# taz.de -- Kriminalität in Südafrika: Der tägliche Horror | |
> In Südafrika steigt die Zahl von Morden und Vergewaltigungen ins | |
> Unermessliche. Sogar Präsident Ramaphosa gerät ins Zwielicht. | |
Bild: Hat die Kriminalität in Südafrika nicht im Griff: Präsident Cyril Rama… | |
JOHANNESBURG taz | Einen Tag nach neuen Statistiken, wonach Südafrika die | |
höchsten Mordraten der Welt aufweist, fand eine Präsidentenberaterin eine | |
Gewehrpatrone in ihrem Briefkasten. | |
Phindile Baleni, Generaldirektorin des Präsidentenamtes, erhielt die Kugel | |
zusammen mit einem Drohbrief. Sie solle [1][Südafrikas Präsident Cyril | |
Ramaphosa] dazu bringen, die laufenden Untersuchungen über staatliche | |
Korruption unter seinem [2][Vorgänger Jacob Zuma], genannt „State Capture“, | |
einzustellen, hieß es unmissverständlich: „Wir wissen, wo Sie entlangfahren | |
[…] Wir haben keine Angst vor den Soldaten, die Sie eskortieren.“ | |
Damit verstärkte sich das Gefühl von Straflosigkeit in einem Land mit einer | |
gigantisch steigenden Kriminalität. Den neuen offiziellen Zahlen zufolge | |
verzeichnete Südafrika im ersten Quartal 2022 6.083 Morde, also 67 pro Tag | |
– über ein Fünftel mehr als im Vorjahreszeitraum. 306 der Opfer waren | |
Kinder, teils getötet von ihren Eltern. | |
Zu den Horrorgeschichten zählt die der Sechsjährigen, deren Leiche mit | |
herausgerissener Gebärmutter gefunden wurde; des Zweijährigen, den ein | |
52-jähriger Mann vergewaltigte; der Dreijährigen, die von ihrer Mutter mit | |
einem Nudelholz totgeschlagen wurde. | |
## Armut, Ungleichheit und Arbeitslosigkeit | |
Ebenfalls im ersten Quartal 2022 wurden in Südafrika 10.818 | |
Vergewaltigungen vermeldet, oder 153 pro Tag. Nie war die [3][Brutalität | |
vor allem gegenüber Frauen und Kindern] in Südafrika so hoch wie heute. | |
Morde an Frauen haben gegenüber 2021 um 70,5 Prozent zugenommen, an Kindern | |
um 37,2 Prozent. Meist sind Familienstreits, selbsternannte Wachdienste, | |
Racheakte und Raub die Gründe. Getötet wird auf Brachflächen, in Hütten, an | |
Bars und Bushaltestellen. | |
Maite Nkoana-Mashabane, Ministerin für Frauen, Jugend und Behinderte, nennt | |
die Zahlen die Spitze des Eisbergs. Noch viel mehr Menschen würden | |
unbemerkt leiden. „Wir sind mit einer Schattenpandemie von Gewalt gegen | |
Frauen und Kinder konfrontiert“, sagt sie. | |
Polizeiminister Bheki Cele sprach von einer dreifachen Herausforderung: | |
[4][Armut, Ungleichheit und Arbeitslosigkeit] – drei Faktoren, die | |
kriminelle Bandenbildung favorisierten. Die Polizei habe | |
Verbrechersyndikate zerschlagen können, die Geiselnahme, Erpressung, | |
Bargeldraub und Drogenschmuggel praktizieren, aber „leider haben diese | |
Aktionen nicht zu den erwarteten Ergebnissen geführt“. | |
Die größte Oppositionspartei DA (Democratic Alliance) spricht von „90 Tagen | |
Blutbad“. Präsident Ramaphosa berief einen Parteiengipfel ein, um über die | |
Stabilität Südafrikas zu diskutieren. | |
## Ramaphosa unter Verdacht | |
Doch der Präsident steht selbst im Zwielicht, und wie so oft in der | |
Regierungszeit des ANC (African National Congress) in Südafrika holt ihn | |
ein Skandal ein, der ihn das Amt kosten kann. | |
Enthüllungen zufolge wurden im Februar 2020 rund vier Millionen US-Dollar | |
in bar aus Ramaphosas Farm Phala Phala in der Provinz Limpopo gestohlen – | |
Einnahmen aus dem Jagdgeschäft, die angeblich unter Matratzen aufbewahrt | |
wurden. Öffentlich wurde das erst, als der ehemalige Geheimdienstchef | |
Arthur Fraser Ermittlungen gegen den Präsidenten wegen Geldwäsche, | |
Entführung und Behinderung der Justiz einleitete. | |
Zuvor waren Verdächtige des Geldraubs gekidnappt und gefoltert worden. Sie | |
waren in Namibia festgenommen worden – angeblich auf Befehl des dortigen | |
Präsidenten Hage Geingob nach einer Bitte Ramaphosas. Nun muss der | |
Präsident vor der Ethikkommission des ANC erscheinen. Der Skandal führt | |
auch zu Forderungen, Ramaphosa solle sein Amt niederlegen. | |
Die Affäre hat mit dem alten Machtkampf zwischen Ramaphosa und [5][Zuma] zu | |
tun. Exgeheimdienstchef Fraser hatte 2021 die Freilassung von Jacob Zuma | |
verfügt, als dieser wegen Missachtung der Justiz in Gewahrsam gekommen war, | |
weil er die staatliche State-Capture-Kommission boykottierte. Frasers | |
Vertrag wurde daraufhin nicht verlängert. Nun nimmt er Rache an Ramaphosa. | |
Und Südafrika insgesamt gerät immer stärker ins Zwielicht. | |
9 Jun 2022 | |
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## AUTOREN | |
Savious Kwinika | |
Mthulisi Sibanda | |
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