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# taz.de -- Lobbyregister und Geld bei der Union: Die Spur der Korruption
> Die Union hat ein vernünftiges Lobbyregister verhindert. Das erstaunt gar
> nicht. Denn undurchsichtige Geldflüsse prägen die Geschichte von CDU/CSU.
Bild: Philipp Amthor: ging Lobbyverbindungen mit der US-Firma Augustus Intellig…
Es wäre erstaunlich, wenn die Union nicht noch mehr Leichen im Keller
hätte. Bereits drei ihrer Politiker sind jüngst durch unschöne
Lobbyverbindungen aufgefallen. Da war zunächst Jungstar Philipp Amthor, der
Gelder, Aktienoptionen und teure Reisen von einer US-Firma namens Augustus
Intelligence erhielt, obwohl dieses Unternehmen keinerlei Umsätze macht,
wie der Spiegel ermittelte. In diese seltsame US-Firma ist auch
Ex-Verteidigungsminister [1][Karl-Theodor zu Guttenberg] verwickelt, der
sich zudem seine Kontakte ins Kanzleramt vergolden lässt.
Wie man nun weiß, zahlte allein der Betrugskonzern [2][Wirecard] monatlich
10.000 bis 20.000 Euro für Guttenbergs Antichambrieren. Und dann gibt es
noch CSU-Politiker Georg Nüßlein, der im Verdacht steht, Atemschutzmasken
ans Bundesgesundheitsministerium vermittelt zu haben. Von dem dankbaren
Unternehmen gab es eine Provision von 660.000 Euro, die wiederum an eine
Beratungsfirma flossen, an der Nüßlein beteiligt ist. Jetzt wird gegen den
CSU-Politiker ermittelt, weil dieser Betrag nicht versteuert wurde. Der
Anfangsverdacht lautet: Bestechlichkeit.
Die Union zeigt sich nur mäßig erschüttert über diese Fehltritte; sie
werden zu Einzelfällen erklärt und damit verharmlost. Das ist kein Zufall:
Korruption gehört zur DNA dieser Partei. Schon ein kurzer Abstecher in die
Vergangenheit illustriert, warum CDU und CSU intransparenten Lobbyismus so
normal finden. Aus Sicht der Union hat man sich nämlich deutlich gebessert.
Heute wirkt die Partei wie ein Verein der Saubermänner – jedenfalls im
Vergleich zu früher.
Früher war es zum Beispiel normal, dass die deutsche Industrie einfach
wichtige Posten im Wirtschaftsministerium selbst bemannte, um ihre
Interessen durchzusetzen. Es gab gar keine scharfe Trennung von CDU,
Regierung und Industrie. Wie dies praktisch lief, ist bei der I. G. Farben
gut erforscht. Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte diese gigantische
Chemiefirma entflochten werden.
## September 1950, eine besonders lustige Episode
So wollten es die Alliierten, aber auch den Managern des Konzerns kam es
durchaus gelegen, sich in die Firmen BASF, Bayer und Hoechst aufzuspalten.
Denn die drei neuen Betriebe waren viel beweglicher und gleichzeitig immer
noch groß genug, um ihr jeweiliges Segment zu beherrschen.
Damit die Politik nicht störte, hatte die Chemieindustrie vorgesorgt und
das zuständige Ressort im Wirtschaftsministerium gekapert. Beide
Abteilungsleiter stammten aus der Chemieindustrie – und kehrten dorthin
zurück, nachdem die I. G. Farben erfolgreich abgewickelt worden war.
Im September 1950 kam es zu einer besonders lustigen Episode, die wie im
Brennglas zeigt, dass Wirtschaftsminister Ludwig Erhard nur eine Art
Grüßaugust der Industrie war. Das Kabinett Adenauer befasste sich mit dem
Thema I. G. Farben, und ein Branchenlobbyist schrieb anschließend an seine
Kollegen in der Chemieindustrie: „Als der Kanzler zur Stellungnahme
aufforderte, ergab sich, dass der Minister (Erhard) keinen eigenen Plan
hatte und auch keine Vorarbeiten für eine solche Meinungsbildung vorlagen.“
Süffisant fährt der Bericht fort: Ein Vertreter der Chemieindustrie habe
daher „in seiner Gutmütigkeit … den gewünschten Bericht diktiert“.
Auch auf den Bundestag hatte die Wirtschaft direkten Zugriff, denn für die
Union war es lange selbstverständlich, Sitze im Parlament quasi an die
Industrie zu verkaufen. Stets fanden sich einige BDI-Mitglieder auf den
Unionslisten, und damit der Wahlkampf wie geölt funktionierte, wurden die
bürgerlichen Parteien mit üppigen Geschenken bedacht. Diese Spenden liefen
über die Staatsbürgerliche Vereinigung, die 1954 gegründet worden war und
erst 1984 bei einer Steuerfahndung aufflog. Leider konnten die
Finanzbeamten nur die Unterlagen ab 1969 sicherstellen – aber allein von
1969 bis 1980 flossen Spenden von unglaublichen 225,9 Millionen D-Mark.
## Spendenaffären nie restlos aufgeklärt
Viele Spendenaffären wurden nie restlos aufgeklärt. Noch im Jahr 2000, man
erinnert sich, stürzte Ex-Kanzler Kohl über Millionensummen, die teils als
„jüdische Vermächtnisse“ deklariert wurden, um die dunklen Kanäle zu
vertuschen. Auch der damalige CDU-Chef Wolfgang Schäuble musste
zurücktreten.
Heute geht es in der Union nicht mehr ganz so dreist zu, nach allem, was
man weiß, aber CDU und CSU sind noch immer korrupte Parteien. Einträglicher
Lobbyismus gilt weiterhin als normal, wie nicht nur die jüngsten Skandale
belegen – genauso bezeichnend ist, dass die Union hinhaltenden Widerstand
gegen ein vernünftiges [3][Lobbyregister] leistet.
Am Dienstag hat sich die Große Koalition auf eine Schrumpfvariante
geeinigt: Interessenvertreter müssen sich künftig in einer Liste
registrieren lassen, wenn sie Kontakte zu Abgeordneten oder Ministerien
pflegen wollen. Das ist zwar ein winziger Fortschritt, macht aber nicht
wirklich schlauer. Denn es bleibt bei einem einzigen Eintrag in dieser
Liste. Einzelkontakte hingegen werden nicht verzeichnet. Es ist also
weiterhin geheim, welche politischen Verbindungen welche Lobbyisten hatten.
Wie man es richtig macht, lässt sich in den USA studieren. Dort ist im
Internet bequem zu verfolgen, wen die Lobbyisten kontaktiert haben. So
erfährt man etwa, dass Siemens-Emissäre im Jahr 2019 zehn Mal Kontakt zum
US-Finanzministerium hatten. Diese Transparenz würde man sich auch in
Deutschland wünschen.
Allerdings reicht es nicht, nur die Lobbykontakte penibel aufzulisten. Zur
Transparenz gehört auch, die Ströme des Geldes zu verfolgen. Abgeordnete
werden fast so üppig wie oberste Bundesrichter entlohnt. Sie sollen es
nicht nötig haben, dubiose Nebeneinkünfte zu kassieren. Dieser großzügige
Ansatz ist richtig – bedeutet aber auch, dass die Wähler ein Recht darauf
haben, über eventuelle Nebeneinkünfte ihrer Abgeordneten detailliert
informiert zu werden. Doch die Union blockiert erneut. Da liegt der
Verdacht nahe, dass CDU und CSU viel zu verbergen haben.
4 Mar 2021
## LINKS
[1] /Wirecard-Untersuchungsausschuss/!5733969
[2] /Nach-Wirecard-Skandal/!5748694
[3] /Mehr-Transparenz-bei-Lobbyisten/!5755615
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
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