| # taz.de -- Moderne Mustermetropole: Ruandas Hauptstadt soll glänzen | |
| > Tausende Regierungsvertreter reisen zur Völkermord-Gedenkfeier nach | |
| > Kigali. Zu dem Anlass hat sich die Hauptstadt herausgeputzt. | |
| Bild: Soll Gäste aus aller Welt anziehen: das Kigali Convention Center | |
| Kigali taz | Die Sonne ist noch nicht ganz über den Hügeln um Ruandas | |
| Hauptstadt Kigali aufgegangen, da stehen rund hundert Arbeiter in Blaumann | |
| und gelben Schutzhelmen auf dem Parkplatz des großen Stadions stramm. Der | |
| Vorarbeiter ruft ihnen Mut zu und mahnt zur Eile. Um den Eingang müssen | |
| noch Tausende Pflastersteine verlegt werden. Die Zeit wird knapp. Am | |
| Sonntag soll das Amahoro-Stadion in der Innenstadt in neuem Glanz | |
| erstrahlen. | |
| Dann werden Gäste aus der ganzen Welt eintreffen, um bei der Gedenkfeier | |
| zum [1][30. Jahrestag des Beginn des Völkermordes am 7. April] dabei zu | |
| sein und an die über eine Million Opfer zu erinnern. Darunter zahlreiche | |
| Regierungsvertreter, Repräsentanten der Vereinten Nationen sowie | |
| Ex-Präsidenten wie Bill Clinton, der zu der Zeit des Genozids 1994 | |
| US-Präsident war. | |
| Kigali hat sich in den vergangenen Wochen herausgeputzt. Frische Blumen | |
| wurden auf den Mittelstreifen entlang der Hauptverkehrsstraßen gepflanzt, | |
| alte Fassaden wie die des Parlaments neu bepinselt. Das Parlament ist eines | |
| der wenigen Regierungsgebäude, die noch aus der Zeit vor dem Völkermord | |
| stammen. An einer Seitenfassade, direkt über dem Haupteingang, sind die | |
| Einschusslöcher schwerer Munition bei der Renovierung gezielt ausgespart | |
| worden: als Mahnung an den Krieg. | |
| Aus der einst vom Bürgerkrieg fast völlig zerstörten ruandischen Hauptstadt | |
| ist ein Schmuckstück geworden, auf das die Ruander stolz sind. Überall auf | |
| den zahlreichen Hügeln Kigalis sind in den vergangenen Jahren neue | |
| Bürogebäude und Hallen emporgewachsen. Hotels mit gläsernen Fassaden und | |
| schicker afrikanischer Architektur bieten internationalen Touristen und | |
| Konferenzbesuchern eine enorme Auswahl an Übernachtungsmöglichkeiten. | |
| ## Kigali lockt mit breitem Angebot | |
| Bars, Restaurants und Kneipen werben mit ruandischen Kaffeesorten oder | |
| Cocktails aus heimischen Tropenfrüchten. Ruandas Regierung setzt vor allem | |
| auf den Service- und Dienstleistungssektor: Internationale Konferenzen, | |
| [2][Sportwettkämpfe] oder Musik- und Tanzfestivals sollen Gäste aus aller | |
| Welt anziehen. | |
| Am Stadtrand sind auf den Hügeln und in den Sumpfgebieten dazwischen | |
| familienfreundliche Naherholungsmöglichkeiten entstanden, die nicht nur | |
| Touristen, sondern auch die Hauptstädter am Wochenende ins Grüne locken. | |
| Das Angebot reicht vom Freizeitpark mit Pferdekoppel und Seilrutsche bis | |
| zum Ecopark unterhalb des Industrieviertels, wo Sportbegeisterte Fahrräder, | |
| Inlineskates oder E-Roller ausleihen oder im Bambuswald joggen können. | |
| Manchmal trifft man hier auch Ruandas Sportministerin Aurore Munyangaju mit | |
| ihren Kindern auf E-Scootern. | |
| Mittlerweile hat Kigali den Ruf erworben, die sauberste Stadt auf dem | |
| afrikanischen Kontinent zu sein. Dass in den Abflussrinnen entlang der | |
| Straßen kein Plastikmüll schwimmt und in den zahlreichen Grünanlagen kein | |
| Unrat im Gras liegt – das fällt fast jedem Besucher auf den ersten Blick | |
| auf. „Unsere ganze Gesellschaft ist so stolz auf unser sauberes Land“, | |
| freut sich Juliet Kabera. | |
| Kabera ist die Direktorin der nationalen Umweltbehörde REMA, die für | |
| Ruandas grüne Umweltpolitik zuständig ist und in den vergangenen Jahren das | |
| ganze [3][Land auf den Kopf gestellt hat, um den Müll und Unrat der letzten | |
| Jahrzehnte zu entfernen]. | |
| Mittlerweile ist Ruanda auch bei der Vermeidung von Plastiktüten und | |
| Plastikflaschen afrikaweit führend. Schon bei der Einreise wird jeder | |
| Koffer, jede Tasche nach Plastik durchsucht. In Restaurants bekommt man | |
| Saft nur noch mit Bambusstrohhalm serviert. Das Mineralwasser kommt in der | |
| Glasflasche, im Supermarkt gibt es Papier- oder Baumwolltaschen statt | |
| Plastiktüten. | |
| ## Boom steigert Lebenskosten | |
| Doch Ruandas Hauptstädter spüren mittlerweile die Schattenseiten des Booms. | |
| Die Mietpreise steigen stetig an, immer mehr Ausländer lassen sich hier | |
| nieder, die Nachfrage nach Wohnraum steigt. Nigerianische Geschäftsleute | |
| investieren, eritreische Migranten eröffnen Restaurants und Geschäfte. | |
| Diplomaten und die Vertreter von NGOs kommen gern mit der ganzen Familie, | |
| weil Kigali als sicher und lebenswert gilt. | |
| Damit steigt auch die Zahl der Autos auf Kigalis guten Straßen, auf denen | |
| sich mittlerweile zu den Stoßzeiten endlose Staus bilden. Ein Problem, | |
| unter dem auch andere Metropolen Afrikas leiden. Ruanda hat in den | |
| vergangenen Jahren einiges versucht, um die Menschen in öffentliche Busse | |
| oder Shared Taxis zu locken. Entlang vieler Straßen gibt es außerdem | |
| Fahrradwege – doch vergeblich. Beim Verkehr stoßen auch ruandische Konzepte | |
| an ihre Grenzen. | |
| Umso moderner Kigali wird, desto weiter weg ist es von der Realität der | |
| Mehrheit der ruandischen Bevölkerung, die vor allem auf dem Land immer noch | |
| in großer Armut lebt. Das soziale [4][Gefälle zwischen der glitzernden | |
| Hauptstadt und den Dörfern] ist enorm. Aussprechen mögen dies die | |
| wenigsten. Präsident Paul Kagame regiert das Land mit starker Hand. Im Juli | |
| dieses Jahres stehen Wahlen an. 2017 hat er mit fast 99 Prozent gewonnen, | |
| dieses Mal werden ähnliche Ergebnisse erwartet. | |
| 7 Apr 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Simone Schlindwein | |
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