# taz.de -- Livealbum von Beyoncé: Teach me, Queen Bey | |
> Auf dem zum Film erschienenen Album „Homecoming“ erzählt Beyoncé auf | |
> mitreißende Art und Weise die Black History rauf und runter | |
Bild: Ihr neues Album ist ein Black-Culture-Manifest: Beyoncé | |
Wenn Beyoncé wieder auf der Bildfläche erscheint, dann natürlich mit einem | |
Knall – besser aber mit einem ganzen Feuerwerk. So startete sie vergangene | |
Woche eine Veröffentlichungsoffensive, angefangen mit der [1][Netflix-Doku | |
„Homecoming“] die ihren Auftritt beim kalifornischen Festival Coachella | |
2018 und ihren vorherigen Workout dokumentiert (zwei weitere | |
Netflix-Produktionen sollen folgen, 60 Millionen Dollar schwer ist der Deal | |
angeblich). | |
Fast beiläufig wirkte da das Release des dazugehörigen Konzertmitschnitts, | |
schließlich war ihr Auftritt als Pop-Oper, als Gesamtkunstwerk angelegt. | |
Dabei sind die 40 Songs, diese 1 Stunde und 50 Minuten Musik, auch ohne die | |
visuellen Elemente hinreißend, mitreißend, erhaben. | |
„Homecoming“ ist in Albumform, wie der Film auch, ein Hochglanzprodukt, ein | |
makellos inszeniertes Stück Kulturindustrie – vielen sicherlich zu glatt | |
und perfekt. Dafür aber ist es gespickt mit politischem Inhalt, es erzählt | |
die Geschichte der schwarzen (feministischen) Emanzipation in den USA rauf | |
und runter, als eine Art Black-History-Crashkurs mit Teacherin und Tänzerin | |
Beyoncé, die sich einmal mehr als ehrgeiziges Produktionsgenie erweist. Das | |
zahlt sich aus, nicht nur in ökonomischer, auch in ästhetischer Hinsicht. | |
So schafft es die 37-Jährige, die gesamten Hits ihrer bisherigen Karriere – | |
etwa „Freedom“, „Run The World“, „Bow Down“ – in eine neue Form z… | |
mit der sie mit vollem Enthusiasmus die schwarze Musikgeschichte feiert. | |
Vor allem dank einer 64-köpfigen Brass Band im Rücken, die in der Tradition | |
der Marching-Bands der Historischen Afroamerikanischen Colleges (HBCUs) | |
steht. Die Tubas und Trompeten, Posaunen und Pauken sind die heimlichen | |
Stars hinter Queen Bey. | |
## Billie Holiday, Nina Simone, Jackson Five | |
Im Laufe der knapp zwei Stunden gibt es dann Anklänge an sehr viele | |
schwarze Musik- und Sangeskulturen, von Call-and-Response-Techniken bis | |
Afrobeat, von Gogo-Funk bis HipHop. Namentlich oder mit Samples würdigt sie | |
ihre Inspirationsquellen, so finden Billie Holiday, Nina Simone, die | |
Jackson Five oder die Fugees Erwähnung. Auch zeremonielle Praktiken | |
schwarzer Communitys baut sie in die Performance ein – klatschend, steppend | |
und stampfend sind die Tänzer_innen nun auch auf dem Album zu hören. | |
Aber es geht auf „Homecoming“ maßgeblich auch um die intellektuelle | |
afroamerikanische Kultur, deshalb auch das Leitmotiv der | |
HBCU-Marching-Band. So zitiert Beyoncé im Film etwa den Essay „Talented | |
Tenth“ (1903) von W. E. B. Du Bois („Education must not simply teach work �… | |
it must teach life“). Du Bois glaubte, mit der Schaffung einer schwarzen | |
Bildungselite Wandel voranzutreiben und die Lage der Afroamerikaner zu | |
verbessern. | |
Insgesamt lernt man eine Menge, wenn man sich mit diesem Album | |
auseinandersetzt, so zum Beispiel, wenn man den griechischen Buchstaben im | |
Titel und auf Beyoncés Dress („BΔK“) auf den Grund geht. Sie verweisen auf | |
die akademischen Black Greek Letter Organizations und insbesondere auf die | |
Delta Sigma Theta Sorority, eine der frühen studentischen Vereinigungen für | |
schwarze Frauen in den USA (die bis heute besteht). | |
Bei all dem inhaltlichen Gewicht bleibt die Musik aber leicht und luftig – | |
und vor allem hochenergetisch. Man versteht auf einmal, dass Songs wie | |
„Crazy In Love“ oder „Drunk In Love“ gerade bei einem jungen Publikum | |
Dopaminschübe erzeugen können, nein müssen. | |
Bei Stücken wie „Deja Vu“ oder dem instrumentalen „The Bzzzz Drumline“ | |
blitzt die ganze Klasse des Orchesters auf. Groovy geht es auch bei der | |
Coverversion des 1981er R&B-Klassikers [2][„Before I Let Go“] (von Frankie | |
Beverly And Maze) zu. Und „Sorry“, den Track über eine Affäre ihres Mannes | |
Jay-Z, inszeniert Beyoncé hier als Langfassung wie eine in sich | |
geschlossene Mini-Oper. | |
All dies funktioniert gut auch ohne Filmspur, manchmal ist man vielleicht | |
sogar froh, ohne die Massenornamentik, das Spektakel und | |
zwischengeschalteten Werbefilm für die Mega-Marke Beyoncé auszukommen. Denn | |
auf dem Album regiert ganz einfach: Große Musik. Und Geschichtsunterricht. | |
28 Apr 2019 | |
## LINKS | |
[1] /!5586977/ | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=gVLsVj7BebE | |
## AUTOREN | |
Jens Uthoff | |
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