# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Boa, krass! | |
> Nationalspieler Jérôme Boateng spricht über seine Rassismus-Erfahrungen | |
> und zeichnet ein finsteres Bild. Der DFB sollte auf ihn hören. | |
Bild: Nachdenklicher Nachbar: Jérôme Boateng im Adlertrikot | |
Vor über elf Jahren bestritt Jérôme Boateng sein erstes Bundesligaspiel für | |
Hertha BSC. Aber so hat sich der heute 30-jährige Fußballprofi noch nie | |
geäußert. „Wenn ich mich am Rand des Spielfelds warmmache, höre ich öfter, | |
wie Zuschauer Affenlaute von der Tribüne brüllen, obwohl ich für | |
Deutschland so viele Spiele bestritten habe.“ Erzählt hat dies der | |
Nationalspieler in einem Doppelinterview mit Herbert Grönemeyer. Gedruckt | |
wurde es in dem nach ihm benannten Magazin „Boa“, das am Samstag zum ersten | |
Mal erscheint. | |
Mitte August teilte die Agentur Territory, ein Tochterunternehmen des | |
Verlags Gruner + Jahr mit, der Bayern-Profi mit einem Faible für Mode und | |
insbesondere schicke Sonnenbrillen werde ein eigenes Lifestyle-Magazin | |
herausbringen. Geschichten über Sport, Musik, und Mode wurden damals | |
angekündigt. Und welche „aus meiner Welt“, wie Boateng zitiert wurde. | |
Wer da nette unterhaltsame Nebensächlichkeiten erwartet hat, wird nun mit | |
der harten Realität in Deutschland konfrontiert. Boateng beklagt | |
zunehmendes ausländerfeindliches Schubladendenken und er erzählt von | |
demütigenden Erfahrungen, die er in Berlin als Jugendfußballer erlebt hat. | |
Seine beiden Töchter, erklärt der deutsche Nationalspieler, würde er nicht | |
in die Berliner Stadtteile Marzahn oder Weißensee fahren lassen. „Mit | |
anderer Hautfarbe hast du da immer etwas zu befürchten.“ | |
Die Frage drängt sich nun auf, weshalb Jérôme Boateng bislang derlei | |
Erfahrungen für sich behalten hat. Die so naheliegende wie erschreckende | |
Antwort ist: Für Boateng ist all das zur Normalität geworden. | |
## Keine braven Integrationsbotschaften | |
Sein Halbbruder Kevin-Prince Boateng, der in Diensten des AC Mailand vor | |
gut fünf Jahren den Platz nach rassistischen Schmähungen von den Rängen | |
verließ, erzählte hernach, er habe bis zu diesem Tag immer alles in sich | |
hineingefressen. „Das ist die Hölle.“ Er ist zum Aktivisten geworden, der | |
auch schon vor den Vereinten Nationen in New York gesprochen hat. | |
Beim Deutschen Fußball-Bund hat man dennoch lieber den netten [1][Herrn | |
Cacau zum Integrationsbotschafter] gemacht und in dieser Funktion hat er | |
bereits kundgetan, er könne aus persönlicher Erfahrung nicht von solch | |
schlimmen Erfahrungen auf den deutschen Fußballplätzen wie Boateng | |
berichten. Jüngst fiel Cacau mit dem Bekenntnis auf, für ihn gehöre es | |
dazu, dass man als Nationalspieler die Nationalhymne mitsingt. | |
Der eher introvertierte Jérôme Boateng ist trotz seiner negativen | |
Erlebnisse bislang kaum als Zeitzeuge für rassistische Anfeindungen | |
aufgefallen. Wohl auch deshalb gilt er als bestens integriert. Als er vom | |
[2][AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland] angefeindet wurde, sprangen ihm | |
unzählige Menschen in Deutschland zur Seite. | |
Es ist zu hoffen, dass sie sich nun mit dieser Welt von Boateng ernsthafter | |
auseinandersetzen. Deutscher Lifestyle ist nicht ohne die Konfrontation mit | |
deutschem Rassismus zu haben. Das ist ein gutes Zeichen, das Jérôme Boateng | |
gesetzt hat. Er sollte umgehend gemeinsam mit seinem Bruder die Nachfolge | |
von Cacau als Integrationsbotschafter antreten. | |
9 Nov 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.dfb.de/news/detail/dfb-integrationsbeauftragter-cacau-hoeren-wa… | |
[2] /Kommentar-Gauland-und-Boateng/!5305008 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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