| # taz.de -- Mensch Meier erhält Mieterhöhung: Club braucht die Crowd | |
| > Das Mensch Meier in Prenzlauer Berg hat eine Mieterhöhung bekommen, die | |
| > es alleine nicht stemmen kann. Crowdfunding soll den Club retten. | |
| Bild: Bedrohte Spezies: Berliner Clubkultur, hier das RAW-Gelände in Friedrich… | |
| Wenn der Bass einsetzt, sind plötzlich alle gleich. Die Wände dunkel und | |
| mit bunten Graffitis bemalt, von der Decke flackert die spiralförmige | |
| Beleuchtung zum Techno-Beat. Auf drei Floors, einem großen und zwei | |
| kleineren, spielen DJs und Bands. Die Decken des ehemaligen Fabrikgebäudes | |
| sind hoch, die Böden unverputzt. Im Innenhof stehen selbstgezimmerte Bänke | |
| und Stühle um eine Feuertonne herum. | |
| Auf dem „Meinfloor“ im Mensch Meier, dem linken Club an der Storkower | |
| Straße, tanzen alle gemeinsam. Menschen mit geistiger oder körperlicher | |
| Beeinträchtigung, Menschen ohne, Punks mit bunten Haaren und Tourist*innen | |
| in sauberen Sneakers. „Spaceship“ heißt die inklusive Partyreihe, die seit | |
| mehreren Jahren alle zwei bis drei Monate im Club stattfindet. Hier sollen | |
| Menschen mit und ohne Behinderung zusammen feiern – und das zu guter Musik. | |
| Die „Spaceship“-Reihe ist eine von vielen Veranstaltungen, die regelmäßig | |
| im Mensch Meier stattfinden. Seit vier Jahren öffnet der Club seine Türen | |
| für Feierlustige. Auch politische Veranstaltungen, Lesungen oder | |
| Ausstellungen finden hier Platz. Der Anspruch dabei: einen Raum schaffen, | |
| der frei von [1][Sexismus, Rassismus und Homophobie] ist. | |
| Derzeit ist jedoch nicht sicher, wie lange das so weitergeht. Bangte der | |
| Club bis vor Kurzem um einen neuen Mietvertrag, ist der seit diesem | |
| Frühjahr gesichert – allerdings mit einer Mieterhöhung um 33 Prozent. | |
| Genauere Zahlen wollen die Betreiber*innen nicht verraten. Für den Club, | |
| der nicht gewinnbringend ausgerichtet ist und nach eigenen Angaben etwa 100 | |
| Mitarbeiter*innen beschäftigt, eine mittlere Katastrophe. Aufgegeben hat | |
| das Mensch Meier aber noch nicht, es gibt einen Plan: eine | |
| Crowdfunding-Kampagne. | |
| Seit 29. Mai können Unterstützer*innen auf der Plattform „Startnext“ | |
| Beiträge spenden. 70.000 Euro möchte der Club im besten Fall einnehmen, | |
| 60.000 Euro sind das erste Spendenziel. Der Erlös soll insbesondere in eine | |
| neue Musikanlage fließen. „Diese Kampagne ist wie eine Herz-OP“, sagt Susu | |
| Meier, Pressesprecher*in des Clubs, „macht mensch nicht freiwillig, ist | |
| aber dringend notwendig und lebensrettend.“ | |
| ## Club braucht eigene Musikanlage | |
| Wäre die Musikanlage finanziert, sei auch die Mieterhöhung zu stemmen. | |
| Musikanlagen für Clubs sind teuer – häufig sind sie genau auf den Raum | |
| zugeschnitten, um die beste Klangqualität zu erzielen. Bisher mietet der | |
| Club seine Anlage noch. Für 50.000 Euro wollen die Macher*innen nun eine | |
| eigene kaufen. Der Rest des Gelds soll in laufende Infrastrukturkosten und | |
| die Gebühren für die Kampagne fließen. | |
| [2][Crowdfunding-Kampagnen], die linke Projekte vor [3][Gentrifizierung] | |
| bewahren sollen, werden immer beliebter. Viele können die stark steigenden | |
| Mietpreise in der Stadt nicht mehr stemmen. Den Unterstützer*innenkreis um | |
| Hilfe zu bitten scheint da eine naheliegende Option. Auch der Sonntags-Club | |
| in Prenzlauer Berg, eine queere Beratungsstelle, wandte sich per | |
| Crowdfunding an seine Unterstützer*innen. Er hatte eine Mieterhöhung von | |
| knapp 1.000 Euro bekommen. Durch die Kampagne konnte der Club Spenden in | |
| Höhe von mehr als 11.000 Euro einnehmen. Glück hatten die Betreiber*innen | |
| zusätzlich, weil der Senat 60 Prozent der Erhöhung übernahm. | |
| Kann das Mensch Meier darauf hoffen, sein Funding-Ziel zu erreichen? | |
| Zumindest ist der Unterstützer*innenkreis des Clubs breit gefächert. „Mit | |
| der Kampagne fördert ihr eine wachsende Kraft in der alternativen Clubszene | |
| Berlins“, sagt Susu Meier. Das Kollektiv gestaltet Festivals wie die Fusion | |
| oder die at.tension in Lärz mit. Es kooperiert auch mit anderen Berliner | |
| Clubs und Partyveranstalter*innen. | |
| ## Clash mit der Polizei | |
| Ende März gab es während einer dieser Veranstaltungen einen | |
| [4][Zusammenstoß mit der Polizei]. Unangekündigt war eine Hundertschaft | |
| Polizist*innen zusammen mit dem Zoll vor dem Club erschienen, wo die | |
| Vorbereitung zu einer Party von „SeaWatch and Friends“ im Gange war. Die | |
| Beamt*innen wollten möglichen Schwarzarbeitsverhältnissen nachgehen. Der | |
| Einsatz fand am Abend nach einer Demonstration gegen das | |
| „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ von Innenminister Horst Seehofer (CSU) statt. | |
| Die Darstellungen darüber, wie der Einsatz ablief, unterscheiden sich | |
| stark. Laut Polizei soll ein Türsteher Polizist*innen mit Pfefferspray | |
| attackiert haben. Die Macher*innen des Clubs und das Veranstalter-Kollektiv | |
| erzählen hingegen von brutalem Vorgehen der Beamt*innen gegen die | |
| Anwesenden und von gezogenen Waffen. Außerdem seien die Polizist*innen | |
| zunächst nicht als solche zu erkennen gewesen. | |
| Polizeipräsidentin Barbara Slowik musste sich im Innenausschuss für den | |
| Einsatz rechtfertigen und versprach Aufklärung. Die Berliner Clubcommission | |
| bot an, zwischen den Parteien zu vermitteln. Das Mensch Meier selbst prüft | |
| rechtliche Schritte. Im Raum steht die Frage, ob linke Kollektive, die sich | |
| für kontroverse Themen wie Seenotrettung starkmachen, womöglich | |
| kriminalisiert werden sollen. | |
| Nun geht es aber erst mal um Geld. Für das Mensch Meier ist die | |
| Zitterpartie noch nicht durchgestanden: Die Crowdfunding-Kampagne läuft bis | |
| zum 3. Juli. Innerhalb einer Woche sind bereits viele Spenden eingegangen. | |
| Auf der Startnext-Seite des Clubs lässt sich das nachvollziehen. Fast 360 | |
| Menschen haben insgesamt schon mehr als 14.600 Euro dagelassen. Gestaffelt | |
| sind die Beträge von fünf bis 10.000 Euro. | |
| Für jede Spende gibt es ein kleines oder größeres Dankeschön: Handyhüllen, | |
| einen Boulder-Workshop, freien Eintritt in den Club – sogar Patenschaften | |
| für Feuerlöscher kann man übernehmen. Schon ausverkauft sind die hundert | |
| Mensch-Meier-T-Shirts für 50 Euro. Funktioniert so Solidarität im real | |
| existierenden Kapitalismus? Vielleicht, so die Sprecher*innen, sei | |
| Crowdfunding „nicht das Gelbe vom Ei – aber doch hoffentlich die Würze im | |
| Seitan“. | |
| 6 Jun 2019 | |
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| Anima Müller | |
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