# taz.de -- Kolumne Sternenflimmern: Das Ende der Geschichte wählen | |
> Das Ende von Game of Thrones ist schrecklich, klar. Aber notwendig. Wie | |
> bei Europa ging es schließlich auch hier darum, die Macht an sich zu | |
> besiegen. | |
Bild: Kein Held, aber die richtige Wahl | |
Ich war natürlich genauso traurig, wütend und entsetzt über [1][das | |
Serienfinale von Game of Thrones] wie alle – wirklich alle! – anderen auch. | |
Nicht nur trostlos darüber, dass eine Wahnsinnsgeschichte geendet ist, | |
sondern auch darüber, wie sie geendet ist. Kein Triumph für niemanden! | |
Nach all dem Schwitzen und Sterben für eine bessere Welt – vor allem von | |
Danaerys noch bei ihrem stalinesken Auftritt und auch davor in schöner | |
Regelmäßigkeit proklamiert – scheint keiner wirklich glücklich zu sein. | |
Danaerys, [2][selbsternannte Breaker of Chains], tatsächlich aber die | |
nächste in der Kette der Tyrannen, ist tot, immerhin. Die Stark-Kinder in | |
alle Winde verstreut. | |
Bis auf Brandon Stark, der eigentlich kein Stark-Kind mehr ist, sondern | |
„something else“, wie er selbst sagt. Er ist jetzt so etwas wie König, | |
Diener des Reiches trifft es aber eher. Er erscheint mehr als Verwalter | |
denn als Herrscher. Das macht das Ganze so frustrierend: Man betrachtet ihn | |
mit derselben emotionalen Taubheit wie die EU. | |
Ja, man könnte sagen: Bran ist ein bisschen wie die EU. Irgendwie komplex. | |
Irgendwie unverständlich. Er herrscht – zwar nicht über 28 Mitgliedsstaaten | |
– aber immerhin über die sieben vereinigten Königreiche (minus 1, dem | |
abtrünnigen Großbritannien – Verzeihung: dem Norden). Er trifft teils | |
unergründliche Entscheidungen, wie etwa die, seinen Bruder auf einen völlig | |
sinnlosen Posten in einer sinnlos gewordenen Institution (the great Wall) | |
zu schicken. | |
## Helden vergessen, Gleichmut wählen | |
Und statt Leidenschaft, Hingabe und skandalträchtiger Schwächen legt er | |
eine geradezu buddhistische Gleichmut an den Tag. Er hat, das ist das | |
Wichtigste, keinerlei Machtambitionen. Er ist das verkörperte historische | |
Bewusstsein und damit die logische Konsequenz aus den [3][Jahrhunderten des | |
Terrors]. | |
Er ist, das muss man leider auch sagen, ein langweiliger Typ geworden, kein | |
bisschen Held, kein bisschen Drama, das ihn mehr umweht. Trotzdem stimmt, | |
womit er die Wahl für seinen Posten gewonnen hat: Er hat buchstäblich alles | |
gesehen, er hat tatsächlich die beste Geschichte. | |
Und wie Tyrion, sein Berater und Fürsprecher, sagt: Es gibt nichts | |
Mächtigeres als eine gute Geschichte. Geschichten wecken die Leidenschaft | |
in uns, den Kampfmut. Aber, liebe enttäuschte EU- und Game-of-Thrones-Fans, | |
wenn die Geschichte uns eins gezeigt hat, dann doch, dass Macht eben nie zu | |
was Gutem führt. Dass sie selbst die mit den besten Absichten (siehe | |
Danaerys) korrumpiert. Und dass wir deshalb für eine bessere Welt die gute | |
Story und die großen Gefühle mal vergessen müssen. | |
Wenn die Serie – und wenn die Geschichte – auf ein Ziel zulaufen musste, | |
dann auf die Zerschlagung jeder Macht. Auf Verwalten statt Herrschen, auf | |
Vernunft statt Emotion. Dafür sollten wir am kommenden Sonntag früh | |
aufstehen. [4][Geschichten] können wir uns dann abends erzählen. | |
23 May 2019 | |
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## AUTOREN | |
Ariane Lemme | |
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