# taz.de -- Sportkarriere mit Kindern: Kampf der Mütter | |
> Die Sprinterikone Allyson Felix feierte bei den Olympischen Spielen ein | |
> Comeback. Seitdem wird in den USA mehr über Mutterschaft und | |
> Leistungssport gesprochen. | |
Bild: Im Blickpunkt: Allyson Felix in Tokio vor dem 400-Meter-Lauf, 03.08.2021 | |
„Wenn du schwanger wirst, ist das der Todeskuss für eine Sportlerin“, sagt | |
Phoebe Wright, 800-Meter-Läuferin aus den USA. Sie brachte voriges Jahr | |
einen Jungen zur Welt. Wright, 32, ist nicht mehr aktiv, aber andere | |
Weltklasseathletinnen und Mütter sind es nach wie vor – und das kommt | |
oftmals einer äquilibristischen Übung auf dem Drahtseil gleich. | |
Bei den Olympischen Spielen wurde [1][das Thema Mutterschaft] so ausgiebig | |
diskutiert wie vielleicht noch nie bei einem sportlichen Großereignis. Und | |
das lag auch an Allyson Felix, der US-Ikone der Frauen-Leichtathletik, die | |
in Tokio mit 35 eine Bronzemedaille über 400 Meter gewann. Felix ist mit | |
sieben Gold-, drei Silbermedaillen und einer bronzenen Plakette die bis | |
dato erfolgreichste Leichtathletin aller Olympischen Spiele. | |
Der erlaufene Ruhm ist freilich schnell erloschen, wenn es darum geht, als | |
Mutter im System des Leistungssports den nötigen Schutz, die Ruhe und jene | |
Unterstützung zu erhalten, die es braucht, um nach der Schwangerschaft | |
nahtlos an die Karriere anzuknüpfen. Als Felix im Jahr 2018 nach einer | |
nicht komplikationsfreien Schwangerschaft, die in einer Geburt per | |
Not-Kaiserschnitt gipfelte, die rückhaltlose Unterstützung ihrer Sponsors | |
Nike verlor, machte sie die Schofeligkeit des Sportartikel-Riesen | |
öffentlich. | |
Nike passte seine Standards daraufhin an, Allyson Felix ging jedoch eigene | |
Wege mit ihren Bekleidungsmarken Athleta und Saysh. Außerdem legte sie mit | |
der Women’s Sports Foundation einen Fonds auf zur Unterstützung von | |
sportelnden Müttern, die auch während der Wettkämpfe und Trainingseinheiten | |
ihre Kleinen betreuen müssen. Die Summe: 200.000 Dollar. Eine Profiteurin | |
ist unter anderem die US-Marathonläuferin Aliphine Tuliamuk, die 10.000 | |
Dollar erhielt. | |
## 14 Liter Milch abgepumpt | |
Das Geld hätte wohl auch die kanadische Basketballspielerin Kim Gaucher gut | |
gebrauchen können, die aufgrund der strengen Tokioter Einreisebestimmungen | |
dazu verdammt war, entweder auf die Spiele zu verzichten oder auf das | |
Stillen ihres Babys. Das Olympia-Organisationskomitee ließ sich erweichen | |
und eine Betreuungsperson einreisen. Anders machte es die britische | |
Bogenschützin Naomi Folkard, die vor den Olympischen Spielen 14 Liter Milch | |
für ihre Tochter abgepumpt hatte. | |
Die kanadische Boxerin Mandy Bujold wiederum zog sogar vors internationale | |
Sportgericht CAS in Lausanne – mit Unterstützung der kanadischen Regierung, | |
ihres Nationalen Olympischen Komitees und Boxing Canada. Sie hatte wichtige | |
Qualifikationswettkämpfe zur Olympiateilnahme wegen ihrer Mutterschaft | |
verpasst. Die Faustkämpferin bekam recht. „Es war einer der größten Kämpfe | |
in meiner Karriere“, schrieb sie danach, „und außerdem der | |
bedeutungsvollste Fight überhaupt.“ Sie verlor dann zwar bei Olympia in der | |
ersten Runde gegen die Serbin Nina Radovanovic und beendete ihre Karriere, | |
aber sie hatte ein Zeichen gesetzt. | |
Einen anderen Weg ging die US-Basketballerin Breanna Steward, die in Tokio | |
mit Team USA Gold gewann und zur besten Spielerin des Turniers gewählt | |
wurde. Zwei Tage nach ihrer Rückkehr nach Seattle wurde sie Mutter, | |
allerdings hatte sie sich mit ihrer Partnerin Marta Xargay, einer | |
ehemaligen Basketball-Spielerin aus Spanien, für das Modell einer | |
Leihmutterschaft entschieden. | |
Die Geschichte von Tochter Ruby wurde nun ausführlich in der New York Times | |
erzählt, die Kosten von über 150.000 Dollar blieben aber unerwähnt. Steward | |
griff bei der In-vitro-Fertilisation auf eine von ihr im Jahr 2019 | |
eingefrorene Eizelle zurück. Die Women’s National Basketball Association | |
ermöglicht das seit Kurzem ihren Spielerinnen, gleichzeitig wurden [2][im | |
neuen Vertrag, der mit der Spielerinnengewerkschaft WNBPA geschlossen | |
wurde,] die Rechte von Müttern und Schwangeren („Pregnancy Disability | |
Benefit“, „Childcare Assistance Program“, „Family Planning“) erheblich | |
gestärkt. | |
Es sollte im gesamten Leistungssport nicht mehr zu solchen Nöten kommen, | |
von denen 800-Meter-Läuferin Alysia Montano wiederholt berichtet hat. Sie | |
lief während ihrer beiden Schwangerschaften jeweils Wettkämpfe. „Aus | |
finanzieller Not“, wie sie bekannte. 2014 ging sie sogar hochschwanger bei | |
den US-amerikanischen Meisterschaften in Sacramento an den Start. Ansonsten | |
wären ihre Sponsorengelder deutlich gekürzt worden, rechtfertigte sie sich | |
damals. | |
18 Aug 2021 | |
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## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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