# taz.de -- Kommunalwahlen in Bayern: Die Amtsstuben werden gelüftet | |
> Die Wahlen am 15. März dürften Bayern kräftig durchrütteln. Viele neue | |
> Bürgermeister wird es geben, Überraschungen sind garantiert. | |
Bild: Dank Corona wurde ein großer Teil des Wahlkampfs eingestellt: Plakate in… | |
MÜNCHEN taz | Es ist die erste Wahl in Deutschland, die unter dem Eindruck | |
der [1][Coronakrise] stattfindet: Am Sonntag wählen die Bayern Stadt- und | |
Gemeinderäte sowie die meisten Bürgermeister und Landräte neu. Inwieweit | |
das Virus jedoch die Wahl beeinflussen könnte, ist unklar. Eine | |
Verschiebung der Wahlen jedenfalls steht nicht zur Debatte, die | |
Staatsregierung empfiehlt besorgten Wählern, per Brief zu wählen. | |
Auswirkungen auf die Wahlbeteiligung sind jedoch nicht auszuschließen. | |
Außerdem fand der Wahlkampf mitten im Endspurt ein jähes Ende. | |
Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmern sind im Freistaat seit | |
Mittwoch verboten, die meisten Parteien haben aber ohnehin den Großteil | |
ihrer Veranstaltungen eingestellt und den Haustürwahlkampf abgeblasen. | |
Plakate, hier und da ein Infostand und Videobotschaften im Internet – | |
darauf ist der Wahlkampf jetzt geschrumpft. Doch auch ohne das Coronavirus | |
werden diese Kommunalwahlen wohl besonders spannend. | |
Das zeigt etwa ein Blick nach Nürnberg, Augsburg, Rosenheim, Burghausen, | |
Lindau, Neu-Ulm, Miesbach, Coburg oder auch Altötting. Eines haben all | |
diese bayerischen Städte gemein: Sie werden – so viel kann man sagen, ohne | |
den Ergebnissen vorzugreifen – in Bälde ein neues Stadtoberhaupt bekommen. | |
In mehr als der Hälfte der knapp 2.000 Kommunen, in denen Rathauschefin | |
oder -chef neu gewählt werden, treten die Amtsinhaber laut Gemeindetag | |
nicht mehr an. | |
## Die Karten werden neu gemischt | |
Dass ein scheidender Bürgermeister den Staffelstab an den Kandidaten seiner | |
Partei weitergibt, ist kein Selbstläufer. Die Kommunalwahlen sind in | |
besonderem Maße Persönlichkeitswahlen, der Amtsbonus wiegt hier besonders | |
stark. Die Karten werden daher völlig neu gemischt. Vielerorts streiten | |
sich auch die Vertreter von drei oder mehr Parteien um den kommunalen | |
Kuchen. Sehr viele Entscheidungen, wer denn nun künftig an der Spitze einer | |
Stadt oder Gemeinde steht, dürften daher erst bei einer Stichwahl am 29. | |
März fallen. | |
Teilweise verschwinden auch Urgesteine aus der Politik. Beispiel Nürnberg: | |
18 Jahre lang regierte der SPD-Mann Ulrich Maly die Frankenmetropole – | |
unangefochten. Sogar Ministerpräsident Markus Söder, der zwar Nürnberger, | |
aber aller sozialdemokratischen Schwärmereien unverdächtig ist, nannte Maly | |
einmal eine „Lichtgestalt der SPD in Bayern“. Zuletzt wurde er 2014 mit 67 | |
Prozent der Stimmen gewählt. | |
Wäre Maly noch mal angetreten, Gegenkandidaten hätten sich allenfalls pro | |
forma aufstellen lassen. Doch seitdem er sich gegen eine neuerliche | |
Kandidatur entschied, ist nun alles offen: SPD und CSU schicken zwei junge | |
und noch recht wenig erfahrene Kommunalpolitiker ins Rennen, Thorsten Brehm | |
und Marcus König, die Grünen die Landtagsabgeordnete Verena Osgyan. | |
Ähnlich der Fall in Augsburg. Hier war es ein CSU-Politiker, der | |
überraschend seinen Rückzug ankündigte: Kurt Gribl, Oberbürgermeister und | |
Vorsitzender des Bayerischen Städtetags. Ihm könnten seine Stellvertreterin | |
Eva Weber, ebenfalls CSU, der Sozialdemokrat Dirk Wurm oder die Grüne | |
Martina Wild nachfolgen. Alle arbeiten sie schon bisher in der | |
schwarz-rot-grünen Koalition der schwäbischen 300.000-Einwohner-Stadt mit. | |
## Auch Exoten sind unter den Kandidaten | |
Die größten Hoffnungen machen sich in den größeren Städten generell die | |
Kandidaten von CSU, SPD und neuerdings den Grünen. Je kleiner die Stadt, je | |
ländlicher die Gemeinde, desto weniger spielen die Sozialdemokraten noch | |
eine Rolle. Hier sind neben der CSU die Freien Wähler sehr stark, und auch | |
die Grünen machen sich Hoffnung auf den einen oder anderen Chefsessel auf | |
dem Land. | |
Daneben gibt es aussichtsreiche Kandidaten von lokalen Bündnissen. Oder | |
Exoten: In Würzburg beispielsweise regiert Bayerns einziger | |
CDU-Oberbürgermeister, ein Import aus Hessen, in Landshut ein FDP-Politiker | |
mit österreichischem Migrationshintergrund. | |
In München, der Landeshauptstadt, tritt der amtierende | |
SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter erneut an, muss aber damit rechnen, wie | |
schon vor sechs Jahren wieder in die Stichwahl zu müssen. Während sich 2014 | |
allerdings die Wahl zwischen Reiter und seinem CSU-Mitbewerber entschied, | |
ist es diesmal gut möglich, dass er in der Stichwahl gegen Katrin | |
Habenschaden von den Grünen antreten muss. | |
Selbst Söder scheint die CSU-Kandidatin für die Landeshauptstadt schon fast | |
abgeschrieben zu haben. Bei einem Wahlkampftermin prophezeite er der | |
38-jährigen Kristina Frank eine große Zukunft – „vielleicht jetzt als | |
Oberbürgermeisterin, das entscheiden die Wählerinnen und Wähler, aber wer | |
weiß, wo sonst noch“. Genau das, was man in der Endspurtphase hören will. | |
## 40.000 Sitze zu vergeben | |
Neben den Stadt- und Gemeindeoberhäuptern werden aber auch die meisten | |
Landräte neu gewählt und die Stadt- und Gemeinderäte sowie die Kreistage | |
neu besetzt – insgesamt sind rund 40.000 Sitze zu vergeben. Neben den auch | |
im Landtag vertretenen Parteien können sich hier auch viele Klein- und | |
Kleinstparteien Hoffnungen machen. Eine Fünf-Prozent-Hürde gibt es nicht. | |
Auch wenn natürlich lokale Befindlichkeiten die größte Rolle spielen bei | |
dieser Wahl, können sich die Parteien vor Ort nicht ganz von ihrem landes- | |
oder gar bundesweiten Erscheinungsbild entkoppeln. So fällt etwa das | |
Ergebnis der CSU natürlich teilweise auch auf Söder zurück, der vor einem | |
Jahr deren Vorsitz übernommen hat. | |
Söder ist denn auch sichtlich bemüht, die Messlatte möglichst tief zu | |
hängen. „Wir werden natürlich ein anderes Ergebnis bekommen als vor sechs | |
Jahren“, kündigt er an – als sei das das Selbstverständlichste der Welt. | |
Dabei war die CSU damals schon mit landesweit unter 40 Prozent auf ein | |
historisches Tief gerutscht. | |
„Großstädte sind heute die schwierigste Herausforderung“, sagt Söder. Und | |
der Hauptgegner seien dort [2][die Grünen]. Eine Einschätzung, mit der | |
Bayerns Ministerpräsident nicht allein dasteht. Gerade in größeren Städten | |
sind deutliche Verschiebungen in der Parteienlandschaft recht | |
wahrscheinlich. So sagen alle Umfragen voraus, dass die Grünen insgesamt | |
deutlich zulegen werden. Die CSU dürfte Federn lassen. | |
Wenn man zum Vergleich auf die bayerische SPD blickt, erscheinen die Sorgen | |
der Christsozialen freilich plötzlich recht klein. Deren Ergebnisse waren | |
bei den letzten Wahlen – ganz im Bundestrend – katastrophal. Die | |
Landtagsfraktion wurde 2018 auf einen Schlag halbiert. Können die | |
Sozialdemokraten die Talfahrt jetzt nicht bremsen, dürften sie – mit | |
einzelnen lokalen Ausnahmen – bald in der politischen Versenkung | |
verschwunden sein. | |
14 Mar 2020 | |
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## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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