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# taz.de -- Libanesische Hilfsorganisation: „Kein Ort bietet mehr völlige Si…
> Die libanesische Organisation Sheild bringt Hilfsgüter in den Südlibanon.
> Koordinatorin Eva Homsi über ihren Einsatz unter gefährlichen
> Bedingungen.
Bild: Zerstörung in Ghaziyeh Stadt nach einem israelischen Angriff am 3. Novem…
Der israelische Einmarsch im Südlibanon hat in mehr als einem Dutzend
Grenzstädten gewaltige Zerstörungen angerichtet. Das zeigen
Satellitenbilder, die [1][der Nachrichtenagentur Reuters] vorliegen. Viele
der Städte wurden durch die Bombardierungen evakuiert. Die untersuchten
Bilder zeigen Städte zwischen Kfarkela im Südosten des Libanon, südlich von
Meiss al-Jabal und westlich eines Stützpunkts der UN-Friedenstruppen bis
zum Dorf Labbouneh.
Mitte Oktober zerstörte das israelische Militär mit mehreren Sprengungen
auch das Dorf Mhaibib. In einem Video, das über die sozialen Medien
verbreitete wurde, reagieren Soldaten, die offenbar israelische Uniformen
tragen, mit Ausrufen auf Hebräisch, während sie zusehen, wie Gebäude
gleichzeitig explodieren.
Die [2][New York Times] bestätigte, dass es dieselbe Sprengung zeigt wie
ein anderes Video eines israelischen Radiosenders. Darin geben israelische
Soldaten ein Daumen-hoch-Zeichen, während sie die Zerstörung der Gebäude
auf dem Bildschirm einer Drohnensteuerung beobachten. In den zerstörten
Gebieten harren noch Zivilist*innen aus. Eva Homsi von der
libanesischen NGO [3][Sheild] hat sie besucht.
taz: Frau Homsi, welche Hilfe leistet Ihre Organisation im Südlibanon?
Eva Homsi: Sheild ist die einzige lokale Organisation, die in der Lage ist,
[4][Konvois zu den verbliebenen Menschen im Süden nahe der Grenze zu
koordinieren]. Bis jetzt wurden zwei Konvois für Rmaisch zusammengestellt.
Wir haben einen Konvoi nach Qlaiaa und Marjayoun organisiert. An diesen
Orten leben noch Einheimische und Binnenvertriebene. Ich war in einem
Konvoi mit 15 Lastwagen, um alle Grenzgebiete zu erreichen.
taz: Was haben Sie dort gesehen?
Homsi: Ich habe die nackte Realität der weit verbreiteten Zerstörung
gesehen. Bei meinem Besuch habe ich eine überwältigende Leere gefühlt.
Umfassende und wirksame Hilfsmaßnahmen fehlen. Trotz der erschütternden
Lage war die Würde der älteren Menschen, ihre Widerstandsfähigkeit und
Entschlossenheit beeindruckend.
Ein älterer Mann sagte mir: „Mir geht es gut, solange ich in meinem eigenen
Haus sterbe.“ Das spiegelt seine unerschütterliche Verbundenheit mit seinem
Land wider. Eine Person hat mich gefragt, ob ich eine Zigarette im Auto
hätte. Eine zu rauchen sei eine Quelle des Trostes. Da wurde deutlich, wie
wichtig einfache Bedürfnisse sind. Eine ältere Frau, die in der Kälte
zitterte, hat mir gezeigt, dass eine warme Umarmung manchmal genauso
wichtig ist wie jede materielle Hilfe.
taz: Lokale Medien zeigen völlig zerstörte Dörfer im Süden. Hasbaya und
Marjayoun galten aufgrund ihrer mehrheitlich drusischen und christlichen
Bevölkerung als relativ sicher vor dem israelischen Einmarsch. Was können
Sie zur humanitären Situation vor Ort sagen?
Homsi: Die Lage hat sich drastisch verändert. Die starke Zerstörung in den
umliegenden Gebieten verdeutlicht die aktuelle Unsicherheit. Sogar ehemals
sichere Gebiete sind nun betroffen, und die Bedrohung für die
Gemeinschaften ist groß. In Hasbaya im Südosten wurden Ende Oktober nicht
nur Zivilist*innen bombardiert, sondern [5][auch drei Fernsehreporter]
in ihrer Unterkunft, die seit acht Monaten in diesem Hotel waren. Das
hätten wir in Hasbaya nie erwartet. In dieser Umgebung haben die Menschen
sogar Angst, jederzeit bombardiert zu werden, wenn sie als Vertriebene von
einem Gebiet in ein anderes ziehen.
taz: Was sind die konkreten Bedrohungen für Sheild, um Hilfe in den
Südlibanon zu bringen?
Homsi: Wir stehen vor großen Herausforderungen. Das fängt bei den stark
beschädigten Straßen an, die wir kaum befahren können. Durch die
israelischen Luftangriffe ist es gefährlich, auf den Straßen zu fahren.
Hilfslieferungen werden nicht durch die Hisbollah bedroht, aber die
anhaltende Gewalt ist eine ständige Bedrohung. Wir müssen die Logistik in
einem Hochrisikoumfeld managen. Wir müssen einen sicheren Weg gewährleisten
und eine gute Kommunikation aufrechterhalten. Das ist sowohl mit den
lokalen als auch mit den internationalen Kräften entscheidend und sehr
schwierig.
taz: Wie wird eine solche Hilfslieferung geplant und durchgeführt?
Homsi: Wir arbeiten eng mit dem Sozialministerium, dem Katastrophenschutz
und den örtlichen Gemeinden zusammen. Unsere Planung ist sehr akribisch.
Wir koordinieren alles mit den lokalen Stellen, damit Hilfslieferungen auch
bei den Menschen ankommen. Vor Ort leisten wir auch psychologische
Unterstützung. Einfache Gesten helfen, ein Gefühl der Normalität
wiederherzustellen. Dazu gehört manchmal auch ein Haarschnitt für Menschen
in Gebieten, in denen Friseurläden geschlossen bleiben.
taz: Sheild war die erste lokale Nichtregierungsorganisation, die Hilfe in
den Südlibanon gebracht hat. Warum engagieren Sie nicht mehr lokale
Organisationen?
Homsi: Die Durchführung solcher Konvois braucht umfangreiche Ressourcen und
besondere Voraussetzungen. Sheild hat diese im Laufe der Zeit aufgebaut,
vor allem unsere Logistik- und Sicherheitsabteilung. Es braucht Mut und
Engagement, gefährdete Gemeinschaften nicht im Stich zu lassen. Wir haben
lokales Personal in den betroffenen Gebieten vor Ort und ein starkes
logistisches Netzwerk. Wir arbeiten mit internationalen
Partnerorganisationen wie der Welthungerhilfe zusammen und wir koordinieren
die Konvois mit mehreren UN-Organisationen wie dem Welternährungsprogramm,
dem UNHCR oder Unicef. Und es braucht auch die Bereitschaft, direkt mit der
libanesischen Armee und der UNIFIL-Mission zusammenzuarbeiten.
taz: Wie können diese die Konvois sichern?
Homsi: Vollständige Sicherheit können sie nicht garantieren. Sowohl die
libanesische Armee als auch die UNIFIL-Mission leisten aber wichtige
Unterstützung, indem sie die Routen der Konvois koordinieren und
Informationen darüber weitergeben – auch an das israelische Militär, mit
dem wir nicht sprechen können. Letztlich bleibt Sicherheit ungewiss, und
wir verlassen uns auf eine Kombination aus guter Koordination und
Vertrauen.
taz: Bisher sind über 800.000 Menschen Binnenvertriebene. Welche Hilfe
benötigen sie?
Homsi: Die Konvois sind nicht genug. Leider konzentrieren sich alle
humanitären Organisationen und Helfer in der Regel auf ein bestimmtes
Gebiet, wie jetzt auf Saida. In Saida gibt es Tausende Binnenvertriebene
aus dem ganzen Süden. Im Norden, in Beirut und auf dem Libanonberg wird nur
sehr, sehr wenig getan. Auch dort sind Vertriebene in Gastgemeinschaften
untergekommen. Viele können sich die Miete aber nicht mehr leisten. Wir
beobachten, dass Binnenvertriebene in sehr riskante Gebiete wie Sur,
Marjayoun oder Hasbaya zurückkehren.
taz: Warum kehren die Menschen in ihre Häuser in den bedrohten Gebieten
zurück?
Homsi: Der wichtigste Grund ist ihre Würde. Die Menschen wollen in ihren
eigenen Häusern leben und, wenn nötig, auch dort sterben. Außerdem zwingen
die finanziellen Bedingungen viele zur Rückkehr: Sie können es sich nicht
mehr leisten, als Binnengeflüchtete zu leben. Manche Menschen ziehen es
vor, unter ihrem eigenen Dach zu leben und sich auf ihre verbliebenen
Lebensmittelvorräte zu verlassen.
Ohnehin bietet kein Ort völlige Sicherheit. Das zeigen Angriffe auf
Unterkünfte, in denen die Menschen Schutz suchten. Ein Beispiel ist ein
Vorfall in Haret Saida, einem Vorort der Stadt Saida im Süden. Dort hat
eine Rakete ein Wohnhaus getroffen, in dem eine vertriebene Familie
untergekommen war. Neun Menschen wurden getötet.
6 Nov 2024
## LINKS
[1] https://www.reuters.com/world/middle-east/israeli-campaign-leaves-lebanese-…
[2] https://www.nytimes.com/2024/10/18/world/middleeast/israel-lebanon-mhaibib-…
[3] https://www.sheildassociation.org/humanitarian-mine-action/
[4] /Krieg-in-Nahost/!6043899
[5] /Berichterstattung-im-Nahost-Konflikt/!6038938
## AUTOREN
Julia Neumann
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