# taz.de -- Klimafreundliche Investments: Angst vor „wokem“ Kapitalismus | |
> In den USA versuchen rechte Kräfte, das Label für ökologische und soziale | |
> Geldanlage zu verbieten. Sie fürchten einen „woken“ Kapitalismus. | |
Bild: Sarasota, Florida: Ob Firmen weiterhin in Öl und Gas investieren oder in… | |
CHIANG MAI taz | Zwischen dem Klima- und dem Finanzsystem gibt es viele | |
Wechselwirkungen. So müssen die globalen Finanzströme umgeleitet werden, | |
damit genug Mittel für die Investitionen in den Klimaschutz zur Verfügung | |
stehen. Passiert das nicht, können physische Klimaschäden oder eine | |
ehrgeizigere Klimapolitik für Firmen zum Risiko werden. | |
Das beunruhigt insbesondere die Zentralbanken, die in vielen Ländern an | |
Offenlegungspflichten für solche Risiken arbeiten. Viele Investoren wollen | |
zudem wissen, was mit ihrem Geld passiert. Dazu werden Wertpapiere auf drei | |
Faktoren geprüft: die ökologischen und sozialen Auswirkungen der | |
Geschäftstätigkeit einer Firma und deren Gouvernanzsystem. Diese drei | |
Faktoren werden mit dem Kürzel „ESG“ zusammengefasst und machen einen immer | |
größeren Teil des Markts aus. Im Jahr 2020 hatte ein Drittel aller | |
ausstehenden Papiere ein [1][„ESG-Label“], Papiere im Wert von 35 Billionen | |
US-Dollar. | |
Die Kritik an der plötzlichen ESG-Begeisterung kommt dabei aus zwei | |
grundverschiedenen Lagern: Die einen befürchten ein „Greenwashing“ und | |
wollen die Kriterien der vielen verschiedenen ESG-Label verschärfen. | |
Zumindest in den USA gibt es aber noch ein zweites Lager: Die Republikaner | |
in immer mehr Bundesstaaten versuchen, die Berücksichtigung der | |
ESG-Faktoren bei Anlageentscheidungen zu verbieten. Sie fürchten einen | |
„woken“ Kapitalismus, also eine Welt, in der Firmen Positionen der | |
Demokratischen Partei etwa bei der Homoehe oder eben beim Klimaschutz | |
unterstützen. | |
Mittlerweile gibt es in 18 der 50 Bundesstaaten Anti-ESG-Gesetze. Diese | |
fallen in zwei Gruppen: In manchen Staaten wird staatlichen Pensionsfonds | |
verboten, bei ihren Investitionsentscheidungen die ESG-Kriterien | |
mitzuberücksichtigen. Und in anderen Staaten ist es staatlichen Stellen | |
gleich ganz verboten, Geschäfte mit „woken“ Finanzmarktakteuren zu machen. | |
## Der Anti-ESG-Effekt | |
Dazu zählt etwa der [2][größte Vermögensverwalter der Welt, Blackrock]. | |
Dessen Chef, Larry Fink, schreibt jedes Jahr einen Brief an die Chefs der | |
Firmen, in die Blackrock investiert hat. Im vergangenen Jahr ging er dabei | |
auch auf die Diskussion über den „woken“ Kapitalismus ein: „Beim | |
Stakeholder-Kapitalismus geht es nicht um Politik. Es geht nicht um eine | |
soziale oder ideologische Agenda. Er ist nicht ‚woke‘.“ Und dann führte … | |
aus, was das aus Klimasicht bedeutet: „Jedes Unternehmen und jede Branche | |
wird sich durch den Übergang zu einer Welt mit Netto-null-Emissionen | |
verändern. Die Frage ist: Werden Sie führen oder werden Sie geführt | |
werden?“ | |
Aus Sicht der Regierung in Texas sind solche Überlegungen Häresie für den | |
Chef einer großen Firma. Aus diesem Grund ist es staatlichen Institutionen | |
in Texas nun verboten, mit Blackrock und einigen anderen Großanlegern | |
Geschäfte zu machen. Das führte zum Exodus von fünf großen Käufern von | |
Anleihen von Texas und seinen Gemeinden – mit erstaunlich hohen Kosten. | |
Die öffentliche Hand hat nun weniger potenzielle Abnehmer für ihre | |
Schuldscheine und sie muss daher höhere Zinsen zahlen. Eine Studie aus dem | |
letzten Jahr hat diesen Effekt beziffert: Wenn die texanischen | |
Anti-ESG-Gesetze beibehalten werden, müssen die dortigen Steuerzahler in | |
Zukunft im Jahr 416 Millionen US-Dollar an zusätzlichen Zinskosten tragen. | |
Das entspricht einer Zinserhöhung um 0,14 Prozentpunkte auf die | |
ausstehenden Schulden im Wert von 298 Milliarden Dollar. Für Symbolpolitik | |
bei einem Kulturkampfthema ist das erstaunlich teuer. | |
Die Anti-ESG-Welle erscheint aber noch aus einem anderen Grund erstaunlich: | |
Auch die Wähler der Republikanischen Partei selbst sind gegen die Verbote. | |
Eine Umfrage unter gut 1.200 US-Wählern kommt dabei zu einem eindeutigen | |
Schluss. „Der Konsens unter diesen Wählern war, dass Unternehmen selbst | |
entscheiden sollten, wie sie ihre Mittel verwenden, und wenn Unternehmen in | |
ESG-Initiativen investieren wollen, sollten sie dies ohne staatliche | |
Einmischung tun dürfen“, heißt es im Fazit der Erhebung. Früher galt diese | |
Position mal als konservativ. | |
3 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Messinstrumente-fuer-nachhaltige-Finanzen/!5869043 | |
[2] /Konferenz-zu-Blackrock-in-Potsdam/!5879391 | |
## AUTOREN | |
Christian Mihatsch | |
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