# taz.de -- Kritik an Methoden der Klimabewegung: Warum Klimaaktivismus alles d… | |
> Olaf Scholz spricht der Klimabewegung ihre Redlichkeit ab. Sie sei nicht | |
> an einer Diskussion interessiert. Richtig: Denn Klimakrise ist keine | |
> Meinung. | |
Bild: „Error 404 Klimakanzler not found“, Schriftzug im Hamburger Stadtpark | |
Es war ein Offenbarungseid: Olaf Scholz, den „Klimakanzler“, [1][erinnern | |
Zwischenrufe von Klimaaktivist*innen während einer Podiumsdiskussion] | |
an „eine Zeit, die lange zurückliegt, und Gott sei Dank“. Er ist der | |
Meinung, sie würden Veranstaltungen für ihre persönlichen Zwecke | |
manipulieren und seien an keiner Diskussion interessiert. | |
Der offenkundige Vergleich zu nationalsozialistischen Praktiken ist dabei | |
sicherlich am empörendsten. Für die Debatte um die Bewältigung der | |
Klimakrise viel entscheidender ist jedoch das grundlegende Fehlverständnis | |
der Problematik, dem nicht nur Scholz, sondern die meisten | |
Kritiker*innen der Klimabewegung unterliegen. | |
Das Fehlverständnis, es ginge bei der Klimakrise um eine Haltung, eine | |
Meinung, die unterschiedlich sein kann und diskutierbar ist. Geht es nicht. | |
Es geht um die Anerkennung eines wissenschaftlich breit und eindeutig | |
belegten Fakts, der uns alle betrifft. Nicht irgendeines Fakts, sondern der | |
Tatsache, dass wir schon in den nächsten Jahren das einzigartige | |
ökologische Gleichgewicht einbüßen werden, dass die gesamte bisherige | |
Menschheitsgeschichte begleitet hat – unsere Lebensgrundlage. | |
Die Klimakatastrophe wird unsere Gesellschaft, wie wir sie kennen, über den | |
Haufen werfen. Sie wird unzählige Tode und Verteilungskämpfe nach sich | |
ziehen, in Größenordnungen, die wir uns heute kaum vorstellen können. Sie | |
wird uns um existenzielle Ressourcen bringen, um Land, um Wasser, um | |
Nahrung und um eine gesundheitsverträgliche Temperatur. Ressourcen, für die | |
nicht einfach Alternativen gefunden werden können, und ohne die wir nicht | |
leben können. | |
## Eine lebensbedrohliche Wahrheit | |
Die aktuellen globalen Krisen sind zum Teil bereits Folgen des Klimawandels | |
– und doch nur ein Vorgeschmack: Getreide ist knapp, weil in Indien | |
[2][eine Hitzewelle, die früher ein Jahrtausendereignis gewesen wäre], | |
große Teile der Ernte vernichtet hat. Öl und Gas werden nicht nur wegen des | |
Kriegs in der Ukraine teurer, sondern auch, weil wir (endlich) CO2 | |
bepreisen. [3][Und schon heute verlassen weltweit Millionen von Menschen | |
ihre Heimat], weil diese in Folge von Hitze und ausbleibenden | |
Niederschlägen nicht mehr bewohnbar sind. | |
Eine Gesellschaft, die schon durch ein paar Millionen Geflüchtete oder | |
teures Benzin zu zerbrechen droht, sollte sich nicht die Illusion machen, | |
mit einem Vielfachen davon umgehen zu können. Wir werden unsere Ansprüche, | |
lebensqualitativ wie moralisch, noch sehr weit nach unten anpassen müssen. | |
Würden diese Tatsachen anerkannt, gäbe es überhaupt keine Diskussion. Die | |
Dinge, die auf dem Spiel stehen, sind viel zu grundlegend, um darüber | |
verschiedene Meinungen zu haben. | |
Das Problem liegt, wie Luisa Neubauer es formuliert, darin, dass viele die | |
Klimakrise nicht wahrhaben wollen. Und darum geht es bei Klimaaktivismus: | |
Dass anerkannt wird, wie tief wir alle gemeinsam in der Tinte sitzen. Erst | |
dann kann objektiv über die richtigen Mittel und Wegezu mehr Klimaschutz | |
diskutiert werden. Dass wir seit den 90ern keine vernünftige Klimapolitik | |
betreiben, ist der klarste Beweis dafür, dass das bislang nicht geschehen | |
ist. | |
Und weil das so ist, darf Klimaaktivismus auch alles. Er muss sich nicht | |
hinten anstellen, denn er vertritt keine Meinung unter vielen, sondern eine | |
objektive und lebensbedrohliche Wahrheit. Diskussionen werden geführt, um | |
alternative Positionen abzuwägen. Aber wollen wir überleben, dann gibt es | |
keine Alternative zu radikaler Klimapolitik. Es geht schon längst nicht | |
mehr um Meinungen. | |
1 Jun 2022 | |
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## AUTOREN | |
Josa Zeitlinger | |
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