# taz.de -- Israelis in Berlin gegen Netanjahu: Der Crime Minister | |
> Die israelische Community in Berlin protestierte lautstark gegen den | |
> Besuch Netanjahus. Die geplante Justizreform gefährde den gesamten Nahen | |
> Osten. | |
Bild: Proteste vor dem Brandenburger Tor gegen die israelische Politik am Donne… | |
Für die meist israelischen Demonstranten, die sich am Donnerstag vor dem | |
Brandenburger Tor versammelt haben, ist Benjamin Netanjahu nicht ihr Prime | |
Minister, sondern ein „Crime Minister“. So kann man es auf einem der | |
Schilder lesen, die während der Reden in die Höhe gehalten werden. | |
„Haven’t the Jews suffered enough?“, steht auf einem anderen, das hört m… | |
hin und wieder als ironische Bemerkung im Gespräch mit Israelis, „haben die | |
Juden nicht genug gelitten?“ Auf einem weiteren heißt es: „Der Angeklagte | |
ernennt nicht seine Richter“, eine Anspielung darauf, dass gegen Netanjahu | |
ein Prozess wegen Korruptionsvorwürfen läuft. | |
Es ist ein sonniger Nachmittag. Nicht weit entfernt, im Schloss Bellevue, | |
absolviert Netanjahu gerade mit Bundespräsident Steinmeier einen | |
Fototermin. Zuvor hat er sich [1][mit Kanzler Scholz getroffen,] der seine | |
„große Sorge“ über die Entwicklungen in Israel ausdrückte. | |
Fototermine kann der neue israelische Regierungschef gerade gut gebrauchen, | |
umso mehr, als in vielen westlichen Hauptstädten derzeit wenig Bereitschaft | |
herrscht, sich mit ihm oder seinen Ministern ablichten zu lassen. Da darf | |
er sich darüber freuen, wenn ihn Giorgia Meloni und nun auch Olaf Scholz | |
empfangen. | |
Das Vorhaben seiner Regierung, zukünftig per Abstimmung in der Knesset | |
Entscheidungen des Obersten Gerichts kippen zu können, das derzeit mangels | |
einer Verfassung die demokratischen und humanitären Werte des Landes in | |
letzter Instanz zu schützen vermag, führt in Israel seit Wochen [2][zu | |
massiven Protesten] – und bei Israel grundsätzlich wohlgesinnten | |
Regierungen zu harscher Kritik. | |
## Wie gefährlich die Reform ist | |
Vor dem Brandenburger Tor sind kurz Sprechchöre zu hören: „Dai la kibbusch | |
– Schluss mit der Besatzung.“ Darüber sind sich wohl viele der Anwesenden | |
einig. Die Veranstalter unterbinden aber das Zeigen von | |
„Apartheid“-Schildern, weil das zur Delegitimierung ihres Protests führe, | |
sagt die Opernsängerin Shlomit Yeshayahu, eine der Veranstalterinnen der | |
Demo. | |
Sie lebt seit sieben Jahren in Berlin und sagt: „Die meisten hier sind | |
Israelis, die in Berlin leben, und es sind Leute aus anderen Städten | |
gekommen. Wir stehen hier aus Solidarität mit unseren Brüdern und | |
Schwestern in Israel, die dort nicht so ideale Bedingungen wie wir hier | |
haben.“ | |
Die israelische Community in Berlin werde nicht dabei zuschauen, wenn sich | |
zu Hause Entwicklungen abspielten, die das Land zerstörten. „Wir wollen | |
auch der hiesigen Gesellschaft deutlich machen, wie gefährlich diese Reform | |
ist, nicht nur für Israel, sondern auch für den Friedensprozess und die | |
Stabilität im gesamten Nahen Osten.“ | |
## Linke Positionen dämonisiert | |
Moria Avdayev ist mit ihrer Freundin zur Demo gekommen und hat auf ein | |
Stück Pappe geschrieben: „Ich bin wegen ihm hier.“ Netanjahu präge seit | |
über zehn Jahren das Land, alles werde immer teurer, die Leute seien im | |
Dauerstress. Linke Positionen würden dämonisiert. Sie ist vor Kurzem nach | |
Berlin gezogen, um in Neurowissenschaften ihren Master zu machen. | |
Der Protest im Land und die Unzufriedenheit über die rechts-religiöse | |
Regierung kommt aus der liberalen Hälfte der Gesellschaft. Es sind die | |
Leute, die den Laden am Laufen halten, in der Verwaltung, dem | |
Gesundheitswesen, der High-Tech-Industrie und der Armee, die seit Wochen | |
beinahe täglich demonstrieren. Man kann Regierungen bilden, die diesen Teil | |
der Gesellschaft nicht repräsentieren. Ob man das Land auf Dauer gegen sie | |
regieren kann, ist eine andere Frage. | |
„Das ist keine Regierung, das ist eine kriminelle Vereinigung“, ruft jetzt | |
ein Redner von der Bühne, und ein Chor von Trillerpfeifen stimmt ihm zu. | |
17 Mar 2023 | |
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## AUTOREN | |
Ulrich Gutmair | |
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