# taz.de -- Korruptionsprozess in Argentinien: Sechs Jahre Haft für Kirchner | |
> Ein Gericht in Buenos Aires verurteilt Vizepräsidentin Cristina Kirchner | |
> wegen Korruption und Amtsmissbrauch. Ins Gefängnis muss sie allerdings | |
> nicht. | |
Bild: Sehen politische Justiz am Werk: Anhänger*innen von Argentiniens Vizepr�… | |
BUENOS AIRES taz | Argentiniens Vizepräsidentin Cristina Kirchner ist am | |
Dienstag zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt worden. Ein | |
Bundesgericht in Buenos Aires sah als erwiesen an, dass sich Kirchner der | |
Korruption und des Amtsmissbrauchs schuldig gemacht hat. Zudem verhängten | |
die drei Richter ein lebenslanges Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter. | |
Da Kirchner als Vizepräsidentin Immunität besitzt, muss sie nicht ins | |
Gefängnis. | |
Mit ihrem Urteil blieben die Bundesrichter unter dem von der | |
Staatsanwaltschaft geforderten Strafmaß von 12 Jahren. Die | |
Staatsanwaltschaft hatte Cristina Kirchner die Bildung einer | |
[1][kriminellen Vereinigung] vorgeworfen, deren Chefin sie gewesen sei. | |
Dieser Anklagepunkt war von den Richtern mehrheitlich verworfen worden. | |
Acht der 12 Mitangeklagten wurden zu Haftstrafen zwischen vier und sechs | |
Jahren verurteilt. Vier wurden freigesprochen. | |
In dem öffentlichen Verfahren ging es um 51 Straßenbauprojekte in der | |
Provinz Santa Cruz, deren Aufträge vor allem die Baufirma Austral | |
Construciones des Unternehmers [2][Lázaro Báez] in den Jahren 2003 bis 2015 | |
von den damaligen Kirchner-Regierungen erhalten hatte. Dabei handelte sich | |
um eine Summe von umgerechnet knapp einer Milliarde Euro. Báez erhielt eine | |
sechsjährige Haftstrafe. | |
Nach Auffassung des Gerichts „lag ein außerordentliches betrügerisches | |
Manöver vor, das die Vermögensinteressen der nationalen öffentlichen | |
Verwaltung strafrechtlich schädigte“. Vizepräsidentin Cristina Kirchner | |
habe „ein offensichtliches Interesse an dem kriminellen Plan“ gehabt, | |
erklärten die Richter. Die Urteilsbegründung wird im kommenden März | |
verlesen. | |
## „Heute wurde eine Unschuldige verurteilt“ | |
Cristina Kirchner hatte der Urteilsverkündung von ihrem Senatsbüro im | |
Kongressgebäude zugeschaut. Anschließend meldete sie sich über ihren Kanal | |
in der sozialen Medien zu Wort, wies abermals jegliche Schuld von sich und | |
griff die Justiz an. „Dieses Urteil hat seinen Ursprung im Parallelstaat | |
einer mafiösen Justiz.“ Überraschend kündigte sie an, nach dem Ende ihrer | |
Amtszeit für keinerlei weitere Ämter mehr kandidieren zu wollen. „Am 10. | |
Dezember 2023 werde ich ohne Immunität nach Hause gehen, und wenn sie mich | |
einsperren wollen, dann sollen sie es tun“, so Kirchner. | |
„Heute wurde in Argentinien eine unschuldige Person verurteilt“, | |
[3][twitterte Präsident Alberto Fernández]. „Jemand, den die Machthaber | |
über die Medien zu stigmatisieren versuchten und durch selbstgefällige | |
Richter verfolgten, die an Wochenenden in Privatflugzeugen und Luxusvillen | |
herumfahren.“ Der Präsident spielte damit auf einen gerade bekannt | |
gewordenen Justizskandal an, in den Richter, Staatsanwälte und Journalisten | |
verwickelt sind und dessen Ausmaß und Konsequenzen noch nicht abzusehen | |
sind. | |
Das Urteil wird erst rechtskräftig, wenn alle gerichtlichen Instanzen | |
durchlaufen sind und die Schuld der Angeklagten in letzter Instanz von | |
Obersten Gerichtshof bestätigt wird. Erwartet wird, dass die Verteidigung | |
diesen Weg einschlagen wird, der sich über mehrere Jahre hinziehen kann. | |
Sollte das Urteil am Ende tatsächlich bestätigt werden, muss Cristina | |
Kirchner dennoch nicht ins Gefängnis. Am 19. Februar wird sie 70 Jahre alt | |
und könnte aus Altersgründen nur unter Hausarrest gestellt werden. | |
Bereits am frühen Nachmittag waren Kirchner-Anhänger*innen durch die | |
Innenstadt vor das Gerichtsgebäude gezogen. Unter ihnen war auch Kirchners | |
ehemaliger Vizepräsident Amado Boudou. Boudou war 2018 wegen | |
Vorteilsgewährung im Amt zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt | |
worden. Außer Protestrufen und einem zwischenzeitlichen Rütteln am | |
Absperrgitter blieb es friedlich. Am Abend versammelten sich rund 2.000 | |
Sympathisanten vor dem Kongressgebäude, überrascht von dem angekündigten | |
Verzicht auf jegliche zukünftige Kandidatur. | |
7 Dec 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Korruptionsprozess-in-Argentinien/!5876024 | |
[2] /Korruption-in-Argentinien/!5750653 | |
[3] https://twitter.com/alferdez/status/1600275973068722176?cxt=HHwWgMDU1ZqhqbU… | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
## TAGS | |
Argentinien | |
Cristina Kirchner | |
Schwerpunkt Korruption | |
Justiz | |
Argentinien | |
Schwerpunkt Korruption | |
Argentinien | |
Cristina Kirchner | |
Cristina Kirchner | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Korruption und Justiz in Argentinien: 1.600 Seiten gegen Kirchner | |
Ausführlich begründet ein Gericht die Verurteilung von Argentiniens | |
Vizepräsidentin zu sechs Jahren Haft. Die Regierung hält das für rein | |
politisch. | |
Nach Festnahmen wegen Korruptionsverdacht: Reformen im EU-Parlament gefordert | |
Nachdem die Vorwürfe gegen Vizeparlamentspräsidentin Eva Kaili bekannt | |
geworden sind, wird der Ruf nach besseren Kontrollmechanismen in Brüssel | |
lauter. | |
Attentat auf Cristina Kirchner: „Der Hass bleibt draußen“ | |
In Argentiniens gehen regierungsnahe Menschen für Cristina Kirchner auf die | |
Straße. Oppositionelle sind kaum unter den Demonstrierenden zu finden. | |
Anschlag auf Argentiniens Vizepräsidentin: „Ein Attentat gegen den Frieden“ | |
Cristina Kirchner entgeht knapp einem Angriff. Für die Ex-Präsidentin und | |
jetzige Vize fordert die Staatsanwaltschaft wegen Korruption 12 Jahre Haft. | |
Korruptionsprozess in Argentinien: Druck auf Cristina Kirchner steigt | |
Argentiniens Vize soll ihr Amt unter anderem für eine von ihr geführte | |
kriminelle Vereinigung missbraucht haben. Deren Anhängerschaft ist | |
alarmiert. |