| # taz.de -- Militäreinsatz in Mali: Richtig oder falsch? | |
| > Frankreich kämpft gegen Islamisten in Mali, Deutschland schickt als | |
| > logistische Unterstützung Flugzeuge. Ein Pro & Contra zur Intervention in | |
| > Mali. | |
| Bild: Nächtliche Vorbereitung: Französischer Soldat vor dem Einsatz in Mali. | |
| ## PRO | |
| Es ist höchste Zeit gewesen, dass jemand in Mali militärisch interveniert. | |
| Das monatelange Warten unter dem Vorwand, eine politische Lösung finden zu | |
| wollen, hat die Lage im Norden nur verschlimmert. Dabei war schon Mitte | |
| 2012 absehbar, dass eine Militärintervention der einzige Ausweg aus der | |
| Krise ist. | |
| Von Anfang an gab es keinerlei Grundlage, um mit den Islamisten von Ansar | |
| Dine (Verfechter des Glaubens) zu verhandeln. Über was hätte man | |
| diskutieren wollen? Ein bisschen Scharia einführen, sodass zum Beispiel bei | |
| Diebstahl statt der ganzen Hand nur zwei Finger abgehackt werden? Oder | |
| hätte die Scharia nur in einigen der eroberten Städte zum bindenden Gesetz | |
| gemacht werden sollen? | |
| Für solche Kompromissüberlegungen gibt es keinerlei Legitimation, denn die | |
| Besetzung des Nordens ist ein absolut undemokratischer Prozess gewesen. | |
| Außerdem sind die Islamisten bei der Bevölkerung verhasst. Die große | |
| Mehrheit der Malier will, obwohl sich mehr als 90 Prozent zum Islam | |
| bekennen, die islamische Gesetzgebung nicht. Sie fühlen sich von den | |
| Islamisten unterdrückt. Daher wäre es ein völlig falsches Signal, mit den | |
| Unterdrückern am Verhandlungstisch zu sitzen. | |
| Das gilt auch für die beiden Terrorgruppen, die Bewegung für Einheit und | |
| Jihad in Westafrika (Mujao) sowie die al-Qaida im islamischen Maghreb | |
| (Aqmi). Es sind Terroristen, die Kämpfer aus den Nachbarländern, aber auch | |
| Afghanistan und Pakistan anlocken, und die sich unter anderem mit | |
| Entführungen von Europäern und einem offenbar gut strukturierten | |
| Drogenhandel in der ganzen Region finanzieren. | |
| In einem Wüstengebiet wie im Norden Malis ist es völlig aussichtslos, diese | |
| Gruppierungen anders als mit einem groß angelegten Militäreinsatz zu | |
| bekämpfen. Die Region ist dünn besiedelt und für Fremde ein sandgelber | |
| Fleck. Es gibt nicht an jeder Ecke Polizeistationen oder Kasernen mit gut | |
| ausgebildetem Personal, das etwas gegen Terroristen unternehmen könnte. | |
| Daher ist die Entscheidung Frankreichs, militärisch zu intervenieren, | |
| richtig. Natürlich heißt es nun: Die einstige Kolonialmacht spielt sich | |
| wieder auf. Aber wer hätte es sonst getan? Niemand! Auf internationaler | |
| Ebene ist monatelang ergebnislos diskutiert worden. | |
| Viele Malier hat das wütend gemacht und verletzt: „In Libyen waren alle | |
| nach kurzer Zeit da. Aber für uns interessiert sich die Welt nicht“, hat es | |
| in Mali oft geheißen. Doch auf die Stimmung und die Befindlichkeiten im | |
| Land hört in Europa natürlich niemand. | |
| ## Positive Nebenwirkung: Zugzwang für andere Länder | |
| Nur Frankreich hat kapiert, dass es handeln muss, und in Mali wird das | |
| überwiegend begrüßt. Damit verbunden ist eine positive Nebenwirkung: Nun | |
| sind andere Länder im Zugzwang, sich an einem Einsatz in Westafrika zu | |
| beteiligen. Mehrere Staaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft | |
| Ecowas haben schon Soldaten geschickt. Nun sollten europäische Länder | |
| nachziehen – auch Deutschland. | |
| Der Einsatz von deutschen Soldaten gemeinsam mit anderen europäischen | |
| Streitkräften würde Mali und der gesamten Region zeigen: Wir nehmen euch | |
| und eure Sorgen und Nöte ernst! Wir reden nicht mehr nur über Demokratie, | |
| hehre Ziele und politische Prozesse. Nein, wir sind bereit, uns die Finger | |
| schmutzig zu machen und ziehen den Kopf nicht ein, wenn es konkret wird. | |
| Außerdem würde der Einsatz Vertrauen schaffen. Was nach europäischer | |
| Überheblichkeit klingt, stellt sich im afrikanischen Alltag anders dar: | |
| Deutsche Soldaten gelten als solide ausgebildet. Anders als bei den | |
| Franzosen bestehen zudem weder historische Verflechtungen noch strategische | |
| Machtspielchen. Mit diesen Vorteilen können übrigens weder die malische | |
| Armee – die vielleicht noch über 6.000 Soldaten verfügt – noch die | |
| Streitkräfte der Ecowas punkten. Alleine könnten sie den Kampf gegen | |
| Islamisten und Terroristen nicht gewinnen. | |
| Daher ist es höchste Zeit, dass sich Deutschland an einem Militäreinsatz | |
| beteiligt. Denn in diesem Fall gilt die abgedroschene Floskel, besser ein | |
| Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende, tatsächlich mal. KATRIN | |
| GÄNSLER | |
| ## CONTRA | |
| „Terroristen und islamistische Rebellen bekämpfen“; „Sezession verhindern | |
| und die territoriale Integrität des Landes wiederherstellen“; | |
| „Drogenschmuggel und Bandenkriminalität unterbinden“: Mit diesen Zielen | |
| rechtfertigt die französische Regierung ihre eskalierende | |
| Militärintervention „Operation Serval“ in Mali. Sie wird dabei zumindest | |
| politisch unterstützt von den demokratischen Regierungen des Westens ebenso | |
| wie von den autoritären Regimen Russlands und Chinas, die auf ihren | |
| Staatsgebieten ebenfalls Probleme haben mit radikalislamischen und | |
| sezessionswilligen Gruppierungen. | |
| Mit ähnlichen und teilweise noch weiterreichenden Zielsetzungen | |
| (Stabilisierung, Frieden, Wiederaufbau, Demokratie Rechtsstaat, Menschen- | |
| und Frauenrechte) wurden fast alle Militärinterventionen und Kriege seit | |
| Ende des Ost-West-Konfliktes und insbesondere seit den Terroranschlägen vom | |
| 11. September 2001 Jahre begründet. Sei es in Tschetschenien, Afghanistan, | |
| Somalia, Irak oder anderswo. | |
| Doch in keinem einzigen Fall wurden die proklamierten Ziele erreicht. Und | |
| schon gar nicht eine nachhaltige Befriedung der jeweiligen Konflikte durch | |
| Überwindung ihrer politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder | |
| anderweitigen Ursachen. Auch der von den USA seit nun schon fast 30 Jahren | |
| geführte Krieg zur Bekämpfung des Drogenanbaus in Mittelamerika ist | |
| gescheitert. | |
| In einigen Fällen wirkten die militärischen Interventionen sogar | |
| kontraproduktiv und führten statt zur angestrebten Schwächung oder gar | |
| Vernichtung der jeweils bekämpften Gruppierungen zu ihrer Stärkung. | |
| Angesichts dieser Erfahrungen steht zu erwarten, dass sich auch im | |
| aktuellen Fall Mali die Militärintervention als untaugliches Mittel zur | |
| Durchsetzung der proklamierten Ziele erweisen oder gar kontraproduktiv | |
| auswirken wird. | |
| Zumal, wenn wesentliche Ursachen für die innenpolitische Krise in Mali | |
| sowie entscheidende Faktoren für die Stärkung der jetzt bekämpften | |
| islamistischen Gruppierungen weiter ausgeblendet bleiben: Mali war | |
| keineswegs der stabile demokratische Musterstaat, als der er in westlichen | |
| Medien häufig dargestellt wurde. Die Zentralregierung schürte durch | |
| jahrelange, systematische Benachteiligung des Nordens die Autonomie- bis | |
| Sezessionsbestrebungen der dortigen Tuareg. | |
| Doch stark genug, um im April 2012 ihren eigenen Staat auszurufen, wurden | |
| die Tuareg-Befreiungsbewegung MNLA und die mit ihnen zunächst noch | |
| verbündeten islamistischen Gruppen erst dank der vielen Waffen aus dem | |
| libyschen Bürgerkrieg sowie dank mehrerer tausend aus Libyen geflohener | |
| Kämpfer, die zuvor Gaddafi unterstützt hatten. | |
| ## Zweifel an Tauglichkeit der Intervention | |
| An der Kontrolle dieser Waffen zeigte die damals von Frankreich, | |
| Großbritannien und den USA geführte Kriegsallianz gegen Gaddafi nach dessen | |
| Sturz ebenso wenig Interesse wie an der Verhinderung von Racheakten gegen | |
| Sympathisanten des früheren Regimes. Bei den jetzt von Frankreich | |
| bekämpften radikalislamischen Gruppierungen, die der gemäßigten, | |
| sufistisch-islamischen Bevölkerung Malis die Scharia aufzwingen, handelt es | |
| sich um Wahhabiten. Finanziert werden sie - ähnlich wie einst die | |
| Attentäter von 11./9. - vom Ölstaat Saudi-Arabien, dem wichtigsten | |
| Verbündeten des Westens im Nahen und Mittleren Osten. | |
| Die Zweifel an der Tauglichkeit der militärischen Intervention in Mali zur | |
| Erreichung der proklamierten Ziele bestehen grundsätzlich - unabhängig | |
| davon, ob die Intervention allein von Frankreich geführt wird, oder von der | |
| EU, der Nato, der westafrikanischen Staatenallianz Ecowas oder einer | |
| UNO-Truppe. Doch die allein von der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich | |
| begonnene „Intervention im klassischen neokolonialen Stil schmutziger | |
| Afrikakriege“ ([1][Dominic Johnson, taz 14. 1.]) ist das denkbar | |
| ungünstigste Szenario. Denn es enthält das größte Rekrutierungspotenzial | |
| für die radikalislamischen und potenziell terrorbereiten Gruppierungen in | |
| ganz Nordwestafrika. | |
| Die Intervention Frankreichs hat das größte Rekrutierungspotenzial für die | |
| radikalislamischen und potenziell terrorbereiten Gruppierungen in ganz | |
| Nordwestafrika. ANDREAS ZUMACH | |
| 16 Jan 2013 | |
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| ## AUTOREN | |
| K. Gänsler | |
| A. Zumach | |
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