# taz.de -- Kommunalpolitiker über rechte Hetze: „Viele geben auf“ | |
> Weil er rechte Anfeindungen nicht mehr ertragen konnte, ist Arnd Focke | |
> als Bürgermeister zurückgetreten. Er denkt, dass er kein Einzelfall ist. | |
Bild: Arnd Focke, zurückgetretener Bürgermeister der Gemeinde Estorf | |
taz: Herr Focke, weil Sie sich für Geflüchtete und gegen Rechts engagieren, | |
wurden Sie angefeindet. Nun sind Sie [1][als ehrenamtlicher Bürgermeister | |
der niedersächsischen Gemeinde Estorf zurückgetreten]. Wann haben die | |
Angriffe gegen Sie begonnen? | |
Arnd Focke: Erstmals während der sogenannten „Flüchtlingskrise“. Natürli… | |
hatte auch unsere Gemeinde Familien aufgenommen und auch bei uns haben sich | |
motivierte Junge Leute gefunden, die sich ehrenamtlich engagiert haben. | |
Allerdings gab es auch die andere Seite, Aufkleber mit „Nazizone“ oder | |
Hakenkreuze. Das haben wir zur Anzeige gebracht und uns klar positioniert. | |
Auch auf Facebook.Weiter ging es dann 2018, als sich die AFD am 20. April, | |
also an Hitlers Geburtsdatum, bei uns im Dorfgemeinschaftshaus zu einer | |
„Informationsveranstaltung“ eingemietet hat. Das ist demokratisch legitim, | |
aber eigentlich eine reine Provokation, der wir mit einer Demonstration und | |
ebenfalls klaren Statements begegnet sind. | |
Gab es darauf dann rechte Reaktionen? | |
Ja, erste nächtliche, anonyme Anrufe und die üblichen Kommentare bei | |
Facebook. Damit konnte ich noch umgehen. Vor Weihnachten 2019 hat sich die | |
Situation dann zugespitzt. Es gab Zettel mit „Geh zu Deinen Ziegenfickern“ | |
oder noch schlimmer: „Wir vergasen Dich mit der Antifa“ im Briefkasten. Und | |
einige Nächte Hakenkreuze auf der Heckscheibe meines PKW. | |
Was hat für Sie nun den Ausschlag gegeben zurückzutreten? | |
Die Zuspitzung um Weihnachten hat meine persönliche Grenze des Erträglichen | |
überschritten und ich habe nach ein, zwei schlaflosen Nächten die | |
Entscheidung getroffen. Zum Schutze meines Sohnes, aber auch des Amtes. | |
Denn bei den Anfeindungen geht es um meine Person und meine klare Haltung | |
gegen Rechts. | |
Wie geht es Ihnen nach dem Rücktritt? | |
Ich bin mit der Entscheidung zufrieden, bedauere es für meine Gemeinde, es | |
war aber alternativlos. | |
In Ihrer Rücktrittsrede sagten Sie, dass rechte Hetze demokratische | |
Strukturen zu Fall bringen wolle. Was meinten Sie damit? | |
Ich glaube, nicht jeder Kommunalpolitiker, der angibt wegen „beruflicher | |
Belastung“ oder „gesundheitlichen Gründen“ zurückzutreten auch wirklich | |
deshalb zurücktritt. Ich denke, dass viele unter Druck von Rechts oder | |
wegen anderen Anfeindungen aufgegeben haben. | |
Wollen Sie sich weiter zivilgesellschaftlich engagieren? | |
Ich bleibe klar positioniert und weiche nicht zurück. Ich gehe eher noch in | |
die Offensive. Und ich sehe nicht nur die Politik oder den Staatsschutz in | |
der Verantwortung. Es fängt in unserer Mitte an: Wenn wir zu Hass nicht | |
klar „Nein“ sagen, kann auch die Gesetzgebung nichts bewirken. | |
Und wie geht es für Sie beruflich weiter? | |
Eine Rückkehr in die Kommunalpolitik ist ausgeschlossen. Da ich ohne ein | |
Ehrenamt nicht kann, werde ich nach einer Pause entscheiden, wie ich mich | |
einbringen kann. Ich kann mir vorstellen, mit jungen Menschen zu arbeiten, | |
um Dinge wie Wertschätzung, Haltung, Toleranz und Respekt zu vermitteln. | |
12 Jan 2020 | |
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## AUTOREN | |
Laura Mench | |
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