# taz.de -- Klimawandel bedroht Winterspiele: Der Spielraum schmilzt | |
> Die Anzahl möglicher Bewerber für die Olympischen Winterspiele wird sich | |
> drastisch reduzieren. Grund dafür ist die Erderwärmung. | |
Bild: Die Zukunft des Wintersports unterhalb von 1.500 Metern | |
BERLIN taz | Vor allem zu Beginn litten die Winterspiele von Pyeongchang | |
unter dem Winter: Biathleten kämpften mit tiefgefrorenen Abzugsfingern, | |
Skirennen wurden wegen Eisstürmen abgesagt, Snowboarder fürchteten in | |
Sturmböen um ihre Gesundheit. Aber die Tiefkühlspiele von Korea werden in | |
Zukunft wohl die Ausnahme bleiben. Nach einer neuen Studie bekommen die | |
Olympischen Winterspiele ein ganz anderes Problem: In Zeiten des | |
Klimawandels werden immer weniger Orte so schneesicher sein, dass sie | |
verlässlich die Spiele ausrichten können. | |
Denn wenn die weltweiten CO2-Emissionen nicht schnell und drastisch | |
reduziert werden, sind nur acht von 21 Olympiaorten aus den letzten | |
Jahrzehnten kalt genug, um sich für die Wettkämpfe auch in den nächsten | |
Jahrzehnten zu qualifizieren. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der | |
Universität von Waterloo in Kanada. Nur Wettkämpfe in hoch gelegenen Orten | |
wie Albertville, Calgary, Salt Lake City oder eben Pyeongchang seien | |
sicher. Austragungsorte wie Sotschi, Grenoble oder Garmisch-Partenkirchen | |
dagegen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr Gastgeber sein | |
können. | |
„Die Welt des Wintersports verändert sich, wenn sich die Atmosphäre | |
erwärmt“, sagt Daniel Scott, Professor für Geografie und Umweltmanagement | |
an der Universität Waterloo. „Die Elite-Athleten werden bei Training und | |
Wettkampf Zeugen der Klimaveränderungen.“ Vor vier Jahren in Sotschi | |
beschwerten sich die Langläufer über nassen Schnee und packten die | |
kurzärmeligen Trikots aus. Skirennen auf Kunstschneepisten inmitten grüner | |
und brauner Hügel sind nicht mehr ungewöhnlich. | |
Selbst wenn die Staaten der Welt Ernst machen und sich an die Regeln des | |
Pariser Klimaabkommens halten, ist es für viele zu spät, haben die Forscher | |
errechnet. Auch wenn sich die Emissionen bis 2050 deutlich verringern, | |
biete das nur eine Chance für Orte wie Lillehammer oder Nagano. Ehemalige | |
Olympiastätten wie Oslo, Squaw Valley oder Sarajevo dagegen müssen wohl auf | |
die Spiele verzichten. | |
## Anfang Februar mindestens 30 Zentimeter Schnee | |
Die Forscher aus Kanada und Österreich hatten schon vor vier Jahren mit | |
einem ähnlichen Gutachten gewarnt: „Der Klimawandel bedroht die Olympischen | |
Winterspiele.“ Denn das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat die | |
Maßgabe formuliert, Winterspiele nur an Orte zu vergeben, wo in neun von | |
zehn Wintern Anfang Februar mindestens 30 Zentimeter Schnee liegen und es | |
tagsüber friert. | |
Allerdings ist es überall wärmer geworden. Die durchschnittliche | |
Tagestemperatur im Februar stieg an den Olympiaorten demnach von 0,4 Grad | |
von 1920–1950 auf 7,8 Grad in der Periode 2000–2010. Und bis 2050 steigt | |
die Durchschnittstemperatur in den Olympiastädten nach den Voraussagen der | |
Klimamodelle noch einmal um mehr als zwei Grad Celsius. | |
Die Gefährdung der Sportstätten liege „auch daran, dass die Spiele in immer | |
wärmere Regionen vergeben worden sind“, meinte Robert Steiger, Geograf an | |
der Hochschule Management Center Innsbruck (MCI). Weil die Spiele zu | |
Mega-Events für drei Milliarden TV-Zuschauer geworden sind, brauchen die | |
Organisatoren Infrastruktur wie in den Metropolen Turin oder Sotschi. | |
## Von 600 Skigebieten bleiben 400 übrig | |
Die Voraussagen der Forscher koppeln die Projektionen des UN-Klimarats IPCC | |
mit den lokalen Wetterdaten. Sie passen auch zu anderen Prognosen, die | |
langfristig in den Alpen das Ende der großflächigen Skigebiete unter 1.500 | |
Metern Höhe voraussagen – laut einer Studie der OECD von 2007 bleiben bei | |
einer Erwärmung um zwei Grad von etwa 600 Skigebieten nur circa 400 übrig. | |
Selbst mit Kunstschnee kommen viele Orte an ihre Grenzen. „Auch wenn mit | |
neuer Technik vielleicht mehr Schnee produziert werden kann, hilft das | |
nichts, wenn er schmilzt“, sagte Steiger. | |
Die Winterspiele bemühen sich schon seit Nagano 1998 um ein grünes Image. | |
In Pyoengchang berechneten die Organisatoren den CO2-Fußabdruck von Bau und | |
Betrieb der Sportstätten. In dem Bericht „Carbon Responsible Games“ listen | |
sie die Bilanz von 1,5 Millionen Tonnen CO2 auf, die durch den Kauf von | |
grünen Zertifikaten ausgeglichen werden sollen. Zum ersten Mal gab es | |
diesen CO2-Ausgleich 2002 in Salt Lake City. Vancouver kaufte für die Flüge | |
der Zuschauer Zertifikate und auch Sotschi arbeitete an „klimaneutralen“ | |
Spielen. Allerdings verhindern die Heimatländer dieser Skiorte – Japan, | |
USA, Kanada, Russland – seit Jahrzehnten alle Fortschritte bei den | |
UN-Klimaverhandlungen. | |
Südkorea ist zwar Weltmeister im ökologischen Investment öffentlicher | |
Gelder. Die Mittel zur Überwindung der Wirtschaftskrise nach 2008 flossen | |
zu 69 Prozent in „grüne“ Bereiche. Aber seine nationalen Ziele zur | |
Reduktion von Emissionen hat das Land 2015 verwässert. Der Thinktank | |
„Carbon Action Tracker“ nennt die koreanischen Pläne zum Klimaschutz daher | |
„höchst unzureichend“. | |
26 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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