagt er, „aber die Polizei lässt ihn
schon wieder draußen rumlaufen.“
25 Jun 2021
## LINKS
[1] /Mord-an-Studentin-Maria-L/!5491790
## AUTOREN
Benno Stieber
## TAGS
Freiburg
Rechte Gewalt
Polizei
Rechtsextremismus
Autobahnbau
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Schwerpunkt Rechter Terror
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