# taz.de -- Manager über Kreislaufwirtschaftsspiel: „Da würden die Ideen sp… | |
> Ein Spiel soll Unternehmen helfen, bewusster mit Ressourcen umzugehen. | |
> Alexander Freist hat es in seiner Firma gespielt. | |
Bild: Potentiale beim Recyclen: Rohstoffe aus alten Batterien zurückgewinnen | |
taz: Herr Freist, seit Neuestem spielen Sie mit Kollegen und Chefs | |
Gesellschaftsspiele. Warum? | |
Alexander Freist: Wir haben nicht „Mensch ärgere Dich nicht“ oder etwas | |
Ähnliches gespielt, sondern das Kartenspiel „Make it Circular“. Firmen | |
können damit herausfinden, an welchen Stellen sie ihre Abläufe verbessern | |
können, um kreislauffähiger zu werden. | |
Wie geht das? | |
Nötig sind vier, fünf Leute. Wichtig ist, dass Führungspersonal und Leute | |
aus verschiedenen Abteilungen dabei sind, sonst ist es nicht so effektiv. | |
Wir waren zu viert und haben Vormittags begonnen und bis etwa fünf Uhr | |
nachmittags gespielt. Man hat kein herkömmliches Spielbrett, sondern | |
startet mit einer leeren Schablone, die man im Laufe des Spiels mit Karten | |
füllt. Zuerst überlegen die Spielerinnen und Spieler, welchen Fokus sie | |
wählen. Die Lieferkette? Die Logistik? Prozesse in der Fertigung? Wir haben | |
darüber erst mal eine Stunde diskutiert und dann die Prozesse und die | |
Logistik für unsere Entsorgungspartner in den Mittelpunkt gerückt. Des | |
Weiteren wurde ein Geschäftsmodell zur Sekundärnutzung ausgedienter | |
Lithiumbatterien entwickelt. | |
Und dann? | |
Dann geht man schrittweise vor. Man hat Spielkarten, zum Beispiel „Rolle in | |
der Wertschöpfung“. Die legt die eigene Position fest, also: Sind wir | |
Lieferanten von kompletten Produkten? Oder Rohstoffen? Oder Bauteilen? Sind | |
wir ein Einzelhändler? Dann gibt es Karten mit Fragen zu Geschäftspartnern, | |
Lieferbeziehungen, Kunden und so weiter. Und immer überlegt man: An welcher | |
Stelle können wir den Einstieg in die Kreislaufwirtschaft schaffen. Was | |
brauchen wir dafür? Was behindert uns? Welche Abläufe müssen wir neu | |
denken? | |
Macht das Spaß? | |
Ja! Erst dachte ich, na ja, ist ja nicht gerade „Monopoly“. Aber dann haben | |
wir angefangen, auf allen Ebenen kreativ zu denken, wir haben auch die | |
ganze Pause durch diskutiert. Am Ende kam kein konkretes Ergebnis, etwa ein | |
fertiges Konzept heraus, aber viele Ansätze, Dinge anders zu machen und zu | |
verbessern. | |
Ihr Unternehmen arbeitet doch schon in der Kreislaufwirtschaft. Was konnten | |
Sie noch lernen? | |
Für klassische Produzenten ist es sicher noch besser geeignet. Aber auch | |
für uns war das interessant, weil wir als Unternehmensverbund | |
[1][Kreislaufwirtschaftsthemen] für andere Unternehmen abdecken. Für diese | |
haben wir Ideen mitgenommen, die wir unseren Kunden weitergeben können. Ein | |
Beispiel: Ein Hersteller fertigt Komponenten für Lithium-Ionen-Batterien. | |
Diese Batterien müssen irgendwann ausgetauscht werden. Die alte Batterie | |
muss ja nicht gleich in den Schredder, nur weil sie im Auto die 400 | |
Kilometer nicht mehr schafft. Diese kann man etwa noch in einem | |
Energiespeicher für Windkraftanlagen einsetzen. Erst danach kann sie dann | |
in die Recyclinganlage. Wie organisieren wir, dass die Batterie immer an | |
der Stelle ist, an der sie am besten genutzt werden kann, und die Rohstoffe | |
ganz am Ende wieder bei dem Hersteller ankommen? | |
Dafür gibt es doch Gesetze. | |
Klar, die sind auch grundlegend wichtig. Ab 2027 zum Beispiel müssen in der | |
Europäischen Union aus alten Lithium-Ionen-Batterien 90 Prozent des | |
eingesetzten Nickels und Kobalts zurückgewonnen werden. Ab 2031 sogar 95 | |
Prozent. Wenn das nicht vorgeschrieben wird, passiert es nicht. Aber sie | |
müssen die Gesetze auch effektiv und kostengünstig umsetzen können. Da | |
beginnt das Spiel. Wie können die Logistikpartner die Wege kürzer halten? | |
Welche Fahrzeuge setzen sie ein? Welche Qualifikationen brauchen | |
Mitarbeiter, die mit alten Batterien umgehen? Das sind alles Räder, die | |
ineinandergreifen. Wenn eins nicht passt, funktioniert die | |
Kreislaufwirtschaft nicht. | |
Bislang werden immer noch vergleichsweise wenige E-Autos gefahren. Gibt es | |
schon relevante Mengen an Lithium-Ionen-Batterien, die nicht optimal im | |
Kreislauf geführt werden? | |
Ich arbeite jetzt seit drei Jahren im Recycling-Bereich, seit einem Jahr | |
kümmere ich mich ausschließlich um Batterien. Wenn zum Beispiel ein | |
Autohersteller Fahrzeuge zurückruft, dann kommen auf einen Schlag 1.000 | |
Batterien oder Module zurück. Und es geht ja nicht nur um | |
Fahrzeugbatterien. In E-Rollern, E-Bikes, elektrischen Zahnbürsten, | |
Akku-Rasenmähern, in Smartphones, Laptops, überall sind | |
Lithium-Ionen-Batterien im Einsatz. Wir sind das größte Rücknahmesystem für | |
Gerätebatterien (REBAT) in Deutschland, betreiben mit RELECTRA ein großes | |
[2][Rücknahmesystem] für Elektroschrott. Bislang bewegen wir uns im | |
Lithium-Bereich von ungefähr 1.000 Tonnen Material im Jahr. Ab 2025 | |
erwarten wir einen Rücklauf von 102.000 Tonnen Batterien im Jahr in Europa, | |
2030 werden es 227.000 Tonnen sein. Dann werden die Lithium-Ionen-Batterien | |
die Bleibatterien im Mengenstrom überholt haben. | |
Sind Dienstleister und Recyclinganlagen auf diese Mengen vorbereitet? | |
Es werden gerade massiv Kapazitäten an Recyclinganlagen aufgebaut. Sie | |
arbeiten mit verschiedenen thermischen und mechanischen Verfahren, um so | |
die Rohstoffe zurückzugewinnen. Wenn ausgediente Batterien danach gleich | |
ins Recycling gehen, geht ein Großteil der Energie, die man in die | |
Produktion gesteckt hat, verloren. Darum müssen wir für [3][weitere | |
Nutzungen] sorgen, so lange, bis es nicht mehr sinnvoll ist. Erst am Ende | |
sollte die Batterie ins Recycling gehen und dann bekommt der Hersteller die | |
Schwarzmasse zurück. Das ist ein schwarzes Pulver, welches die Grundstoffe | |
enthält, die sie zur Batterieherstellung brauchen. | |
Was ist da drin? | |
Ganz unterschiedlich, es gibt ja ganz verschiedene Batterietypen. Diese | |
benötigen jeweils eine andere Materialgrundlage und liefern auch im | |
Recycling eine andere Materialausbeute. Grob gesagt sind vor allem Graphit, | |
Nickel, Kobalt, Lithium in unterschiedlichen Mengen enthalten. Sie alle | |
möchte man natürlich unbedingt zurückhaben. Ihre Gewinnung im Bergbau ist | |
klima- und umweltschädlich, und sie werden für die Produktion benötigt. | |
Europa baut zwar gerade Kapazitäten zum Bau von Batterien auf, importiert | |
allerdings bisher die meisten. Wenn sie hier recycelt werden, gehen die | |
Rohstoffe nicht zurück nach China … | |
… sehr richtig. China hat natürlich größtes Interesse daran, die | |
Schwarzmasse zurückzuerlangen. Dem beugt der Gesetzgeber vor, indem er die | |
Recycling-Quoten vorschreibt. Allerdings müssen auch die anderen | |
Rahmenbedingungen stimmen: Es kann nicht sein, dass Rohstoffe aus dem | |
Recycling in Europa teurer sind als Importware aus dem Bergbau in China | |
oder Lateinamerika. | |
Vielleicht sollten Sie das Spiel mal mit Beamten aus der EU-Kommission | |
spielen, oder mit Bundestagsabgeordneten? | |
Das wäre gut! Dazu noch ein Chef, von sagen wir mal, einem | |
Zahnbürstenhersteller zum Beispiel, vielleicht noch eine | |
Produktionsleiterin oder Mitarbeiter aus der Logistik. So beleuchtet man | |
das Thema aus allen Perspektiven. Da würden die Ideen sprudeln, die | |
brauchen wir für die Kreislaufwirtschaft. | |
2 Apr 2023 | |
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## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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