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# taz.de -- Krise in Abchasien: Rücktritt nach Protesten
> Ein Wirtschaftsabkommen mit Russland wird Abchasiens Präsidenten Aslan
> Bschania zum Verhängnis. Nach mehrtägigen Protesten gibt er seinen Posten
> auf.
Bild: Abchasiens Präsident Aslan Bschania
Berlin taz | Unter dem Druck von Protesten hat Aslan Bschania, Präsident
der von [1][Georgien] abtrünnigen Region [2][Abchasien], am Dienstag seinen
Posten geräumt. „Um die Stabilität und die verfassungsmäßige Ordnung im
Land aufrechtzuerhalten […], trete ich vom Amt des Präsidenten der Republik
Abchasien zurück“, heißt es in einem Statement Bschanias.
Auch der Ministerpräsident sowie der Chef des Sicherheitsdienstes legten
ihre Ämter nieder. Wenige Stunden später stimmten 28 Abgeordnete bei einer
Gegenstimme (zwei Stimmzettel waren ungültig) für Bschanias Rücktritt. Nun
soll sein Vize Badra Gunba die Region mit 243.000 Einwohner*innen
regieren.
[3][Auslöser der aktuellen Krise] ist ein Wirtschaftsabkommen Abchasiens
mit Russland, das Moskau bestimmte Sonderrechte einräumt und Ende Oktober
unterschrieben worden war. Es sieht unter anderem vor, dass Russland für
acht Jahre von bestimmten Zöllen auf die Einfuhr von Baumaterialien sowie
technischer Ausstattung und der Zahlung von der Körperschafts- und
Einkommenssteuer befreit wird.
Die Mehrwertsteuer liegt bei fünf Prozent – der Hälfte des ortsüblichen
Satzes. Kritiker hatten argumentiert, durch das Abkommen blieben lokale
Unternehmen auf der Strecke, da diese im Vergleich zu russischen Betrieben
nicht mehr konkurrenzfähig seien. Zudem sei Abchasiens Sicherheit bedroht.
## Brücken blockiert
Am Montag vergangener Woche hatten oppositionelle Demonstranten eine
Schnellstraße und drei Brücken blockiert und damit den Verkehr in die
Hauptstadt Suchumi lahmgelegt. Dies war eine Reaktion auf die Festnahme
mehrerer Aktivisten, die tags darauf jedoch wieder auf freien Fuß kamen.
Drei Tage später, am 15. November – dem Tag der Abstimmung über das
Abkommen im Parlament –, verschafften sich Protestierende gewaltsam Zutritt
zu dem Areal, auf dem sich das Parlament befindet. Polizeikräfte gingen mit
Tränengas und Rauchbomben gegen die Demonstranten vor, mindestens acht
Menschen wurden verletzt. Am Abend stürmten und besetzten oppositionelle
Kräfte das Gebäude, in sich auch das Büro des Präsidenten befindet. Aslan
Bschania, seit 2020 im Amt, setzte sich in sein Heimatdorf Tamysch ab und
beschuldigte die Opposition eines versuchten Staatsstreichs.
Doch offensichtlich haben beide Seiten, zumindest derzeit, kein Interesse
daran, es zum Äußersten kommen zu lassen. In der Nacht zu Dienstag
handelten der Präsident und die Opposition einen Deal aus: Bschania tritt
zurück, im Gegenzug räumen die Protestierenden das besetzte Gebäude. Laut
dem russischsprachigen Dienst der BBC hätten die ersten Protestler kurz
nach Bekanntwerden der Einigung den Rückzug angetreten.
Ob die jüngste Krise damit beendet ist, wird sich zeigen. Abchasien
erklärte sich nach einem Bürgerkrieg im September 1993 für unabhängig von
Georgien. Im August 2008, nach einem fünftägigen Krieg zwischen Georgien
und Russland um Südossetien, erkannte Russland die Unabhängigkeit beider
Regionen (insgesamt 20 Prozent des georgischen Territoriums) an. Sie
unterstehen nicht der Kontrolle Tbilissis, sondern werden de facto von
Russland kontrolliert, auch russische Soldaten sind hier stationiert.
## Kandidat bei der nächsten Wahl
Die Demonstranten hatten übrigens betont, nicht gegen Russland zu sein,
jedoch nationale Interessen und die natürlichen Ressourcen Abchasiens
schützen zu wollen. Genau darin bestünde das Dilemma der Region, die
wirtschaftlich ohnehin schon weitgehend von Moskau abhängig ist, meint Inal
Chaschig, Journalist beim Webportal JAMnews, das auf den Südkaukasus
spezialisiert ist.
„Die Suche nach einem neuen Algorithmus für die Beziehungen zu Moskau wird
eine der obersten Prioritäten der nächsten Regierung sein. Die Formel ist
äußerst einfach: Wie die Freundschaft mit Russland aufrecht erhalten ohne
Abchasiens Souveränität zu verletzen“, so Chaschig.
Der ehemalige Präsident Bschania hat angekündigt, bei der nächsten Wahl
erneut anzutreten. Diese war für Frühjahr 2025 angesetzt, dürfte jedoch nun
früher stattfinden. Wo sich Aslan Bschania übrigens derzeit aufhält, ist
derzeit unklar. Während einige behaupten, er halte sich immer noch auf dem
Land auf, gibt es Gerüchte, er habe Abchasien mittlerweile verlassen.
19 Nov 2024
## LINKS
[1] /Georgien/!t5011778
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[3] /Politologe-ueber-Konflikte-im-Kaukasus/!6046286
## AUTOREN
Barbara Oertel
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Osteuropa – ein Gedankenaustausch
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