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# taz.de -- Iran-Verbindungen von Moschee: Das Blaue vom Himmel
> Das Islamische Zentrum Hamburg steht wegen seiner Nähe zur iranischen
> Regierung in der Kritik. Exil-Iraner:innen werden bedroht.
Bild: Sorgt für Diskussionen in Hamburg: die Blaue Moschee
Hamburg taz | Regenbogenfähnchen flattern im Wind, Revolutionslieder hallen
über die Schöne Aussicht an der Außenalster. Zwischen weißen Neubauten
türmt sich die Blaue Moschee. Der friedlich plätschernde Springbrunnen im
Vorgarten vermag nicht die Rufe der Menschen zu übertönen, die auf der
anderen Straßenseite demonstrieren. Gerade ist Jasmin Maleki am Mikro. Ihr
stehen Tränen in den Augen, während sie auf Farsi gegen die iranische
Regierung wettert. Sie unterbricht sich, als zwei Männer aus der Moschee
kommen und die Demo mit ihren Handys filmen. „Weg, weg, weg, Mullah muss
weg“, ruft sie mit erhobener Faust und ein Sprechchor folgt ihr.
Es ist ein Samstag Anfang August. Während am Jungfernstieg der Christopher
Street Day ausklingt, haben sich vor der Blauen Moschee in Hamburg rund 30
Demonstrierende versammelt. Jasmin Maleki musste aus dem Iran fliehen,
genau wie die meisten hier, weil ihr Leben unter dem repressiven Regime in
Gefahr geriet. Nun demonstriert sie vor dem Islamischen Zentrum Hamburg
(IZH), das seinen Sitz in der Blauen Moschee hat.
Anlass der Demo ist ein Bericht des Landesverfassungsschutzes, der Mitte
Juli veröffentlicht wurde. Demnach gibt es neue Beweise für politische
Verbindungen zwischen dem IZH und der iranischen Regierung. Aus neuen
Dokumenten ergebe sich, dass der Leiter des IZH, Mohammad Hadi Mofatteh
„direkt an das ‚Büro des Revolutionsführers‘ angebunden ist, Weisungen
erhält und berichtspflichtig ist“. Auch für Verbindungen zur libanesischen
Hisbollah, die seit 2020 in Deutschland verboten sind, habe das Amt neue
Belege gefunden.
Das IZH ist die wichtigste Repräsentanz des iranischen Schiitentums in
Deutschland. Zudem ist es Mitglied in der Schura, dem Rat der islamischen
Gemeinschaften in Hamburg. Die Schura hat einen Staatsvertrag mit dem
Hamburger Senat geschlossen und ist beispielsweise an der Erstellung von
Lehrplänen für den gemeinsamen Religionsunterricht in Hamburg beteiligt.
Bald könnte es ein Mitglied im Rundfunkbeirat des NDR stellen. Zu einem
Interview mit der taz war das IZH nicht bereit: „Es gibt derzeit nichts
Neues zu erzählen“, schreibt der Pressesprecher auf Anfrage.
## Drohnachrichten und anonyme Anrufe
Halima Krausen hat bis 2014 als Imamin in der Blauen Moschee gearbeitet.
„Das IZH als Außenarm Teherans zu bezeichnen, ist sehr zugespitzt“, sagt
sie. Es gebe zwar Verbindungen zwischen dem IZH und der iranischen
Regierung, doch unterliege das IZH keinerlei Zwang, dem Kurs der Regierung
zu folgen. „Die Blaue Moschee wird häufig als eine große Einheit gesehen,
dabei sind dort Menschen verschiedener Glaubensrichtungen mit
unterschiedlichen Einstellungen und politischen Ansichten vertreten.“
Die Demonstrierenden vor der Moschee sehen das anders. „Für uns steht außer
Frage, dass das IZH im Dienste des iranischen Regimes handelt“, sagt Amir
Biglar, ebenfalls aus dem Iran geflüchtet, der sich seit Jahrzehnten in der
deutsch-iranischen Community engagiert. Hohe Funktionäre des iranischen
Regimes gingen in der Blauen Moschee ein und aus, das beobachte er seit
Jahren. Der Bericht des Verfassungsschutzes sei für ihn die Bestätigung
seiner Beobachtungen. „Deshalb fordern wir die Schließung.“
Seitdem sich Biglar und Maleki auf Demos und in sozialen Netzwerken gegen
das IZH engagieren, bekommen sie immer wieder Drohnachrichten auf Instagram
oder anonyme Anrufe. „Mir haben sie auf Instagram geschrieben, dass sie
mich töten werden, wenn ich zurück in den Iran reise“, berichtet auch ein
anderer Demonstrant. Im Moment kämpfe er mit einem Anwalt darum, nicht
abgeschoben zu werden. Eine Demonstrantin sagt: „Einmal hat mir jemand am
Telefon gedroht, er werde meinen Sohn umbringen.“ Wer diese Drohungen
ausspricht, ist unklar. Die Anrufer und Absender bleiben meist anonym.
„Bei Demonstrationen filmen sie uns“, erzählt auch Hourvash Pourkian von
der Kulturbrücke Hamburg, die ebenfalls aus dem Iran kommt und regelmäßig
Protestaktionen gegen das IZH organisiert. „Fotos von uns auf einer
Demonstration im Dezember 2020 sind dann beim iranischen Außenministerium
gelandet“, sagt sie. Oder die Bilder gelangten ins Netz, kommentiert in
roter Schrift: „Verräter“.
Die Aktivist:innen vermuten Mitarbeitende oder Sympathisanten des IZH
hinter den Drohungen. Direkte Verbindungen zum IZH lassen sich jedoch nicht
nachweisen. Auf die Frage, wie das IZH dazu beitragen will, dass solche
Übergriffe seitens der IZH-Unterstützer:innen in Zukunft nicht mehr
vorkommen, antwortet das Zentrum: „Jegliche Form der Gewaltanwendung wird
von uns in aller Deutlichkeit verurteilt. Das IZH ruft seine
Gemeindemitglieder seit über 60 Jahren zu Gesetzestreue auf.“
## Die Problematik ist in der Politik bekannt
Dass Mitarbeitende des IZH Aktivist:innen bedrohen, hält Imamin Krausen
für unrealistisch. Sie selbst habe keine schlechten Erfahrungen gemacht,
sagt sie. Krausen hat in der Blauen Moschee vor allem mit der
deutschsprachigen Gemeinde gearbeitet, mittlerweile ist sie
Gastwissenschaftlerin an der Akademie der Weltreglionen der Universität
Hamburg. Zu der Frage, ob sie auch findet, dass das IZH geschlossen werden
solle, sagt sie: „Dazu habe ich mir noch keine Meinung gebildet.“
Erneuter Versuch, eine Stellungnahme vom IZH zu bekommen: In Coronazeiten
ist die Blaue Moschee eine Stunde pro Tag geöffnet. Vom gefliesten
Eingangsraum führen zwei Türen unter die Kuppel der Moschee. Stimmen
bleiben gedämpft, Schritte verklingen lautlos auf dem blauen Teppichboden.
Ein Kronleuchter an der Decke und spiegelndes Mosaik an den Wänden lassen
den Raum erstrahlen. Der Pressesprecher ist nicht da, und auch sonst
niemand, der sich zu den Vorwürfen des Verfassungsschutzes äußern möchte.
„Viele Exiliraner und Exiliranerinnen haben Angst, ihre Verwandten, die
noch im Iran leben, zu gefährden, wenn sie in Deutschland etwas Falsches
sagen“, sagt Behnush Najibi, die für deutsch-iranische Organisationen tätig
ist. Weil sie selbst keine Verwandten im Iran hat, hat sie beschlossen,
sich politisch zu engagieren: „Ich will mich nicht einschüchtern lassen.
Vor allem nicht hier in Deutschland.“
In der Hamburger Politik ist die Problematik um das IZH bekannt. CDU, FDP
und AfD fordern deshalb die Auflösung des Staatsvertrags mit der Schura.
Bei den Grünen gibt es kritische Stimmen, die Mehrheit möchte aber nicht an
dem Staatsvertrag rütteln, genau wie die SPD: „Das IZH ist nur einer von
rund 63 Vereinen, die zur Schura gehören“, sagt Ekkehard Wysocki, Sprecher
für Kirchen und Religionsgemeinschaften der SPD-Fraktion. „Die
Kommunikation mit der Schura klappt so gut und ist ein enormer Gewinn für
die Zusammenarbeit innerhalb der Religionsgemeinschaften in Hamburg. Das
wollen wir nicht beenden, nur weil ein Mitglied der Schura laut
Verfassungsschutz extremistisch ist.“ Einfach aus der Schura rauswerfen
kann man das IZH nicht, für ein Vereinsverbot mangelt es an rechtlichen
Grundlagen.
2022 jährt sich der Staatsvertrag. Rot-Grün will dann darüber beraten, ob
und in welcher Form der Staatsvertrag verlängert werden soll. Dafür soll in
diesem Herbst die Evaluierung der aktuellen Situation beginnen. „Wir wollen
zu diesem Anlass die Meinungen und Erfahrungen von allen Seiten einholen,
beispielsweise der Schulbehörde und den Religionsgemeinschaften, aber auch
von Vereinen, die sich für die Interessen von Exiliraner:innen
einsetzen“, sagt Wysocki. Welche konkreten Veränderungen für den
Staatsvertrag daraus hervorgehen könnten, bleibt bis dahin offen.
18 Aug 2021
## AUTOREN
Alexandra Hilpert
## TAGS
Islam
Schwerpunkt Iran
Moschee
Hamburg
AfD Hamburg
Islamismus-Kritik
Schwerpunkt Rassismus
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