| # taz.de -- Georgiens Russland-Politik: Gereizte Stimmung | |
| > Russlands Angriff auf Südossetien jährt sich zum 14. Mal. Sorgenvoll | |
| > blicken viele Georgier*innen in die Ukraine. Angst macht sich breit. | |
| Bild: Tiflis im April: Protest gegen Massaker an Ukrainer*innen vor dem Parlame… | |
| Die Spannung steigt in Georgien. Der Grund: Im Sommer reisen viele | |
| [1][Russ*innen als Tourist*innen in die Südkaususrepublik]. Sie sind | |
| bei einem Großteil der heimischen Bevölkerung ohnehin nicht sonderlich | |
| wohlgelitten. Unlängst ging ein Foto aus der Hauptstadt Tiflis mit einem | |
| Transparent viral, auf dem zu lesen ist: „Putin tötet Menschen in der | |
| Ukraine, während Russ*innen in Georgien Chatschapuri (georgisches | |
| Pizzabrot – Anm. d. Red.) essen.“ | |
| Die vielen Besucher*innen aus dem Land der Besatzer: Das alles sei | |
| außer Kontrolle geraten, heißt es dazu in einer Erklärung der liberalen | |
| Oppositionspartei Lelo. Für die russischen Nachbarn, aber auch für | |
| Belaruss*innen müssten wieder Visa eingeführt werden. Eine | |
| Onlinepetition von Anfang August, in der eine Begrenzung des Aufenthalts | |
| von Russ*innen und Belaruss*innen auf drei Monate gefordert wird, | |
| erhielt in kurzer Zeit 20.000 Unterschriften. | |
| Derzeit können Russ*innen visafrei nach Georgien einreisen und dort bis | |
| zu einem Jahr bleiben. Seit dem Ausbruch des russischen Angriffskriegs am | |
| 24. Februar machten davon viele Gebrauch – sei es [2][aus politischen | |
| Gründen] oder wegen der westlichen Sanktionen gegen Russland. | |
| Insgesamt seien laut Angaben des Vorsitzenden der Regierungspartei | |
| Georgischer Traum (KO), Irakli Kobachidze, den das Onlineportal | |
| eurasianet.org zitiert, in diesem Zeitraum rund 110.000 Russ*innen | |
| eingereist. Rund 20.000 hätten die Absicht zu bleiben. Von den in Georgien | |
| ansässigen 13.500 russischen Unternehmen seien die Hälfte zwischen März und | |
| Juni 2022 registriert worden. | |
| ## Eine Bar mit Gesinnungskontrolle | |
| Die Auswirkungen dieser Entwicklungen bekommen die Georgier*innen am | |
| eigenen Leib zu spüren. Nicht nur die Inflation ist massiv gestiegen, auch | |
| Preise für Mietwohnungen, vor allem in Tiflis, sind in astronomische Höhen | |
| geschossen. | |
| Hinzu kommt, dass sich gerade dieser Tage der Krieg gegen Russland um die | |
| Region Südossetien jährt, der 2008 nach fünf Tagen mit einer Niederlage | |
| Georgiens endete. [3][Südossetien] sowie die Region Abchasien sind heute | |
| de facto unter russischer Kontrolle – das entspricht 20 Prozent des | |
| Territoriums des Landes. Vor allem vor dem Hintergrund dieser Erfahrung | |
| sitzt die Angst der Menschen tief, nach der Ukraine zum nächsten | |
| Angriffsziel Russland zu werden. | |
| Unlängst heizten weitere Vorfälle, vor allem virtuell, die Stimmung weiter | |
| an. Dabei geht es um eine beliebte Bar namens Deda Ena in Tiflis. | |
| Potenzielle Besucher*innen mit russischen Pässen müssen, um Einlass zu | |
| erhalten, vorher online Sätze eines Formulars mit Ja ankreuzen – darunter | |
| Aussagen wie: „Ich habe Putin nicht gewählt, er ist ein Diktator“ oder „… | |
| verurteile den russischen Angriff auf die Ukraine“. In einer Erklärung der | |
| Bar für dieses Vorgehen heißt es: „Wir müssen einfach sicherstellen, dass | |
| gehirngewaschene russische Imperialisten nicht bei uns aufschlagen.“ | |
| Dieses „Visa-Regime“ der besonderen Art rief die rechtsradikale russische | |
| Gruppe „männlicher Staat“ auf den Plan. Sie ist bekannt für rassistische | |
| Hassposts sowie Hetztiraden gegen Frauen, LGBTQ sowie binationale Ehen in | |
| verschiedenen sozialen Medien. | |
| Der Gründer der Gruppe, Wladislaw Posdnjakow, der sich nicht in Russland | |
| aufhält, fühlte sich bemüßigt, ebenfalls etwas zum „Fall“ Deda Ena | |
| beizutragen. Man warte auf härtere politische Zeiten in Georgien und werde | |
| dann zeigen, wie mögliche Versuche einer Destabilisierung dort künftig | |
| aussehen könnten. „Jetzt ist es Zeit für eine Entnazifizierung Georgiens“, | |
| schrieb er auf Telegram. | |
| KO-Chef Kobachidze hatte nichts Besseres zu tun, als die georgische | |
| Opposition anzugreifen. Diese [4][antirussische Stimmung], das sei | |
| Xenophobie und die eigentliche Bedrohung für Georgien, sagte er. Für den | |
| georgischen Journalisten Sandro Gvindadze passt das ins Bild. Der Angriff | |
| des „männlichen Staats“ auf die Bar Deda Ena sei ein Versuch, Öl ins Feuer | |
| zu gießen“, sagt er. „Die Destabilisierung der Gesellschaft ist eine der | |
| bevorzugten hybriden Waffen des Kreml.“ | |
| 10 Aug 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Barbara Oertel | |
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