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# taz.de -- Influencertum und Muttersein: In der Welt der Mama-Blogs
> Das Mama-Blog-Tribunal entscheidet, wie Parenting sein soll. Die Mischung
> aus Werbung und der Aufforderung, richtig zu erziehen, ist gefährlich.
Bild: Glücklich nur mit der richtigen Trinkflasche
Eine meiner besten Freund*innen hat Nachwuchs bekommen. Was soll ich
sagen? Cuuute! Falls [1][die verschwörerische, rassistische und
antisemitische Theorie der „Umvolkung“], von der Rechtsextreme so oft
schwafeln, doch wahr sein sollte: Das Ersetzen des Abendlands durch
BPoC-Babys ist sehr knuffig.
Seit Monaten lese ich also Mama-Blogs über Schwangerschaftstee, die
Saugkraft von Windeln und pädagogisch wertvolles Spielzeug. Genauso lange
brodelt in mir diese Kolumne: Was läuft bei so vielen
Mama-Influencer*innen nur schief? Bevor ich diese Frage beantworte,
möchte ich erwähnen, dass ich selbst keine Kinder habe und auch keine
plane. Als kinderloser cis Mann über Parenting zu schreiben, ist gewagt, da
ich aber meine Friends aktiv ermutige, an der sweeten „Umvolkung“ zu
arbeiten, nehme ich mir jetzt mal das Recht heraus, einen Außenblick zu
wagen.
Ich habe lange nachgedacht, was mich an den oft pastelligen
Instagram-Profilen so einiger Mama-Influencer*innen am meisten stört. Ich
konnte mich bisher nicht entscheiden. Da ist zum Beispiel die
[2][Glorifizierung traditioneller Geschlechterrollen]. Zwar kann es aus
meiner Sicht durchaus Teil von Queerness sein, traditionelle
Geschlechterrollen für sich selbst zu wählen. Vater-Mutter-Kinder aber als
Nonplusultra darzustellen, strahlt toxische 50er-Jahre-Vibes aus. Wenn der
Ehemann der Mama-Bloggerin noch dazu gefeiert wird, weil er mal beim
Abwasch geholfen hat: einfach nur wow!
Richtig cringe ist auch [3][die Dauerwerbeschleife], in der viele
Influencer*innen gefangen zu sein scheinen. Werbung heißt auf Insta
euphemistisch „Kooperation“. Ich verstehe, dass Bloggen Lohnarbeit sein
kann. Müssen die eigenen Kinder für Hunderttausende Follower*innen aber
neben Produkten abgelichtet werden, die niemand braucht? Die Mischung aus
Werbung und einer Aufforderung, riChTiG zu erziehen, ist gefährlich.
## Kauf diesen Holzklotz für 199,99 Euro
Denn am schlimmsten ist dieser vorwurfsvolle Ton zwischen den Zeilen: Wenn
du nicht Windel-Marke XY im Abo kaufst, bist du eine schlechte Mutter,
nutze Rabattcode #WirZiehenDirDasGeldAusDerTasche für 10 Prozent Nachlass.
Oder: Wenn du nicht reich geerbt hast und deinen Kindern mindestens einen
tennisfeldgroßen Garten bieten kannst, musst du mal darüber nachdenken, ob
du dein Parenting nicht optimieren solltest. Oder: Mehr als drei Sekunden
Screen-Time für dein Kind ist schlecht und du solltest vor das
Mama-Blog-Tribunal, wenn du eine ganze Folge Teletubbies erlaubst. Kauf
lieber diesen Holzklotz für nur 199,99 Euro!
Meine frischgebackene Mama-Freundin ist natürlich die beste Mama – so wie
alle Mamas, die mit den strukturellen Benachteiligungen unserer
Gesellschaft zu kämpfen haben und unbezahlte Care-Arbeit leisten. Sie hat
schnell aufgehört, die Blogs ernst zu nehmen und mir verboten, weiter darin
zu lesen. Ich habe mich gefügt. Denn sie weiß es besser.
3 Feb 2022
## LINKS
[1] /Herrlich-was-sie-Umvolkung-nennen/!5432523
[2] /Corona-und-Geschlechterrollen/!5757326
[3] /Urteil-ueber-Werbung-auf-Instagram/!5795841
## AUTOREN
Mohamed Amjahid
## TAGS
Mutterschaft
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