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# taz.de -- Klima und Datenspeicherung: Auf der digitalen Müllhalde
> In den Firmen-Speicherwolken sammeln sich Unmengen von nutzlosen Daten
> an. In der Masse wird die Speicherung zum Klimakiller.
Bild: Braucht keiner, verbraucht aber Energie: Dark Data
Unternehmen verstreuen ihren Müll im digitalen Raum. Wissenschaft und
[1][Klimaschützer] warnen, dass sich immer mehr davon, sogenannte Dark
Data, anhäuft. Diese „Dunklen Daten“ sind schlecht fürs Klima. Dark Data
entstehen, wenn ein Unternehmen oder eine Organisation Daten erhebt und sie
dann speichert, ohne sie zu nutzen. Das können Daten aus der
Arbeitszeiterfassung sein oder von einem Sensor in einem Kühlhaus, der alle
paar Minuten die Temperatur misst und speichert. Solche Daten landen im
verwinkelten Dateisystem von Firmen-Clouds und verbrauchen Strom.
Denn jedes Byte benötigt eine analoge Speichereinheit: Diese befindet sich
in [2][Rechenzentren], in denen Hunderte von Servern stehen, auf denen die
Daten gespeichert werden. Deutschland allein verbraucht dafür pro Jahr rund
16 Milliarden Kilowattstunden, laut einer Modellrechnung des
wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags. Das entspricht ungefähr dem
Jahresverbrauch von 149 Millionen Kühlschränken.
Darüber hinaus benötigen Rechenzentren Ressourcen wie Stahl und Aluminium,
deren Herstellung enorme Treibhausgasemissionen verursacht. Berechnet
man diese Faktoren mit ein, könnten gespeicherte Daten
[3][Treibhausgasemissionen] in Höhe von 166 bis 280 Kilogramm CO2 pro
Terabyte pro Jahr verursachen, fand das Umweltbundesamt mithilfe von
Modellrechnungen heraus. Jedes Terabyte verursacht also jährlich so viele
Emissionen wie eine Flugreise von Berlin nach München.
Das kalifornische Technologie-Unternehmen Veritas ist unter anderem auf
Software spezialisiert, die beim Daten-Aufräumen hilft. In einer Studie hat
Veritas erheben lassen, wie viel Prozent aller gespeicherten
Unternehmensdaten „dark“ sind, also ungenutzt. Für Deutschland kommt es zu
einer Schätzung von 66 Prozent aller von Unternehmen erhobenen Daten. Damit
ist Deutschland unter den befragten Ländern Spitzenreiter. Nur 15 Prozent
der Daten klassifizierten die Befragten als relevant für das Unternehmen.
## Umstieg auf erneuerbare Energien reicht nicht aus
15 Prozent der Daten sind also notwendig, 66 Prozent sind „dark“. Die
übrigen 19 Prozent sind sogenannte ROT-Daten („ROT“ für redundant, obsolet
und trivial). Auch sie sind überflüssig, jedoch sind sich Unternehmen ihrer
bereits bewusst und haben meist automatische Löschungen eingerichtet, wie
zum Beispiel bei Spammails.
Zwar hilft der langfristige Umstieg auf erneuerbare Energien dabei, den
CO2-Fußabdruck von Dark Data zu verkleinern. Er löse den Konflikt
allerdings nicht, findet Thomas Jackson, Professor für Informations- und
Wissensmanagement an der Loughborough University im Vereinigten Königreich.
„Das Problem ist, dass in rasantem Tempo immer mehr Daten generiert
werden“, sagt Jackson. So zeigte eine Studie der International Data
Corporation, dass in einem Drittel der deutschen Unternehmen die
Datenmengen jährlich um 31 bis 60 Prozent wachsen. Entsprechend rasant
wächst auch der Energiebedarf. „Viele Unternehmen wissen überhaupt nicht,
wie viele überflüssige Daten sie gespeichert haben“, sagt Jackson. Ein
Grund für diese Ignoranz sei, dass die Speicherung von Daten sehr
preisgünstig sei. Es fehle schlichtweg der Anreiz, Daten zu sparen, solange
Firmenclouds derartig billig seien.
Dark Data könnte durch verantwortungsvolleres Datenmanagement eingedämmt
werden. Das zeigen Jackson und sein Kollege Ian Richard Hodgkinson in einer
im September erschienenen Studie. „Die Abläufe im Unternehmen müssen so
geregelt sein, dass alles Wissen, das aus den Daten gewonnen wird,
festgehalten wird.“
## Umdenken auch bei Konsument:innen
Ein Beispiel: Eine Mitarbeiterin ruft die Daten eines Sensors im Kühlhaus
ab. Hierbei zeigt sich, dass die Temperatur weiterhin stimmt und nicht
angepasst werden muss. Damit die abgerufenen Daten sowie Daten über den
Abrufungsprozess nicht im Nirvana verschwinden, hält die Mitarbeiterin die
Daten firmenintern als Zwischenstand fest. Die Auswertung dieser Daten
könnte zum Beispiel dabei helfen, ideale Zeitabstände zu definieren, um
Produktmengen zu überprüfen. Mithilfe dieser Dokumentation und
Weiterverwertung entstehen zwar mehr Daten, aber sie sind nicht „dark“. Sie
bleiben langfristig auffindbar und können zum gegebenen Zeitpunkt gelöscht
werden.
Damit sich Datenmanagement für die Unternehmen lohnt, muss Druck von außen
kommen. Jackson sieht an dieser Stelle auch Konsument:innen in der
Verantwortung. Datenmanagement müsse, ebenso wie andere Prozesse als
Möglichkeit ins Bewusstsein rücken, CO2 einzusparen. „Außerdem müssten auf
globaler Ebene politische Maßnahmen getroffen werden, um Unternehmen zu
nachhaltigem Datenmanagement zu bringen“, sagt Jackson.
Das Problem: Solange verlässliche Daten darüber fehlen, wie viele
Rechenzentren es in Deutschland gibt und wie viel Energie diese
verbrauchen, können keine konkreten Maßnahmen ergriffen werden, findet
Marina Köhn, Expertin für „grüne IT“ beim Umweltbundesamt (UBA).
## Rechenzentren in Register erfassen
Deshalb arbeite das UBA an einem Rechenzentrumsregister. Mit dem
Energieeffizienzgesetz, dessen Entwurf sich aktuell in der Abstimmung
befindet, sollen Unternehmen verpflichtet werden, Leistung und
Energieverbrauch in dem Register transparent zu machen. Das sei etwas ganz
Neues, sagt Köhn, denn: „Rechenzentren mussten bisher überhaupt keine
gesetzlichen Auflagen erfüllen.“
Relevant für den CO2-Fußabdruck sei auch die Auslastung der Server. Diese
würden nämlich dann am effizientesten laufen, wenn sie nahezu voll
ausgelastet sind, sagt Köhn. „Das Problem ist, dass die Auslastung in den
Rechenzentren häufig so schlecht ist, dass sie gar nicht effizient arbeiten
können.“ Stattdessen würden die Betreiber sie oft im unteren Bereich oder
sogar im Leerlauf arbeiten lassen. Mangel herrscht also sowohl beim
Technik- als auch beim Daten-Management.
Angesichts der Masse an Daten, die Studien für kommende Jahre
prognostizieren, müssen Politik und Unternehmen eine sinnvolle Strategie
für ihre Speicherung und Verwertung finden. Sonst nutzen sie niemandem
etwas und schaden darüber hinaus dem Klima.
20 Nov 2022
## LINKS
[1] /Klimaaktivist-ueber-globalen-Sueden/!5892279
[2] /Architektur-der-Datendemokratie/!5863750
[3] /Ungleichheit-bei-Treibhausgasemissionen/!5868721
## AUTOREN
Alexandra Hilpert
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