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# taz.de -- Italiens Regierungskrise: Ein kühnes Experiment
> RegItaliens Sozialdemokraten wollen mit ihrem Eintritt in die Regierung
> Schlimmeres verhindern. Es könnte ihnen sogar gelingen.
Bild: Nicola Zingaretti ist erst seit März 2019 PD-Chef. Jetzt wird es ernst f…
Jetzt sieht es also doch danach aus, dass Italien in Zukunft von der
populistischen Partei Fünf Sterne gemeinsam mit dem sozialdemokratischen
Partito Democratico (PD) regiert wird. [1][Nach tagelangem Gezerre] bis hin
zur offenen Feindseligkeit bewegen sich die beiden aufeinander zu,
anscheinend gewillt, unter dem alten Premier – Giuseppe Conte – eine neue
Regierung aufzulegen.
Es wäre mehr als nur eine neue Regierung– eine solche Koalition ist Wagnis,
ein kühnes Experiment. Denn bis vorgestern waren das Movimento 5 Stelle
(M5S – 5-Sterne-Bewegung) und der PD nur durch eines verbunden: Abneigung,
Hass, Feindschaft. Und natürlich stellt sich die Frage, ob da eine
Koalition entsteht, die durch nichts als den Selbsterhaltungswillen und die
Angst vor Neuwahlen zusammengehalten werden würde.
Noch vor drei Wochen, als der rechtspopulistische Lega-Chef [2][Matteo
Salvini] aus heiterem Himmel die Regierung platzen ließ, verkündete PD-Chef
Nicola Zingaretti, es gebe keine Alternative zu Neuwahlen. Doch sowohl sein
Vorgänger und innerparteilicher Gegenspieler Matteo Renzi, der die
Parlamentsfraktionen kontrolliert, als auch viele Zingaretti-Gefolgsleute
zogen da nicht mit, setzten durch, dass der PD versucht, mit den Fünf
Sternen ein Bündnis zu schmieden.
Die Logik dieses Projekts leuchtet ein: Es geht hier um nichts weniger als
darum, den Griff Salvinis nach der „ganzen Macht“ (so er selbst) zu
verhindern – also zu vermeiden, dass einer der wichtigsten EU-Staaten
[3][komplett in die Hände eines italienischen Viktor Orbán] fällt.
Dieses Übel konnte immerhin verhindert werden. Doch wie wirkt sich ein
solches Bündnis auf die eigenen Erfolgsaussichten aus? Diese Frage muss
sich vor allem Zingaretti stellen. Er ist erst seit März 2019 als
Parteichef im Amt, ihm war es gelungen, einen leisen Aufschwung
einzuleiten, als er den PD bei den Europawahlen auf gut 22 Prozent führte,
nachdem er bei den nationalen Wahlen 2018 auf nur noch 18,7 Prozent
abgestürzt war.
Jetzt hingegen hätte die neue Koalition erst einmal die eher unschöne
Aufgabe, den Staatshaushalt 2020 zu verabschieden – und da steht die
unpopuläre Aufgabe an, Milliarden einzusparen. Eben diese
„staatspolitische“ Verantwortung nannte Renzi, als er den
Regierungseintritt des PD forderte. Doch gerade mit solchen höheren
Verantwortungen hat der PD mehr als schlechte Erfahrungen gemacht. Im
November 2011 verzichtete er – damals als sicherer Sieger gehandelt – nach
dem Sturz Silvio Berlusconis auf sofortige Wahlen, um stattdessen mitten in
der Eurokrise das Blut-, Schweiß- und Tränenkabinett Mario Montis
mitzutragen. Die Wahlen vom Februar 2013 sahen dann den Triumph der Fünf
Sterne.
Ein gleicher Abstieg des PD auch diesmal lässt sich nur verhindern, wenn
die Partei es schafft, gemeinsam mit dem M5S ein ehrgeiziges Reformprogramm
anzuschieben. Dafür sind die Voraussetzungen gar nicht einmal so schlecht.
Ob die Steuerpolitik – Entlastung der unteren und mittleren Einkommen statt
der von Salvini zugunsten der Gutverdiener angestrebten Flat Tax –, ob ein
gesetzlicher Mindestlohn, Investitionen in die Green Economy international
die Abkehr von Salvinis Europabashing (die Fünf Sterne stimmten im
Europaparlament für von der Leyen): Die Schnittmengen zwischen PD und Fünf
Sternen dürften größer sein als die zwischen Fünf Sternen und Lega.
Über wenigstens eine positive Voraussetzung verfügt Zingaretti bei diesem
Experiment: Nachdem ausgerechnet sein innerparteilicher Gegner die Wende im
PD eingeleitet hat, steht die Partei geschlossen hinter dem Versuch, in die
Regierung zu gehen. Doch für Zingaretti bleibt Renzi – womöglich stärker
noch als die Fünf Sterne – die größte Hypothek. Es wird sich zeigen müsse…
ob er auch in Zukunft als einer der größten Ego-Shooter der italienischen
Politik auftreten will oder aber ob er wirklich so etwas wie
„staatspolitische“ Verantwortung kennt.
28 Aug 2019
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## AUTOREN
Michael Braun
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