| # taz.de -- Kommunen verbannen Glyphosat: Runter vom Acker | |
| > Auf ihren Grünflächen verzichten viele Städte bereits auf das umstrittene | |
| > Herbizid. Nun wird Glyphosat auch zunehmend in der Landwirtschaft | |
| > verboten. | |
| Bild: Schön bunt – und bald ohne Glyphosat | |
| Mainz dpa | Viele deutsche Städte verzichten teils schon seit Jahren bei | |
| der Unkrautvernichtung auf ihren Grünflächen auf das umstrittene | |
| Pflanzenschutzmittel Glyphosat. Anders sah es lange bei den von Kommunen | |
| verpachteten und landwirtschaftlich genutzten Flächen aus. Aber das ändert | |
| sich: Immer mehr Städte und Gemeinden nehmen das Verbot auch in ihre | |
| Pachtverträge mit Landwirten auf, die stadteigene Äcker bewirtschaften. | |
| Glyphosat steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Eine Unterbehörde der | |
| Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte es als „wahrscheinlich | |
| krebserregend“ ein, andere Behörden und Studien betrachten es bei | |
| sachgemäßer Handhabung als sicher. 2017 verlängerten die EU-Staaten die | |
| Glyphosat-Zulassung für fünf Jahre bis Ende 2022. Die Große Koalition in | |
| Berlin strebt einen schrittweisen Ausstieg spätestens bis 2023 an. | |
| Österreich hat als erstes EU-Land den Einsatz verboten. Umstritten ist, ob | |
| das mit EU-Recht vereinbar ist. | |
| Beim Umgang der Kommunen mit Glyphosat ist zwischen städtischen | |
| Grünflächen, sogenanntem Nichtkulturland und verpachteten Flächen zu | |
| unterscheiden. Auf Grünflächen wenden es die meisten Kommunen längst nicht | |
| mehr an. Beim Nichtkulturland – Straßen, Wegen, Gleisanlagen, | |
| Betriebsflächen oder Hafengeländen – braucht es für einen Glyphosat-Einsatz | |
| laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft eine ausdrückliche | |
| Genehmigung. Diese würden von den Pflanzenschutzdiensten auf Landesebene | |
| aber durchaus noch regelmäßig erteilt, sagt Corinna Hölzel. Sie ist beim | |
| Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Deutschland für Pestizidpolitik | |
| zuständig. | |
| Der Deutsche Städtetag teilt mit: „Seit Jahren geht eindeutig der Trend | |
| dahin, dass immer weniger Städte Glyphosat einsetzen.“ Das ergab auch eine | |
| bundesweite Umfrage der Deutschen Presse-Agentur in Städten. In Stuttgart | |
| etwa wird es in Parks, Grünanlagen und auf Friedhöfen seit 2016 nicht mehr | |
| verwendet. „Unsere Erfahrungen zeigen: Der Verzicht auf Glyphosat scheint | |
| möglich. Voraussetzung ist die Bereitschaft, mehr Zeit und Geld zu | |
| investieren“, heißt es aus Stuttgart. | |
| ## Stattdessen wird gebürstet oder gehackt | |
| Frankfurt am Main versprüht seit Anfang der 1990er Jahre kein Glyphosat | |
| mehr, stattdessen wird gebürstet oder gehackt. Auf Pachtflächen gibt es wie | |
| in zahlreichen anderen Städten aber kein Verbot. Allerdings weist die Stadt | |
| darauf hin, dass seit 2012 eine Biodiversitätsklausel jeden Landwirt zu | |
| einer Maßnahme für den Artenschutz auf mindestens einem Prozent der Fläche | |
| für Acker und Erwerbsgartenbau verpflichtet. | |
| Saarbrücken verzichtet nach eigenen Angaben sogar schon seit den 1980er | |
| Jahren auf den Einsatz von Herbiziden. Hier wird nach einem | |
| Stadtratsbeschluss von 2016 in neuen Pachtverträgen der Einsatz | |
| glyphosathaltiger Mittel auf Ackerbauflächen, Wiesen, Weiden und sonstigen | |
| Grünflächen untersagt. Anschließend sei auch für fast alle Bestandsverträge | |
| ein Verbot vereinbart worden. | |
| Der Deutsche Bauernverband (DBV) sieht solch kommunales Verhalten kritisch | |
| und verweist darauf, dass Glyphosat zugelassen ist. „In Deutschland | |
| zugelassene und zulässige Pflanzenschutzmittel müssen gemäß der guten | |
| fachlichen Praxis auch eingesetzt werden können“, sagte DBV-Generalsekretär | |
| Bernhard Krüsken. „Eine Einschränkung bedeutet bei bestehenden | |
| Pachtverträgen einen unzulässigen Eingriff.“ Bei Neuverpachtungen würden | |
| solche Klauseln den Nutzwert der Fläche einschränken, so dass sich der | |
| Pachterlös entsprechend reduziere. | |
| ## Heißes Wasser und Dampf | |
| Im Osten der Republik rückt Chemnitz dem Unkraut mit heißem Wasser und | |
| Dampf zu Leibe. Bei schwer erreichbaren Flächen komme das Herbizid Finalsan | |
| zum Einsatz. Der Stadtrat beschloss im März 2018, Herbizide bei allen neuen | |
| oder zu verlängernden Pachtverträgen für landwirtschaftliche Flächen zu | |
| untersagen – bei verlängerten Verträgen gilt eine Übergangsfrist bis Ende | |
| 2022. Nachgedacht wird über finanzielle Anreize für einen früheren | |
| freiwilligen Verzicht. | |
| Wie unterschiedlich der Umgang mit Pachtflächen allein in einem Bundesland | |
| sein kann, zeigt Nordrhein-Westfalen: Düsseldorf nimmt mittlerweile beim | |
| Neuabschluss von Pachtverträgen den Verzicht auf Glyphosat als Bestandteil | |
| auf. Bei laufenden Verträgen werde mit den Nutzern über eine Änderung | |
| gesprochen, bei 70 Prozent sei das geschehen. „Allerdings ist davon | |
| auszugehen, dass auf landwirtschaftlich-erwerbsgärtnerisch genutzten | |
| Flächen privater Eigentümer im Stadtgebiet Glyphosat auch weiterhin | |
| eingesetzt wird.“ | |
| Das kleinere Siegen hat den Pestizideinsatz auf verpachteten Äckern oder | |
| Feldern schon Mitte der 1990er Jahre vertraglich untersagt. Auch Dortmund | |
| betont, selbst auf verpachtetem städtischem Grund komme kein Glyphosat zum | |
| Einsatz – seit einem Beschluss des Umweltausschusses aus dem Dezember 2017, | |
| der umgesetzt worden sei. In Köln sorgt ein Beschluss des Umweltausschusses | |
| von Ende Juni 2019 dafür, dass bei der Neuverpachtung diejenigen bevorzugt | |
| werden, die sich unter anderem zu einem Glyphosat-Verzicht verpflichten. | |
| Ziel ist auch hier die Änderung bestehender Verträge. | |
| ## Milch gegen Blattläuse | |
| Der Mainzer Oberbürgermeister und Präsident des Verbandes kommunaler | |
| Unternehmen, Michael Ebling (SPD), sagte, die Diskussion sollte sich nicht | |
| nur auf einen Stoff beziehungsweise eine Stoffgruppe konzentrieren. In | |
| seiner Heimat gibt es für Pachtflächen noch kein Glyphosat-Verbot. | |
| In Grünanlagen wird seit 2012 darauf verzichtet, wie Umweltdezernentin | |
| Katrin Eder von den Grünen sagte. Das sei etwa bei den empfindlichen Rosen | |
| im zentralen Rosengarten nicht einfach gewesen. Mittlerweile werde dort | |
| Milch gegen Blattläuse gespritzt. Die werde über Nacht sauer und töte die | |
| Tiere. Allen Bürgern kann es die Kommune aber offenbar nicht recht machen. | |
| Wenn wegen des Verzichts auf Herbizide etwas Grün sprieße, fänden das | |
| manche ungepflegt, sagte Eder. „Das hat uns viele böse Briefe eingebracht.“ | |
| 15 Jul 2019 | |
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