Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Medialer Overkill neuer Kategorien: Gefangen im Raster
> Seitdem es für jede Lebensentscheidung eine Kategorie gibt, ist es
> schwer, ein Individuum zu sein. Ein Gespräch unter gerasterten
> Freund*innen.
Bild: Sieht unschuldig aus, ist aber keine Privatangelegenheit sondern Clean Ea…
„Habt ihr auch manchmal den Eindruck, ihr seid nicht mehr so richtig
Mensch, sondern besteht nur noch aus Themen und Wörtern?!“, fragt die
Freundin auf der Restaurant-Terrasse.
„So, als stünde über allem, was du tust, eine Headline?“, fragt der Freun…
„Ich weiß, was du meinst!“, sagt die andere Freundin, „ich schmuse mit
meiner Katze und denke: Cat Content, so, als würde ich mich digital
imaginieren!“
„Ich will wieder einfach nur sein, ohne mich in einen Kontext zu droppen!“
„Jetzt machen wir gerade [1][Fine Dining], oder?“
„Nee, eher casual!“
„Wenn ich zu Hause einen Apfel ess, denk ich: [2][Clean Eating], vegan, es
ist zwanghaft!“
„Der Apfel gehört außerdem zum Spektrum der antientzündlichen Ernährung!�…
„Wer Zeit hat, das zu denken, ist immerhin in einer guten Life Balance!“
„Auch beim analogen Einkaufen blinkt ständig das Wort ‚[3][Nachhaltigkeit]…
in meinem Kopf wie eine schlechte Leuchtreklame aus den Achtzigern!“
„Ich hatte vor, während und nach meiner Indien-Reise nachhaltige
[4][Flugscham] und habe alle anderen Ausländer dort hinsichtlich
kultureller Aneignung betrachtet, ich habe sie nicht mal negativ bewertet,
es ging nur um die zwei Wörter, ich bekam sie nicht mehr aus dem Kopf!“
„Man ist in Wörtern, ich bin Cis, hetero, aber wer bin ich darüber
hinaus!?“
„Du bist eben du!“
„Ich bin flexitarisch carnivor, in meiner letzten Beziehung toxisch!“
„Aber du bist eben auch Felix!“
„Felix aus der [5][Generation X], zurecht verlassen von einem
[6][Millennial]!“
„Namen sind auch nur Wörter, ich will mich wieder fühlen, nicht bloß
denken!“
„Wäre das dann das Embrace-Thema!?“
„’ne Weile waren Anglizismen voll gecancelt, jetzt haben sie alles
überschwemmt wie so ein Mind-Tsunami!“
„Angst heißt jetzt Anxiety!“
„Gibt aber auch inflationäre deutsche Wörter … Ich nehme mir bewusst das
Stück Steak, genieße, tue mir Gutes, schwupps: Selbstwirksamkeit!“
„Und miese Omega-3- und Klima-Bilanz!“
„Ich trinke heute wegen der Achtsamkeit keinen Alkohol und denke: sober,
warum denke ich nicht nüchtern?“
„Klingt nach Psycho-Content, sober ist eher so … am Puls der Zeit!“
„Hip urban!“
„Immer musst du noch einen draufsetzen!“
„Mansplainer!“
„Wieso nicht Wichtigtuer oder Chauvi?“
„Was auch immer: Shame mich doch einfach als Felix, und nicht für mein
Geschlecht!“
„Für Mansplainer gab es schon immer Safe Spaces: Stammtische!“
„Als ich neulich das Gespräch mit meinem Vater rabiat beendet habe, weil er
mir unqualifiziert in meine beruflichen Entscheidungen reingeredet hat,
dachte ich mit Scham: [7][Altersdiskriminierung]!“
„Hab mein Telefon gestern ’ne Stunde vorm Schlafengehen ausgemacht, dachte:
Schlafhygiene!“
„Ich ziehe mir den Lippenstift nach, mache einen Schmollmund und denke:
Lookismus!“
„Ich antworte ’n Tag nicht auf ’ne Nachricht und denke: Ghosting!“
„Wenn man ghostet, ist man dann eigentlich der Ghost?“
„Nee, man macht die andere Person zum Ghost, oder?“
„Gute Frage, wer ist der Ghost beim Ghosting?“
„Na ja, die Person, die ghostet ist auf jeden Fall ein Arschloch!“
„Word!“
5 Sep 2023
## LINKS
[1] /Ende-des-Kopenhagener-Restaurants-Noma/!5905307
[2] /Clean-Eating-als-Trend/!5401503
[3] /Nachhaltigkeit/!t5009818
[4] /Flugscham/!t5590707
[5] /Kritik-an-geburtenstarken-Jahrgaengen/!5947612
[6] /Millennials/!t5590881
[7] /Studie-zu-Ageism-in-Deutschland/!5902928
## AUTOREN
Jasmin Ramadan
## TAGS
Kolumne Einfach gesagt
Medien
Lifestyle
Sprache
Hipster
Pazifismus
Schwer mehrfach normal
Millennials
## ARTIKEL ZUM THEMA
Pazifismus heute: Moos und Moral
Wieso verteidigt eigentlich niemand mehr mit Verve den Pazifsmus? Ein
fiktives Gespräch unter Freundinnen.
Neue Sprache, neue Medien, neuer Quatsch: Safe voll schwänz!
Meine alten Eltern haben Probleme mit Anglizismen und Podcasts, ich mit
Abkürzungen und Listen. Und jetzt? LMAA?
Wie „Gen Z“ über „Millennials“ denkt: Viel zu bemüht
„Millennials“ und „Generation Z“ benutzen soziale Medien sehr
unterschiedlich. Unsere Autorin beobachtet die feinen Differenzen bei den
Altersgruppen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.