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# taz.de -- Monsantos Liste mit Glyphosat-Feinden: Bayer bricht Versprechen
> Monsanto führte eine Liste mit Freunden und Gegnern von Glyphosat. Trotz
> Ankündigung sind immer noch nicht alle Betroffene informiert worden.
Bild: Nicht nur nachts liegt bei Bayer vieles im Dunkel
Paris/Berlin taz | Hat der Chemiekonzern Bayer die Öffentlichkeit belogen?
Der Pestizidhersteller hat entgegen seinen Versprechungen nicht alle
Personen informiert, die [1][auf der „schwarzen Liste“ mit
Glyphosat-Gegnern und -Befürwortern] seiner heutigen [2][US-Tochterfirma
Monsanto] standen.
Das zeigt das Beispiel von einflussreichen Journalisten und Politikern, die
nachweislich auf der französischen Variante der Liste genannt sind.
Insgesamt acht Betroffene teilten der taz auf Anfrage mit, dass sie bis
Mitte der Woche keine Post zum Thema von Bayer oder einer vom Konzern
beauftragten Anwaltskanzlei erhalten hätten. Dabei hatte Bayer behauptet,
[3][bis 14. Juni] seien alle rund 600 Betroffenen in Deutschland und
Frankreich per Post angeschrieben worden.
Zudem hat eine Umfrage der taz in Deutschland ergeben, dass hierzulande
[4][führende Glyphosat-Befürworter wie Ex-Agrarminister Christian Schmidt
(CSU)] und Gegner des Pestizids ebenfalls keinen Hinweis von Bayer erhalten
haben – obwohl es sehr wahrscheinlich ist, dass sie auf der Liste standen.
Bayer hatte ab Mitte Mai eingeräumt, dass die PR-Agentur FleishmanHillard
im Auftrag von Monsanto Listen etwa über Industrie- und Verbandsvertreter,
Politiker, Lobbyisten und Journalisten in Frankreich und anderen EU-Ländern
angelegt habe. In Frankreich waren dortigen Medien zufolge 2016 rund 200
Namen teils mit Privatadresse und Hobbys aufgeführt.
## Pariser Staatsanwaltschaft ermittelt
Dazu Noten von 0 bis 5, je nach Grad der Unterstützung für Monsanto. Das
könnte gegen Datenschutzrecht und das französische Verbot verstoßen haben,
Register oder Listen über Personen nach „religiöser, weltanschaulicher oder
politischer Meinungen“ anzulegen. Die Staatsanwaltschaft in Paris
ermittelt.
Ziel war es offenbar, die 2017 tatsächlich erfolgte Wiederzulassung von
Glyphosat in der EU zu erreichen – obwohl die Krebsforschungsagentur der
Weltgesundheitsorganisation den weltweit meistverkauften Pestizidwirkstoff
2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hatte.
Frankreich ist das einzige betroffene Land, dessen Monsanto-Liste
Journalisten vorliegt. Die Zeitung Le Monde schickte der taz einen Auszug,
auf dem neben anderen die französischen Grünen-PolitikerInnen Michèle
Rivasi, José Bové und Karima Delli genannt sind. Laut Stéphane Foucart,
Umweltredakteur des Blattes, stehen außer ihm vier weitere
Le-Monde-Journalisten auf der Liste.
„Ich bin nicht kontaktiert worden“, sagte Foucart am Donnerstag der taz.
Und auch nicht seine vier Kollegen.
## Der Stolz, als „Erzfeind“ geführt zu werden
Der scheidende EU-Abgeordnete José Bové berichtete der taz: „Ich habe den
mich betreffenden Auszug der Liste von Le Monde erhalten. Ich hatte seither
keinen Kontakt per Telefon, E-Mail oder brieflich zur Information.“ Er
betrachte es schon fast als Ehre, auf der Liste der „völlig unbekehrbaren“
Monsanto-Gegner zu stehen. Er betrachtet sich selber aufgrund seines
langjährigen Kampfs gegen gentechnisch veränderte Pflanzen als „Erzfeind“
von Monsanto, das 2018 von Bayer übernommen worden war.
Auch die EU-Abgeordnete Rivasi bestätigte der taz, sie sei bis Mittwoch „in
keiner Weise, per Post oder sonst wie, direkt oder indirekt von Monsanto
oder Bayer kontaktiert worden“. Genauso äußerte sich Rivasis
Fraktionskollegin Karima Delli.
Die deutsche Monsanto-Liste ist nicht öffentlich. Aber es sind zahlreiche
Personen bekannt, die im Zulassungsverfahren für Glyphosat eine wichtige
Rolle spielten. Doch sogar CSU-Politiker Schmidt, von Februar 2014 bis März
2018 Bundesagrarminister, ließ der taz am Donnerstag mitteilen: „Mir ist
davon nichts bekannt, und ich bin auch nicht darüber informiert worden, ob
ich auf irgendwelchen Listen von Monsanto stehe.“
Schmidt stimmte Ende 2017 gegen den Willen des Koalitionspartners SPD in
Brüssel dafür, dass die EU das Unkrautvernichtungsmittel weitere fünf Jahre
zulässt. Das war die entscheidende Ja-Stimme. Damit verletzte Schmidt die
Geschäftsordnung der Bundesregierung, die bei unterschiedlichen
Auffassungen der Koalitionspartner eine Enthaltung verlangt.
## Selbst an Greenpeace keine Nachricht
Schmidt war also de facto der wichtigste Mann in der Glyphosat-Schlacht.
Sein Einfluss wird auch FleishmanHillard bekannt gewesen sein, wenn dort
nicht völlig inkompetente Leute arbeiten.
Der schärfste Glyphosat-Gegner im Bundestag war schon damals der
Grünen-Abgeordnete Harald Ebner. „Ich habe bisher keine Information darüber
bekommen, ob mein Name auf der Liste auftaucht“, sagte er der taz am
Donnerstag. Genauso ist es bei seinem Parteifreund Martin Häusling, dem
agrarpolitischen Sprecher seiner Fraktion im EU-Parlament.
Auch der Naturschutzbund, der Bund für Umwelt und Naturschutz, Greenpeace,
der WWF und das Umweltinstitut München berichteten, sie hätten bis
Donnerstagmittag keine positive Antwort von Bayer bekommen. Dabei haben
alle diese Umweltorganisationen maßgeblich die Debatte über Glyphosat
beeinflusst. Das trifft auch auf den Deutschen Bauernverband zu. Er hat
laut seinem Pressesprecher Axel Finkenwirth ebenfalls bis Montag nichts von
Bayer in der Sache gehört.
„Dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) liegen zu den sogenannten
Stakeholder-Listen im Zusammenhang mit Glyphosat keine Informationen durch
die Bayer AG oder durch eine entsprechend beauftragte
Rechtsanwaltsanwaltskanzlei Sidley Austin vor“, schrieb die Behörde, die
das wichtigste Gutachten für die Zulassung des Wirkstoffs erstellt hat, am
Donnerstagvormittag der taz. Auch das Bundesumweltministerium teilte mit:
„Uns sind keine Informationen seitens Bayer zugetragen worden, auch ist
niemand hier über eine Listung informiert worden.“ Ebenso ist die Lage beim
Umweltbundesamt.
## Zumindest SPD-Politiker Miersch wurde benachrichtigt
Das Bundesagrarministerium und das Bundeskanzleramt antworteten der taz,
sie wüssten nicht, ob Mitarbeiter von ihnen solche Schreiben erhalten
hätten.
Journalisten sollen laut Bayer zwar auf der französischen, aber nicht auf
der deutschen Liste stehen. Auch dem Autor dieses Berichts antwortete Bayer
auf Nachfrage, er werde nicht genannt.
Der einzige Treffer, den die taz landete, ist Matthias Miersch, der unter
anderem für Umwelt und Landwirtschaft zuständige Vize-Vorsitzende der
SPD-Bundestagsfraktion. Die Kanzlei Sidley Austin habe ihm geschrieben,
dass „sein Name auf der Stakeholder-Liste steht“, teilte Miersch der taz
mit. Er habe daraufhin um eine Kopie der Informationen über ihn gebeten.
„Bis jetzt liegt noch keine Antwort vor“, so Mierschs Büro. „Ich finde d…
Vorgang bemerkenswert und bin gespannt auf weitere Informationen“, sagte
der SPD-Politiker.
Hat Bayer also bewusst die Unwahrheit verbreitet? Es spricht einiges dafür,
dass viele Betroffene nicht angeschrieben wurden, obwohl der Konzern
Transparenz angekündigt hatte. Wenn Bayers Angaben korrekt waren, müssten
die laut Unternehmen in Brüssel abgeschickten Briefe inzwischen seit fast
zwei Wochen unterwegs sein. [5][Laut dem Branchenverband International Post
Corporation] benötigt ein Brief von Belgien nach Frankreich 2018 aber im
Schnitt nur 2,8, nach Deutschland nur 2,5 Tage.
## Hat Bayer gelogen? Konzernsprecher weicht aus
Eine andere Erklärung wäre, dass selbst Bayer, Monsanto und die Kanzlei
nicht wissen, wer auf den Listen steht. Angesichts der beteiligten Firmen
und der Brisanz des Falls erscheint das unwahrscheinlich.
Möglicherweise setzt Bayer jedoch darauf, dass der Fall langsam in
Vergessenheit gerät, wenn die Firma keine neuen Belege für den Skandal
liefert, indem Betroffene informiert werden.
„Das angekündigte transparente Verfahren der Benachrichtigung funktioniert
offensichtlich nicht, das ist mindestens peinlich für Bayer“, sagt
BUND-Pressesprecherin Daniela Wannemacher.
Ein Bayer-Sprecher antwortete auf die Frage der taz, ob der Konzern gelogen
habe: „Viele der Adressaten haben sich bereits bei der Kanzlei
zurückgemeldet und damit den Empfang bestätigt. Sollte jemand wissen oder
vermuten, auf den Listen zu stehen, aber noch keine Nachricht erhalten
haben, steht es ihm/ihr frei, sich kurz bei uns zu melden.“ Man werde die
Nachricht dann an Sidley Austin weiterleiten und eine kurzfristige
Rückmeldung sicherstellen.
Die den Konzern beaufsichtigende Datenschutzbeauftragte von
Nordrhein-Westfalen ist auch keine Hilfe in dem Fall. Sie sieht sich für
die Angelegenheit nämlich nicht zuständig, weil laut Bayer „die Listen
nicht von einem zur Bayer AG gehörenden Unternehmen mit Sitz in
Nordrhein-Westfalen geführt worden seien“. Obwohl das Register ja im
Auftrag von Monsanto erstellt wurde, das heute zu Bayer gehört und dessen
deutsche Niederlassung in NRW firmiert.
27 Jun 2019
## LINKS
[1] /Schwarze-Liste-von-Monsanto/!5600559
[2] /Falscher-Bericht-ueber-Monsanto-Kauf/!5603531
[3] https://twitter.com/BayerPresse_DE/status/1143132666298081285
[4] /Oeko-Unternehmerin-ueber-Messe-BioFach/!5477303
[5] https://www.ipc.be/services/operational-performance-services/unex/results
## AUTOREN
Rudolf Balmer
Jost Maurin
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