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# taz.de -- Mobbing in Hostel-Kette: Wombats drohen auszusterben
> Beschäftigte der Hostel-Kette wombats wehren sich gegen Mobbing, Sexismus
> und schlechte Arbeitsbedingungen. Die Chefs drohen mit Schließung.
Bild: Protestaktion vor dem wombats Hostel in Berlin
Berlin taz | Zweideutig und selbstbewusst wirbt die wombat’s-Hostelkette
auf ihrer Internetseite: „Mit den Besten schlafen.“ In Berlin, Budapest,
London, München, Wien und im März auch in Venedig hat das Unternehmen
Häuser eröffnet. Auf der Homepage steht auch, dass alle Mitarbeitenden
selbst weit gereist sind und sich „viele kreative Köpfe“ bei ihnen
„tummeln“. In dieses Selbstverständnis, so vermuten es die Mitarbeitenden,
passte es nicht hinein, als mehrere von ihnen im Jahr 2015 einen
Betriebsrat im Berliner Haus gründen wollten. Ruth, die ihren vollen Namen
wie alle anderen nicht in der Zeitung lesen möchte, gehörte von Anfang an
zu ihnen.
„Man hatte uns jahrelang eine Gehaltserhöhung verwehrt“, sagt sie und fäh…
sich mit den Fingern durch die kurz geschnittenen Haare. Sie sitzt in einem
Berliner Café, vorsichtshalber einige Stadtteile von ihrem Arbeitgeber
entfernt. Mit hierher gekommen sind auch die Kolleg*innen Margrit, Zoe
und Christian. „Ich habe vor zehn Jahren begonnen, im wombat’s zu
arbeiten“, sagt Margrit, „angefangen bei 8 Euro.“ Die Zeit verging,
gestiegen sei der Lohn jedoch kaum. Nach jahrelangem Protest habe die
Geschäftsführung ihn 2015 dann endlich erhöht – um ein paar Cent. „Das w…
für uns ein Schlag ins Gesicht“, sagt Margrit.
Sie beschwerten sich erneut, doch das damalige Management ignorierte ihre
Bitten weiterhin, so erzählen sie es. Ruth und ihre Kolleg*innen wählten
einen anderen Weg: Sie ließen sich von der Gewerkschaft Nahrungs- und
Genussgaststätten (NGG) beraten, pinnten einen Aushang ans schwarze Brett,
auf dem sie verkündeten, dass sie einen Betriebsrat gründen wollten. Drei
Menschen braucht es, die unterschreiben, dann ist der Betriebsrat
gegründet, und den Unterzeichner*innen kann ohne schwerwiegende
Verstöße nicht mehr gekündigt werden.
Ruth, die vor ihrem Umzug nach Berlin auch für das Wiener wombat’s
gearbeitet hat, wurde damals von Kolleg*innen erzählt, dass es auch in
anderen Häusern Bestrebungen gab, einen Betriebsrat zu gründen. „Die
Mitarbeitenden sind entweder sofort gekündigt worden, oder man hat ihnen
vermittelt, dass sie, wenn sie so weitermachen, niemals im Unternehmen
aufsteigen werden.“ So sei systematisch und über viele Jahre demokratische
Mitbestimmung bei der Hostelkette unterdrückt worden. In Berlin gibt es
zudem schwere Vorwürfe von Sexismus und Mobbing.
## Geschäftsführung verurteilt Mobbing offiziell
Auf taz-Anfrage, wie das zu erklären sei, äußert sich wombat’s-Gründer
Sascha Dimitriewicz: „Hiermit möchten wir ausdrücklich festhalten, dass die
Geschäftsführung der wombat’s GmbH Berlin, jede Form der Diskriminierung &
des Mobbings verurteilt und gegen jeden Mitarbeiter, dem dieses Verhalten
nachgewiesen werden sollte, mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen vorgehen
wird.“ Zu einem Interview sei man indes nicht bereit.
Das Berliner wombat’s steht an der Alten Schönhauser Straße, ein modernes,
schlichtes und weißes Gebäude. Verglichen etwa mit den A&O-Hostels sind die
wombat’s weit weniger bekannt. Doch auf der Homepage scheint durch, dass
sie sich als eine Reisegemeinschaft verstehen, die sich zusammenschließt,
um „Geschichten über Entdeckungen“ zu erzählen und „mehr als nur einen
Lebensraum“ zu teilen. Das Wort Hostel beschreibe nicht nur einen Platz,
sondern eine Philosophie.
Zwei Männer, Sascha Dimitriewicz und Marcus Praschinger, gründeten die
wombat’s im Jahr 1999 mit einem ersten Haus in Wien. Vor einem Jahr gingen
sie, beide mittlerweile 50, in Rente, dennoch halten sie, so vermuten es
Ruth und ihre Mitstreiter*innen, weiterhin die Fäden in der Hand. In Berlin
konnte das Management die Installierung des Betriebsrats nicht verhindern.
Der Standort hier wurde im Jahr 2015 damit das erste wombat’s in ganz
Deutschland, dem eine solche Gründung gelang. Der neue Betriebsrat wurde
nach eigenen Angaben rasch aktiv und forderte das Management dazu auf, sich
zu professionalisieren, Arbeitszeiten einzuhalten, nicht zu erwarten, dass
die Beschäftigten im Urlaub auf dem Handy zu erreichen sind und vieles
mehr.
Immer mehr Berliner Beschäftigte organisierten sich jetzt auch in
Gewerkschaften, einige von ihnen engagierten sich zusätzlich im
Betriebsrat. Eine subversive Stimmung sickerte in alle Teile der
Belegschaft, berichten die Beteiligten.
Vieles wollte man sich schlichtweg nicht mehr bieten lassen, erzählen sie.
Etwa, dass es sich der Leiter der Reinigungsabteilung, genannt „Figo“,
längst zur Gewohnheit gemacht hatte, ohne anzuklopfen die Umkleidekabine
der Frauen zu betreten. Wenn die Frauen duschten, sich anzogen, auf der
Toilette waren. Anders, als die Garderobe der Männer, ist die der Frauen
von innen nicht zu verschließen. „Er hat dann behauptet, sich eine Bürste
ausleihen zu wollen“, erinnern sich Margrit und Ruth. „Irgendwann haben wir
ihm sogar mal eine geschenkt. Geändert hat sich trotzdem nichts.“
Mit Konsequenzen, gar Abmahnungen habe Figo nicht rechnen müssen. „Weil er
alles, was er sieht und hört, sofort nach ganz oben weitergibt“, sagt Ruth.
Auch der Betriebsrat habe sich dafür eingesetzt, dass ein Knauf an der
Kabinentür angebracht wurde, um ungebetenes Eintreten wenigstens zu
verzögern.
## Penis-Zeichnungen auf Mappen und Rechnungen
Auf ihrem Handy zeigt Margrit einen Zettel, der vor einiger Zeit ans
schwarze Brett geheftet wurde. Darauf entschuldigt sich Figo. Nie sei es
die Absicht des Abteilungsleiters Figo gewesen, irgendjemandem zu nahe zu
treten. Von den Mitarbeiterinnen glaubt ihm das keine. „Es war ja nicht nur
das. Ständig macht er unangenehme Bemerkungen“, sagt Ruth. „Wenn
Kolleginnen im Sommer Shorts tragen, wenn sie Fotos von sich auf Facebook
posten.“ Margrit schiebt sich die Zunge zwischen Zeige- und Mittelfinger,
die an ihrem Mund liegen und fragt: „Kennst du den Ausdruck?“ Er bedeutet,
eine Frau oral zu befriedigen – und sei auf Figos Bildschirmschoner zu
sehen.
Auf dem Niveau, erzählen die Beschäftigten, bewegten sich im wombat’s
einige. Im Büro des Berliner Chefs, Nils K., stünde mittlerweile ein Dildo,
überall lägen Kondome, und auf die Mappen und Rechnungen, an die alle
Beschäftigten heranmüssen, seien Penisse gemalt, erzählen sie.
So schlimm, wie es heute ist, sei es jedoch erst geworden, als die
Gewerkschaft NGG die Geschäftsführung in einem Brief zu Verhandlungen über
einen Tariflohn aufforderte. „Seitdem betreiben sie noch krasseres Union
Busting“, sagt Ruth. Union Busting ist ein Fachbegriff aus den USA für die
Unterdrückung und Sabotage von Arbeitnehmervertretungen, also
Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräten. Als die Belegschaft streikte –
zu strategischen Zeiten, wenn etwa Check-out war oder größere Gruppen
anreisten – sah sich das Management gezwungen, die Rezeption zu besetzen.
Nils K., der jetzige Chef, wurde als Streikbrecher eingeflogen und schon
bald darauf zum Manager befördert.
Als im September 2018 dann alle Unterschriften unter dem Tarifvertrag
standen, hatten Ruth und ihre Mitstreiter*innen abermals angenommen,
nun sei das Schlimmste überstanden. Doch der abgeschlossene Tarifvertrag
ermunterte das Management offenbar, noch absurdere Strategien zu fahren,
glauben die Beschäftigten heute. „Die Musik“, sagt Ruth und blickt ihre
Kolleg*innen an.
## „Ich find dich scheiße“
Die Rezeption, an der zum Beispiel Ruth und Zoe arbeiten, befindet sich
direkt vor dem Managementbüro, das mit einer Schiebetür verschlossen werden
kann. Das Ganze sei so konzipiert, dass die Rezeptionist*innen nicht
hören können, was im Büro gesprochen wird, die Chef*innen im Büro aber
sehr wohl jedes Wort verstehen, das an der Rezeption gewechselt wird.
Neuerdings, berichten die Beschäftigten, ließen die Chefs die Tür meistens
offen und spielten dann laut Musik ab, das favorisierte Stück momentan:
„Ich find dich scheiße“ von Tic Tac Toe.
Seit dem 1. April ist die Reinigungsabteilung ausgegliedert. Ursprünglich
sollte diese Ausgliederung schon zum 1. Mai 2018 vollzogen werden, doch
weil die Mitarbeitenden dagegen protestierten und sich wehrten, wurde das
Datum immer wieder verschoben. Ausgliederungen sind in Deutschland legal
und benötigen keine Zustimmung des Betriebsrats. Für die Mitarbeitenden,
die von der neuen Firma übernommen wurden, bedeutet das: Sie haben jetzt
einen anderen Arbeitgeber, fallen also nicht mehr unter den Tarifvertrag
der NGG, sondern bekommen den im Reinigungsgewerbe vorgesehenen
Mindestlohn. Der ist zwar höher als der gesetzliche Mindestlohn, liegt
jedoch immer noch unter dem Tarifgeld liegt, das die Betroffenen selbst mit
erstritten haben.
Die Beschäftigten, von denen sich niemand öffentlich äußern möchte,
berichten, dass die Umkleidezeit unter der neuen Firma nicht länger als
bezahlte Arbeitszeit gelte, was der wombat’s-Betriebsrat für das
Reinigungsteam erst vor ein paar Jahren durchgesetzt hatte. Die
Mitarbeitenden könnten von nun an außerdem in ganz Berlin eingesetzt
werden, nicht nur im wombat’s.
Nach einigen Wochen fragt die taz erneut, ob sich angesichts der schweren
Vorwürfe immer noch niemand von dem Berliner oder Wiener Management
persönlich äußern wolle. Zurück meldet sich plötzlich eine bislang
unbekannte Maren Fliegner, die kurzfristig als Pressesprecherin eingesetzt
wurde. Diese bittet darum, vorab die Fragen sehen zu dürfen – es werden
zwanzig an der Zahl. Darin geht es um das Verhalten des
Reinigungsabteilungsleiters Figo, den Vorwürfen zu einer
Unterschriftensammlung und anderen Aktionen gegen den Betriebsrat,
Hausverbote, Kündigungen und Kündigungsversuche gegen
Streikteilnehmer*innen, Drohungen, willkürlichen Lohnkürzungen, üble
Nachrede und obszöne Schmierereien.
Die Antwort kam noch in der gleichen Woche zurück, und sie lautete:
„Bedauerlicherweise stehen wir nun an einem Punkt, an dem diese
Anfeindungen ein Ausmaß angenommen haben, das für uns nicht mehr hinnehmbar
ist, sodass der Fortbetrieb des Hauses bedauerlicherweise nicht mehr
möglich ist. Daher haben wir uns dazu entschieden, den Berliner Standort
zum 31. 8. 2019 zu schließen.“
Auch die Beschäftigten erfuhren jetzt von der drohenden Schließung. „Wir
finden es eine Schweinerei, dass sich die CEOs lieber hinter das Berliner
Management stellen und ein wirtschaftlich erfolgreiches Haus schließen, als
demokratische Strukturen zu akzeptieren“, sagt Ruth. Für unumstößlich
halten sie die Ankündigung allerdings nicht. Sie machen weiter, am heutigen
Freitag beginnen die ersten Verhandlungen über die bevorstehende
Schließung. Ab 16 Uhr gibt es eine Demo vor dem Hostel.
17 May 2019
## AUTOREN
Hanna Voß
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