# taz.de -- Kita-Aus am Schillerpark: Kein Platz für Kinder | |
> Eine der ältesten Berliner Kitas soll aus ihren Räumen fliegen. Auf der | |
> Suche nach Ersatz erlebten die Erzieher*innen eine böse Überraschung. | |
Bild: Kita-Leiterin Susanne Heimrod (links) mit zwei Erzieher*innen | |
BERLIN taz | Einer der ältesten Berliner Kinderläden muss nach über vier | |
Jahrzehnten raus aus seinen Räumen – ihm wurde gekündigt, ohne Nennung von | |
Gründen. Rein theoretisch könnte die 1971 im Zuge der antiautoritären | |
Kinderladenbewegung gegründete Elterninitiativ-Kindertagesstätte (EKT) am | |
Schillerpark in Wedding umziehen, nur wohin? Die Verunsicherung ist groß. | |
Fest steht bislang nur: Zum 19. Mai soll der kleine Kinderladen in der | |
Türkenstraße 15 seine Sachen gepackt haben und die Räume übergeben. | |
So verlangt es der Vermieter in seinem Kündigungsschreiben, das das Team | |
der EKT vor einem Monat in die Hand gedrückt bekam. „Die Kündigung kam an | |
einem Freitag um 13 Uhr. Zwei Leute sind hier vorbeigekommen, die mir einen | |
Briefumschlag überreicht haben, dessen Eingang ich quittieren musste“, | |
berichtet Kita-Leiterin Susanne Heimrod der taz. | |
Das Schreiben kam durchaus überraschend, noch zwei Tage zuvor hatte Heimrod | |
mit dem Vermieter telefoniert. „Da ging es um die Mitteilung über ein | |
geplantes Bauvorhaben, die auch sehr knapp ausgefallen ist. Auf meine | |
Nachfrage hin hatte man mir versprochen, dass ich ganz schnell weitere | |
Informationen erhalten werde“, so Heimrod. Weitere Informationen erhielt | |
sie dann auch tatsächlich – in Form der Kündigung. Die Kita-Leiterin wandte | |
sich daraufhin an Anwält*innen, die nun versuchen würden, mit dem | |
Vermieter über eine Fristverlängerung zu verhandeln. | |
Akut bedroht sind erst einmal nur die Räume im Erdgeschoss der Türkenstraße | |
15. Für den Ableger schräg gegenüber in der Hausnummer 4, in dem die unter | |
Zweijährigen betreut werden, sieht es Susanne Heimrod zufolge jedoch nicht | |
viel besser aus. „Als wir nachgeguckt haben, ob wir hier in der Nähe etwas | |
anderes anmieten können, haben wir entdeckt, dass unsere Räume in der 4 | |
auch zum Verkauf angeboten werden.“ | |
## Zu wenig Mietschutz für Kitas | |
Obwohl freie Kitas wie die EKT eigentlich sichere Mieter sind, deren Miete | |
vom Land Berlin gezahlt wird, ist die Suche nach geeigneten Räumen alles | |
andere als einfach. Eines der Probleme: Da Kitas freier Träger als Gewerbe | |
laufen, [1][brauchen sie einen Gewerbemietvertrag]. Diese Verträge bieten | |
jedoch kaum Schutz, erklärt Roland Kern vom Dachverband Berliner Kinder- | |
und Schülerläden (Daks). | |
Bei Gewerbemietverträgen stehe grundsätzlich das Prinzip der freien | |
Marktwirtschaft im Vordergrund, das durch Angebot und Nachfrage geregelt | |
werde. „Hier bleiben kleine Kita-Einrichtungen, die oft nicht viel Geld | |
haben und zudem ortsgebunden sind, auf der Strecke“, sagt Kern zur taz. | |
Zumal bei einem Gewerbemietvertrag die Mieten grundsätzlich unbegrenzt | |
angehoben werden, auch ein Mieterschutz existiert nicht. Soziale | |
Einrichtungen sind jedoch auf einen langfristigen Vertrag angewiesen. | |
Und selbst wenn schnell neue Räumlichkeiten etwa für die EKT gefunden | |
würden – ob diese sich ebenso eignen wie die in der Türkenstraße 15, steht | |
auf einem anderen Blatt. In dem Altbau haben die Kinder nicht nur die | |
Möglichkeit, durch die verwinkelten Flure zu rennen, sondern auch einen | |
eigenen Spielplatz auf dem abgeschlossenen Hinterhof, auf dem sie ohne | |
Betreuung spielen können. Hier deutet sich bereits der Start des vom | |
Vermieter angekündigten Bauvorhabens an. Wo früher Bäume standen, ist jetzt | |
vor allem viel Erde und viel freie Fläche. | |
## Ein Kitawechsel bedeutet Stress | |
An den Räumen hängen nicht nur die Arbeitsplätze der vier Erzieher*innen, | |
vor allem die Kinder sind direkt von dem möglichen Aus betroffen. Ein paar | |
Einrichtungen hätten zwar angeboten, notfalls Kinder aufzunehmen, auch das | |
Jugendamt helfe bei der Suche nach Plätzen. [2][Doch diese seien in Berlin | |
nun mal Mangelware], so Heimrod. Und für Kinder bedeute ein Kita-Wechsel | |
grundsätzlich Stress: „Ein paar von unseren Kindern haben schon einen | |
Wechsel hinter sich, für die wäre es eine echte Katastrophe, wenn sie jetzt | |
wieder wechseln müssten.“ | |
Die Aufregung der Erwachsenen bleibe von den Kindern nicht unbemerkt, sagt | |
die Kita-Leiterin. Immer wieder kämen Nachfragen. „Wir haben mit den | |
Kindern darüber gesprochen, dass hier demnächst gebaut werden soll und dass | |
wir deswegen nach neuen Räumlichkeiten suchen, damit wir nicht dem Lärm und | |
Staub ausgesetzt sind.“ Vor Ort hätten es die Kinder noch gefasst | |
aufgenommen, zu Hause dann aber „sehr aufgeregt“ auf die Nachricht | |
reagiert. Weil sie nicht hier weg wollten, „wollten einige Kinder schon ihr | |
eigenes Geld spenden und damit die Räume kaufen“, erzählt die Erzieherin. | |
Um den Kindern Sicherheit zu geben, soll der Alltag zunächst möglichst | |
normal weitergehen. Sie würden weiterhin gemeinsam ins Kino gehen und | |
Ausflüge unternehmen, wie die jährliche Reise nach Heiligensee, wo die | |
Erzieher*innen mit den Kindern vier Tage verbringen, so Heimrod. | |
„Dieses Jahr wäre die Reise genau in der Woche, bevor wir hier raus müssen. | |
Die Frage ist: Sind überhaupt noch genug Kinder da?“ | |
21 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Carlotta Kuhlmann | |
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