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# taz.de -- Machtkampf bei VW: High Noon in Wolfsburg
> Am Donnerstag tagt der Aufsichtsrat von Volkswagen. Dann zeigt sich, ob
> VW-Chef Diess den Machtkampf für sich entscheiden kann.
Bild: Sitzt nicht mehr so fest im Sessel: Herbert Diess
Hannover taz | In den kommenden Tagen wird sich entscheiden, wie der
Machtkampf bei Europas größtem Autobauer Volkswagen ausgeht. Wenn der
Aufsichtsrat des Konzerns am Donnerstag zusammentritt, wird klar sein, ob
VW-Chef Herbert Diess weitermachen kann oder nicht.
Bei Volkswagen tobt seit Wochen ein heftiger Führungsstreit – vordergründig
[1][zwischen Vorstandschef Diess und Betriebsratschefin Daniela Cavallo].
Doch es geht um mehr als um Missstimmungen zwischen dem Konzernboss und dem
mächtigen Betriebsrat: den schwierigen Umbau zum E-Auto-Hersteller, um
Zehntausende Jobs, um die Macht im Konzern, die Eigentümer – und um den
Chefposten am Mittellandkanal.
Viel hat das zu tun mit der sehr speziellen Unternehmenskultur des
Weltkonzerns aus der niedersächsischen Provinz. An dem hält das Land
Niedersachsen 20 Prozent – und es stimmt im Aufsichtsrat meist mit den
Arbeitnehmervertretern, sodass ohne den Betriebsrat nicht viel geht.
An diesem Donnerstag tagt der Aufsichtsrat und muss über die mittelfristige
Investitionsplanung entscheiden. Dabei geht es unter anderem darum, in
welchen Werken welche Modell hergestellt werden und wie die verschiedenen
Standorte in den kommenden fünf Jahre ausgelastet sind. Davon hängt ab, ob
Stellen abgebaut werden – ein Punkt, der für den Betriebsrat und die
Landesregierung extrem wichtig ist.
## Angeblich bis zu 35.000 Jobs in Gefahr
Die Sitzung – und damit die Entscheidung über die kommenden fünf Jahre –
ist schon einmal verschoben worden. Vorangegangen war ein heftiger Streit
zwischen Diess und dem Betriebsrat nach der Aufsichtsratssitzung Ende
September.
Diess hatte Szenarien erstellen lassen, nach denen bis zu 35.000 Stellen im
Stammwerk – also gut die Hälfte – durch den Konzernumbau in Richtung
E-Mobilität wegfallen würden. Obwohl ihm dringend davon abgeraten worden
war, konfrontierte er den Aufsichtsrat am Ende der Sitzung damit – und
brüskierte damit nicht nur den Betriebsrat und das Land Niedersachsen in
Gestalt des Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) und des
Wirtschaftsministers Bernd Althusmann (CDU), sondern wohl auch
Aufsichtsräte, die sonst auf seiner Seite waren.
Diess gilt als Liebling der Eigentümerfamilien Piech und Porsche. Das
Management im Rodeostil ist Teil seiner Signatur. Er gefällt sich in der
Rolle des Visionärs, der provoziert, um Dinge in Bewegung zu bringen.
## Zu spät auf die Chipkrise reagiert
In Wolfsburg trifft er allerdings auf eine Konzernkultur, in der
verschiedene Kräfte argwöhnisch darauf achten, ihr Wörtchen mitzureden. Das
führt nicht zum ersten Mal zu Konflikten. Die Frage ist nun, ob er den
Bogen dieses Mal überspannt hat.
Dabei ist der aktuelle Streit nicht seine einzige Baustelle: Kritiker
werfen Diess vor, auf die Chipkrise zu spät reagiert zu haben und keine
wirkliche Antwort auf die Einbrüche des Chinageschäfts zu geben. Auch
diverse Prestigeprojekte im Bereich E-Mobility und Softwareentwicklung
liegen offenbar hinter dem Zeitplan. Die Ankündigung, in der Nähe des
Stammwerks in Wolfsburg ein neues Werk für [2][die Elektroautolinie
„Trinity“ zu bauen], geht nicht als Befreiungsschlag oder
Versöhnungsangebot durch – zumal Diess die Verkündung seinem Markenchef
Brandstätter überließ.
Ohnehin wird der Konzernvorstand umgebaut. Hitrud Werner, bisher zuständig
für das Compliance-Ressort „Integrität und Recht“ und einzige Frau im
Vorstand, soll ausscheiden. Ihr Vertrag wird nicht verlängert.
Möglicherweise rückt Chefjustitiar Manfred Döss auf, wie Handelsblatt und
die Süddeutsche meldeten. Dafür soll im neu geschaffenen Bereich IT und
Organisation eine Frau nachrücken: Hauke Stars, bisher bei der Deutschen
Börse tätig. Am Dienstag meldete Reuters, dass Markenchef Ralf Brandstätter
eine stärkere Rolle im Vorstand bekommen soll. Er wird auch als Diess'
Nachfolger gehandelt – falls der stürzt.
Mehr spricht aber für eine der typischen Wolfsburger Kompromisslösungen,
wie sie jetzt von namenlosen Insidern gestreut werden:
Zuständigkeitsbereiche so lange neu zurechtzuschnitzen, bis alle ihr
Gesicht gewahrt haben. Das wäre vor allem im Interesse des Betriebsrats und
der SPD-geführten Landesregierung. Denn für beide stehen im kommenden Jahr
Wahlen an.
## Alte Konflikte brechen auf
Für Betriebsratschefin Daniela Cavallo kommt möglicherweise die nächste
Machtprobe. Mit dem Weggang ihres Vorgängers, Bernd Osterloh, [3][der sie
zu seiner Nachfolgerin gemacht hat], brechen auch innerhalb der von der IG
Metall dominierten Arbeitnehmervertretung alte Konfliktlinien auf. Bis zu
acht Gegenlisten soll es für die Wahl im März geben, darunter einige
gestandene Betriebsräte und Ex-IG-Metall-Funktionäre.
Zwei von ihnen, Norbert Lem und Michael Maginski von der Liste „Wir für
euch“, begründen ihre Kandidatur ausdrücklich damit, Cavallos Kritik am
Konzernchef nicht zu teilen.
Sie haben sich sogar mit einem offenen Brief an die Aktionärsfamilien Piech
und Porsche sowie an den Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen
gewandt, um ihrer Begeisterung für Diess' Visionen Ausdruck zu verleihen
und das ihrer Meinung nach Aktienkurs-schädigende Verhalten der
Betriebsratschefin öffentlich zu tadeln.
8 Dec 2021
## LINKS
[1] /Streit-zwischen-Chef-und-Betriebsrat/!5809535
[2] /Neues-Werk-in-Wolfsburg/!5810840
[3] /Neue-VW-Betriebsratschefin-Cavallo/!5768461
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Volkswagen
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