| # taz.de -- Linke-Politikerinnen über internen Streit: „Sahra Wagenknecht sc… | |
| > Die Vorsitzenden der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, | |
| > Sabine Boeddinghaus und Cansu Özdemir, sprechen über den Zustand ihrer | |
| > Partei. | |
| Bild: Die Hamburger Linken-Chefinnen Sabine Boeddinghaus und Cansu Özdemir | |
| taz: Frau Özdemir, Frau Boeddinghaus – was erwarten Sie vom politischen | |
| Jahr 2019? | |
| Sabine Boeddinghaus: Es wird eine harte politische Auseinandersetzung über | |
| die Frage geben, wie Hamburg sich weiterentwickelt. Wir als Linke werden | |
| unser soziales Profil schärfen in Richtung einer solidarischen Stadt für | |
| alle. Beim Thema Wohnen erwarten wir vom rot-grünen Senat mehr Bewegung, | |
| damit die Zahl der bezahlbaren Wohnungen deutlich steigt… | |
| Da tut der Senat schon viel… | |
| Boeddinghaus: Wohnen ist ein Grundrecht und es kann nicht sein, dass nur | |
| die Renditeerwartungen privater InvestorInnen darüber entscheiden, wie | |
| viele Sozialwohnungen entstehen. Es geht um bezahlbaren Wohnraum für alle. | |
| Gemeinnütziges, genossenschaftliches Wohnen muss mehr in den Mittelpunkt | |
| rücken – dann wird automatisch kostengünstiger gebaut, weil niemand Rendite | |
| abschöpft. | |
| Cansu Özdemir: Noch immer fallen viel mehr Wohnungen aus der Sozialbindung, | |
| als neue hinzukommen. Durch den Drittelmix kann das nicht aufgeholt werden. | |
| Und wir müssen offensiv die Diskussion führen, wie hoch und wie dicht soll | |
| in Hamburg gebaut werden. | |
| CDU und SPD sind im Bund wie in Hamburg auf Talfahrt, die anderen Parteien | |
| – vor allem die Grünen – profitieren von diesem Trend, nur die Linke | |
| stagniert. | |
| Boeddinghaus: Wir sind in Hamburg seit Jahren stabil im zweistelligen | |
| Bereich. Dieser konstante Zuspruch zeigt uns, dass wir die richtigen Themen | |
| angehen. Aber wir fordern in vielen Bereichen der Gesellschaft ein | |
| konsequentes und grundsätzliches Umsteuern in Richtung einer solidarischen, | |
| sozial gerechten Gesellschaft. Ich befürchte, dass so ein grundsätzlicher | |
| Wandel bei vielen Menschen auch zu Verunsicherung führt. Es ist aber unsere | |
| Aufgabe immer wieder darauf hinzuweisen, dass Hamburg eine sozial extrem | |
| gespaltene Stadt ist. Das hören viele Leute nicht gern. Die Grünen können | |
| mit ihren glatteren Antworten und ihrem geschlosseneren Erscheinungsbild | |
| momentan leichter punkten. | |
| Özdemir: Die Grünen profitieren natürlich von der Diskussion über den | |
| Klimawandel. | |
| Haben Sie die Umweltpolitik vernachlässigt? | |
| Özdemir: Wir sind auf diesem Feld sehr aktiv. Aber das Problem ist, dass | |
| die Grünen mit Umweltpolitik viel stärker in Verbindung gebracht und von | |
| den Medien angefragt werden. Wir hingegen werden mit dem Thema soziale | |
| Gerechtigkeit am stärksten wahrgenommen. | |
| Und stagnieren trotzdem. | |
| Özdemir: Auf Bundesebene ist unsere Debatte zum Thema Migration von | |
| unüberhörbaren Differenzen geprägt, die uns schaden. Die Menschen mögen es | |
| aber nicht, wenn aus einer Partei Signale kommen, die in ganz | |
| unterschiedliche Richtungen weisen. Es ist wichtig, dass bei uns eine | |
| gewisse inhaltliche Geschlossenheit herrscht, sodass wir im Wahlkampf | |
| unsere Themen besser zur Geltung bringen können. | |
| Fehlt der Partei das Selbstbewusstsein, sich Sahra Wagenknechts | |
| linkspopulistischen Thesen, die auch zentrale Forderungen der AFD | |
| aufnehmen, offensiv entgegenzustellen? | |
| Boeddinghaus: Positionen, wie sie Sahra Wagenknecht in diesem Politikfeld | |
| vertritt, schaden uns deutlich. Wir sind mit der | |
| FlüchtlingshelferInnenszene gut vernetzt und bekommen von dort das | |
| deutliche Signal: Klärt erst mal eure Position in diesem Themenfeld. | |
| Flüchtlingspolitik ist in Hamburg eine zentrale Frage und da brauchen wir | |
| eine klare Haltung, auch um die AFD hier weiter kleinzuhalten. | |
| Es gibt in Hamburg keinerlei Wechselstimmung. Die Wähler scheinen sich, mit | |
| Rot-Grün gut regiert zu fühlen. | |
| Boeddinghaus: Es gibt zwar keine Wechselstimmung, aber die SPD verliert | |
| rapide. Und der Bürgermeister erkennt hierin nur einen Trend, aber keine | |
| inhaltlichen Gründe für den Absturz seiner Partei. Die SPD ist nicht mehr | |
| in der Auseinandersetzung mit den Menschen, die sich Hamburg wirklich nicht | |
| mehr leisten können. Sie wird sich dieses Themas annehmen müssen, will sie | |
| ihre Talfahrt stoppen. | |
| Mit den Bezirks-, Europa- und Bürgerschaftswahlen haben Sie gleich drei | |
| Wahlkämpfe vor der Brust: Mit welchen Erwartungen starten Sie? | |
| Özdemir: Wir wollen überall zulegen und mit personell starken Fraktionen in | |
| die Bezirke einziehen. Hier wird das Thema Wohnen und die soziale | |
| Infrastruktur eine wichtige Rolle spielen, weil da viel vor Ort entschieden | |
| wird. Da sind wir gut aufgestellt. Der Europawahlkampf wird sehr wichtig, | |
| weil Europa auseinander driftet, es in vielen europäischen Ländern einen | |
| deutlichen Rechtsruck gibt. Europa schließt die Grenzen, die Seenotrettung | |
| wird zunehmend kriminalisiert und immer mehr Geflüchtete ertrinken. Die | |
| Situation könnte nicht unsolidarischer sein. Da gilt es gegen zu halten. | |
| Danach kommen die Bürgerschaftswahlen. Sie stehen als | |
| Spitzenkandidatinnen-Duo erneut zur Verfügung? | |
| Özdemir: Wir werden zur Verfügung stehen, wenn die Partei es möchte. | |
| Was muss passieren, damit die Linke nicht ewige Oppositionspartei bleibt? | |
| Boeddinghaus: Wir haben in Hamburg einen Parteitagsbeschluss, dass wir | |
| Opposition bleiben. | |
| Was also müsste sich verändern, damit Koalition zur Option würde? | |
| Boeddinghaus: Es müssten sich die Inhalte und Absichten der SPD massiv und | |
| glaubhaft verändern. Wenn die SPD von sich aus bereit ist, die Armut in | |
| Hamburg offensiv zu bekämpfen und die soziale Spaltung zu überwinden, allen | |
| Menschen Teilhabe an Bildung und dem gesellschaftlichen Leben zu gewähren | |
| und dann noch auf uns zukäme, dann hätten wir sicher eine große | |
| innerparteiliche Debatte. Unter den jetzigen Bedingungen sehen wir keine | |
| inhaltlichen Anknüpfungspunkte. Wir wirken seit Jahren aus der Opposition | |
| heraus und haben bei diversen Themen – wie dem Mindestlohn – von dort aus | |
| viel erreicht. | |
| 23 Jan 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Marco Carini | |
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