Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Korruption in Tschechien: Geburtstagsgruß für Andrej Babiš
> Gegen den Ministerpräsidenten wird wird nun doch keine Anklage erhoben.
> Er soll für seine Residenz „Storchennest“ EU-Millionen erschlichen haben.
Bild: Doch keine Anklage wegen Erschleichung von EU-Geldern: Tschechiens Premie…
Prag taz | Tschechiens [1][Ministerpräsident Andrej Babiš] erreicht mit
seinem heutigen 65. Geburtstag das offizielle Rentenalter. Sollten sich die
Meldung bestätigen, die seit dem frühen Vormittag die tschechischen Medien
beschäftigen, dürfte er sich wie neu geboren fühlen: Staatsanwalt Jaroslav
Saroch hat nach vierjährigen Ermittlungen beschlossen, keine Anklage im
Fall Storchennest zu erheben.
Möglich, dass der tschechische Staat sich einfach nicht dazu verpflichten
will, einen slowakischen Rentner samt Familie bis zu zehn Jahren
durchzufüttern. So hoch ist zumindest das Strafmaß, das Andrej Babiš,
seiner Frau Monika, deren Bruder sowie Babišs Kindern aus erster Ehe
drohte, wäre es zu einer Anklage und Verurteilung gekommen.
Denn beim [2][Bau des Storchennests] – einer Mischung aus Oligarchendatscha
für geladene Gäste und Freizeitpark-cum-Streichelzoo fürs zahlende Volk –
soll sich Babiš mittels buchhalterischer Schiebereien und familieneigener
Strohmänner EU-Subventionen von knapp zwei Millionen Euro erschlichen
haben.
Erhärtet wird dieser Verdacht von der EU Anti-Korruptionsbehörde OLAF, die
die Betrugsthese durch ihre eigenen Ermittlungen bestätigt sieht. Schon zu
Jahresbeginn 2018 vermerkte ein OLAF-Bericht, dass im Fall Storchennest
gelogen und verheimlicht wurde, um zu betrügen und den finanziellen
Interessen der Europäischen Union zu schädigen. „Diese Taten können von den
nationalen Justizbehörden als Verstoß gegen die Paragraphen 212 und 260 des
tschechischen Strafrechts geahndet werden“, empfahl OLAF schon damals.
## Schlimmste Befürchtungen werden wahr
Die Entscheidung von Staatsanwalt Šaroch, das Verfahren einzustellen,
bedeutet für viele jetzt die Erfüllung der schlimmsten Befürchtungen:
Politik.Macht.Justiz. Seit Jahren weisen Babišs Kritiker, wie die
Journalisten Sabina Slonková oder Pavel Šafr auf Anzeichen hin, die offen
legen, wie stark der Einfluss des Ministerpräsidenten in den
Strafverfolgungsbehörden ist.
Der fadenscheinige Rücktritt des Justizministers und die unerwartete
berufung von Politdinosaurier Marie Benešová auf diesen Posten im Frühjahr,
führten zu wochenlangen Protesten in ganz Tschechien, die in einem
Massenhappening mit 250 000 Teilnehmern im Letná-Park im Juni einen
bisherigen Höhepunkt fanden.
Marie Benešová ist ein Urgestein der tschechischen Sozialdemokratie und
Verbündete von Präsident Miloš Zeman. Der stand schon 1999 hinter ihrer
Karriere von einer Provinz- zur Generalstaatsanwältin.
Aus dem seitdem engen Kreis um Zeman trat sie 2013 zum ersten Mal wieder
hervor, nachdem die letzte Prä-Babiš Regierung ein vorzeitiges Ende
gefunden hatte. Seine Funktion als Präsident erlaubte Zeman es damals, die
treue Gefährtin in die Interimsregierung zu drücken, die damals das halbe
Jahr zu den Wahlen im Oktober 2013 überbrückte.
## Auf dem ANO-Ticket
Heute sitzt Benešová als Herrin über die tschechische Justiz auf einem
Ticket der Babiš-Bewegung ANO. Dass sie weiterhin zum engen Kreis und dem
Machtgefüge von Milo Zeman gehört, bezweifelt in Tschechien keiner.
Klar könne man Prozesse politisch manipulieren, hat Benešová mal gesagt und
ist damit berühmt-berüchtigt geworden. Dann könne man Prozesse ja auch
verhindern, munkeln jetzt die Kommentare in sozialen Netzwerken wie in den
Medien.
Staatsanwalt Šaroch hat sich bislang allerdings noch nicht in der Sache
geäußert und die Kommentatoren weder bestätigt noch widerlegt. Dennoch
schlagen die Wellen hoch. Er müsse seine unerwartete Entscheidung in aller
Öffentlichkeit darlegen und zwar so, dass auch Laien sie nachvollziehen
können, fordert die Union der Staatsanwälte, eine professionelle
Assoziation, indes schon in einer Erklärung.
2 Sep 2019
## LINKS
[1] /Nach-Protesten-und-Korruptionsvorwurf/!5607379
[2] /Eugen-Kukla-ueber-Proteste-in-Tschechien/!5604963
## AUTOREN
Alexandra Mostyn
## TAGS
Schwerpunkt Korruption
Tschechien
Andrej Babis
EU-Hilfen
Andrej Babis
Tschechien
Tschechien
Tschechien
Prag
Andrej Babis
Andrej Babis
Andrej Babis
Tschechien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Wahl in Tschechien: Noch lange nicht weg
Der amtierende Regierungschef Andrej Babiš verliert die Wahl zum
Abgeordnetenhaus. Trotzdem könnte er am Ende wieder Ministerpräsident
werden.
Corona in Tschechien: Kuscheln statt Abstand
Durchschnittlich 8.000 neue Fälle täglich: In Tschechien explodieren die
Infektionszahlen. Gegenmaßnahmen werden weitgehend ignoriert.
250.000 Menschen auf den Strassen: Demos gegen Andrej Babiš
Babiš halte sich nicht an die Spielregeln der Demokratie, so die
Demonstranten. Ob der die wachsende Front seiner Gegner ernst nimmt, bleibt
offen.
Regierungsproteste zum '89-Jahrestag: Tschechien in Revolutionslaune
Während sich Tschechien auf den Jahrestag der Samtrevolution vorbereitet,
mischt ein 26-Jähriger das Land auf. Er fordert die Regierung heraus.
Kommentar Massenproteste in Tschechien: Babiš ist nur ein Symptom
250.000 Menschen demonstrieren in Prag gegen den tschechischen
Ministerpräsidenten. Er symbolisiert, was im Postkommunismus falsch
gelaufen ist.
Eugen Kukla über Proteste in Tschechien: „Training für die Zivilgesellschaf…
Der Reporter Eugen „Evžen“ Kukla spricht über die andauernden Proteste
gegen Tschechiens Regierungschef Andrej Babiš.
Proteste in Tschechien: Her mit dem Kopf von Andrej Babiš!
Über 100.000 TschechInnen fordern den Rücktritt des Regierungschefs. Der
Oligarch, der sich an EU-Mitteln bereicherte, unterminiere die Demokratie.
Proteste in Tschechien: Frustrierte, vereinigt euch!
Zehntausende gehen gegen Premier Babiš auf die Straße. Die Unzufriedenheit
mit dem Mann, der zwei Millionen Euro EU-Gelder abgezweigt hat, wächst.
Kommentar Tschechiens Parlamentswahl: Sieg des Phänomens Babiš
Andrej Babiš ist Oligarch, arbeitete für die tschechoslowakische Stasi und
steht unter Betrugsverdacht. Gute PR machte ihn wählbar.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.