# taz.de -- Kolumne Pressschlag: You’ll never Wok alone | |
> Jetzt mischt auch der DFB im Tibet-Konflikt um die U20-Nationalelf Chinas | |
> mit – als Hüter der Meinungsfreiheit. Echt jetzt? | |
Bild: Politischer Protest im Regionalligastadion: Tibetaktivisten in Mainz zeig… | |
Klingt ja erst mal lustig, was sich die „China Ultras U20“ ausgedacht | |
haben, zum Beispiel einen Aufkleber mit der Aufschrift „You’ll never Wok | |
alone“. Aber dann ist auch schon Schluss mit lustig, denn das kommende | |
Spiel von Chinas Fußballnachwuchs, der heuer gegen Mannschaften aus der | |
Regionalliga Südwest Spielpraxis sammeln soll, entwickelt sich zum | |
Politikum. Es geht am Samstag gegen den FSV Frankfurt und dann noch um die | |
eigentlich banale Frage, wie weit Fans in einer Fußballarena gehen dürfen. | |
Dürfen sie Tibet-Fahnen im Stadion aufhängen und damit die Chinesen | |
provozieren? Spätestens jetzt ist klar: So banal ist das gar nicht. | |
Der erste Test mit den Tibet-Fahnen verlief am vergangenen Wochenende nicht | |
so glücklich. Ein paar Aktivisten hatten die Flaggen im Stadion von Schott | |
Mainz aufgehängt, woraufhin die chinesische Mannschaft auf Anweisung der | |
Betreuer das Feld verließ, im Schmollwinkel verschwand und erst nach 25 | |
Minuten zurück auf den Sportplatz kam. Es versteht sich von selbst, dass | |
die Fahnen da schon wieder fein säuberlich verpackt waren. | |
Überraschend war, mit welcher Chuzpe und welchem Selbstbewusstsein die | |
Gäste aus dem Reich der Mitte auf die Durchsetzung ihrer Vorstellung von | |
korrektem Zuschauerverhalten drangen – und das mitten in der deutschen | |
Provinz: Entweder ihr verhaltet euch wohlfeil auf den Rängen oder wir | |
beenden das Spiel, das war die klare Ansage. Besonders höflich war das | |
nicht, aber dem Herrn Xi in Peking wird es bestimmt gefallen haben, dass | |
seine fernen Staatssportler so prima auf Parteilinie sind. | |
Doch die deutsche Demokratie ist wehrhaft, und wenn sie in Gestalt des | |
durchdemokratisierten DFB, also des Deutschen Fußball-Bundes, daherkommt, | |
gleich noch einmal mehr. Damit nicht der Eindruck aufkommt, man ließe sich | |
von den Chinesen auf der Nase herumtanzen, sprach DFB-Präsident Reinhard | |
Grindel mit Stentorstimme: „Die Meinungsfreiheit gilt auf dem Fußballplatz | |
und neben den vier Eckfahnen. Ich würde mich freuen, wenn der chinesische | |
Fußballverband sich auf die Chancen konzentriert, die sich durch die Spiele | |
gegen die Regionalligisten ergeben.“ | |
## Grindels Unsinn | |
Wir kommen nicht umhin zu erwähnen, dass Reinhard Grindels Aussage | |
kompletter Unsinn ist. Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, das schon, | |
aber eben leider nicht in Sportarenen. Da gilt das Hausrecht, und jeder | |
Popelverein aus Posemuckel kann im Grunde festlegen, was ihm passt und was | |
nicht. Meist wird alles Politische konsequent ausgesperrt und nur das | |
hereingelassen, was im breitesten Konsens gesellschaftlicher Erwünschtheit | |
aufgeht. Stets gilt: Bloß nichts falsch machen, lieber alles Zweifelhafte | |
einsammeln oder übertünchen oder verbieten. | |
Der DFB ist sehr erfahren in dieser flexiblen Interpretation von | |
Meinungsfreiheit. Hier nur zwei Beispiele: Als der Fußballbund seine | |
A-Auswahl im Stadion von St. Pauli trainieren ließ, wurde der Slogan „Kein | |
Fußball den Faschisten“ einfach mal verdeckt, als schäme sich der | |
weltgrößte Sportverband dafür. Und wenn sich ein unterklassiger Verein | |
anschickt, mit „Nazis raus“-Shirts in der sächsischen Provinz aufzulaufen | |
und anschließend dafür bestraft wird, dann bleibt der DFB stumm. Dass er | |
sich jetzt als Hüter des Rechtsstaats aufmandelt, hat wohl damit zu tun, | |
dass der Pro-Tibet-Protest nun wahrlich kein heißes Eisen ist. Wie fast | |
jeder gegen die Abschlachtung von süßen kleinen Robbenbabys ist, so sind | |
auch die meisten im Westen für ein autonomes Tibet und den recht putzigen | |
Dalai Lama. | |
Verkompliziert wird die Lage im aktuellen Fall dadurch, dass der DFB | |
kürzlich eine enge Kooperation mit dem chinesischen Fußballverband | |
geschlossen hat. Da kommt der Fahnenzoff ungelegen. In Frankfurt soll am | |
Samstag wieder so eine Tibet-Fahne im Stadion wehen. Der FSV findet das | |
gut. Und die Chinesen? Drohen mit Spielabsage. | |
22 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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