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# taz.de -- Kommentar Mobilitätswende: Konzepte statt Verbote
> Die Mobilitätswende in Deutschland braucht eine kommunale
> Gesamtstrategie. Es gibt aber nur unkoordinierte Einzelmaßnahmen.
Bild: Verkehrsaufkommen auf der Berliner Friedrichstraße
Das steigende Verkehrsaufkommen in urbanen Räumen und die damit verbundenen
negativen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt erfordern ein Umdenken – und
einen Umbau des Verkehrssektors: Die Energiewende muss durch eine
Mobilitätswende ergänzt werden. Seit einiger Zeit werden Diskussionen
geführt, mit welchen Maßnahmen dieser Herausforderung begegnet werden kann.
Aber nicht alle diskutierten Schritte sind zielführend.
In erster Linie braucht es einen strategischen Überbau anstatt
unkoordinierter Einzelmaßnahmen. Auch die jüngst debattierte Idee eines
kostenlosen ÖPNV ist eher politisch motiviert, denn sie lässt sich [1][nach
seriösen Berechnungen kaum finanzieren.] Neben dem Vorschlag, mittels eines
kostenlosen Nahverkehrs das Verkehrsaufkommen und somit auch
Schadstoffbelastungen zu reduzieren, rückten in letzter Zeit Optionen wie
Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in Städten oder die Einführung von
Maut-Systemen in den Fokus. Es ist äußerst fraglich, ob derartige Maßnahmen
einen geeigneten Weg darstellen, einen Wandel im Mobilitätsverhalten zu
erreichen.
Die wohl ihre beabsichtigte Wirkung am ehesten treffende Maßnahme ist die
Einführung von Maut-Systemen, sei es in Form einer City-Maut oder in einem
größeren räumlichen Kontext einer Regionalmaut. Ansatzpunkt ist dabei die
Verteuerung des Verkehrs mit Privatfahrzeugen, besonders für solche mit
Verbrennungsmotoren. Berechnungen zeigen, dass je nach Stadtstrukturtyp und
Mautmodell eine Reduktion des Verkehrsaufkommens um 16 bis 36 Prozent
möglich ist. Allerdings ist die City-Maut nicht für alle Städte geeignet
und erfordert begleitende Maßnahmen, insbesondere bezogen auf den
innerstädtischen Handel.
Außerdem müsste man auf mögliche negative strukturelle Entwicklungen für
die Region achten, insbesondere zum Thema Raumstrukturen (Veränderung von
Stadt-Umland-Verflechtungen, Standortwettbewerb der Kommunen, Verlagerung
von Verkehrsaufkommen). Auch müssen für die nach wie vor bestehenden
Mobilitätsbedürfnisse der Bewohner entsprechende Alternativen geschaffen
werden, damit durch die City-Maut nicht nur eine Minderung des
Verkehrsaufkommens erreicht wird, sondern außerdem mögliche negative
Auswirkungen auf andere städtische Strukturen vermieden werden.
## Fahrverbote nicht zukunftsweisend
Mit Fahrverboten dagegen lassen sich die Ziele aus zwei Gründen besonders
schwer umsetzen: Einerseits soll ein entsprechendes Fahrverbot eine
zeitlich und räumlich begrenzte Maßnahme darstellen, bei der es weniger um
die Neukonzeption des städtischen Verkehrssystems geht als um eine
bestimmte Situation, in der Emissionsgrenzwertüberschreitungen reduziert
werden sollen. Hier wären entsprechende Ausnahmen erforderlich,
beispielsweise für Rettungsfahrzeuge und andere kommunale Dienste sowie
lokale Gewerbetreibende.
Andererseits herrscht Uneinigkeit, wie diese Fahrverbote dann praktisch
durchgesetzt und ihre Einhaltung kontrolliert werden soll. Das
Bundesverkehrsministerium will mobile Geräte zur Erkennung und zum Abgleich
mit der Datenbank des Kraftfahrt-Bundesamts einsetzen. Der Deutsche
Städtetag plädiert für die Einführung einer blauen Plakette für saubere
Motoren.
Einen anderen Ansatz bilden allerdings Mobilitätskonzepte, die auch neue
Mobilitätsformen integrieren und entsprechende Informationsplattformen
schaffen. Dabei wird Mobilität als ein Querschnittsthema verstanden, das
verschiedene Bereiche mit einbezieht. Diese reichen von der Stadtplanung
bis hin zu verkehrsrechtlichen und steuerlichen Maßnahmen und erfordern die
Zusammenarbeit verschiedener Verwaltungsebenen. Hier sind neue
gesellschaftliche Entwicklungstrends zu berücksichtigen, die auch für
entsprechende Verkehrskonzepte genutzt werden können. Gemeint ist vor allem
der zunehmende Trend des Benutzens statt Besitzens, der besonders für
Sharing-Modelle spricht.
## Extreme Maßnahmen fehl am Platz
Ziel ist eine deutliche und dauerhafte Veränderung der Verteilung des
Transportaufkommens auf verschiedene Verkehrsmittel, um die Umwelt zu
stärken und die Innenstädte zu entlasten. Letztere könnten dabei entweder
für den Individualverkehr gesperrt oder über preisliche und
verkehrsrechtliche Maßnahmen für diesen deutlich unattraktiver gestaltet
werden. Einige Beispiele für entsprechende Maßnahmen: City-Maut,
Reduzierung und Verteuerung von Parkplätzen, Geschwindigkeits- und
Zufahrtsbeschränkungen, Vorrang von ÖPNV, Fuß- und Radverkehr oder
E-Mobilität. Dafür muss aber gleichzeitig das Nahverkehrsangebot verbessert
werden. Hierzu gehören der Ausbaus des Verkehrsnetzes, höhere
Taktfrequenzen, längere Bedienzeiten, vernetzte Service- und
Informationsangebote (beispielsweise Mobilitätsplattformen beziehungsweise
-Apps) sowie eine Verbilligung der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel.
Dennoch gibt es zwei relevante Probleme: Einerseits braucht es separate
Lösungen für den Waren- und Wirtschaftsverkehr, wenn durch entsprechende
Verkehrskonzepte eine Verlagerung von Handelsunternehmen aus den
Innenstädten heraus verhindert und damit eine typische Funktion der
Innenstädte erhalten werden soll. Zudem können entsprechende Konzepte und
Maßnahmen nicht in allen Regionen gleichermaßen umgesetzt werden: Was in
den Verdichtungsräumen und speziell den entsprechenden Kernstädten
funktioniert, ist nicht zwangsläufig für Städte in ländlichen Räumen
geeignet. In diesen ist das ÖPNV-Angebot vergleichsweise unattraktiv. Eine
Verlagerung des Individualverkehrs auf den Umweltverbund bedarf hier
anderer Maßnahmen.
Grundsätzlich gilt aber: Eine Verkehrsreduzierung und eine Verringerung von
Luftverschmutzung und Lärmemissionen können durch relativ einfache Schritte
erreicht werden. Extreme Maßnahmen, wie sie in letzter Zeit diskutiert
wurden, braucht es dafür nicht.
13 Jan 2019
## LINKS
[1] /Regierung-erwaegt-kostenlosen-OePNV/!5481464
## AUTOREN
Oliver Rottmann
## TAGS
Verkehr
ÖPNV
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Luftverschmutzung
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