# taz.de -- Schwangere Olympiasiegerin: „Bewundernswerte Energie“ | |
> Die schwedische Eiskunstläuferin Magda Julin gewann 1920 die Goldmedaille | |
> in ihrer Schwangerschaft. Von den Funktionären wurde sie später | |
> aussortiert. | |
Bild: „Kunstvolle Bögen“: Magda Julin wurde für ihren besonderen Stil gel… | |
Eine Goldmedaille und lebenslanger Ärger über die Funktionäre des | |
schwedischen Eiskunstlaufverbandes – so lautet, grob zusammengefasst, die | |
sportliche Bilanz von Magda Julin, der ersten schwangeren Olympiasiegerin. | |
Magda war am 24. Juli 1894 im französischen Vichy geboren worden, wo ihr | |
schwedischer Vater eine Praxis für Physiotherapie betrieb. Die Familie war | |
sportbegeistert, und so dauerte es nicht lang, bis sich das Mädchen nach | |
dem Umzug nach Stockholm im Jahr 1908 dem „Stockholms allmänna | |
skridskoklubb“ (SASK) anschloss. Magda erwies sich rasch als Talent, 1911 | |
wurde sie zum ersten Mal schwedische Meisterin, 1914 gewann sie den | |
schwedisch-norwegisch-finnischen Eiskunstlaufwettbewerb „Pokalmatchen“ und | |
1920 wurde sie Olympiasiegerin. | |
Kurz vor dem großen Erfolg hatte sie den 20 Jahre älteren Schiffskapitän | |
Per Johan Emanuel Julin geheiratet, als die Olympischen Spiele in Antwerpen | |
begannen, war sie im dritten oder vierten Monat schwanger. Ob sie je mit | |
dem Gedanken der Absage gespielt hatte, ist nicht bekannt – allerdings | |
waren die Zeiten, in denen Schwangeren geraten wurde, Anstrengungen und | |
Aufregungen zu vermeiden, schon länger vorbei. Ärzte rieten vielmehr zu | |
Bewegung und frischer Luft. | |
[1][Eiskunstlaufen] war damals zudem auch kein Hochleistungssport, die in | |
langen, hochgeschlossenen Röcken, Jacken und Hüten antretenden Athletinnen | |
absolvierten vielmehr ein aus Pflicht und Kür bestehendes Programm, bei dem | |
kurze Schrittfolgen und ins Eis geritzte Figuren im Mittelpunkt standen. In | |
einer historischen Festschrift des SASK wurde Magda als besonders stark im | |
„Pflichtbereich“ gelobt, sie absolviere „strenges und regelmäßiges Trai… | |
mit bewundernswerter Energie“. Ihre Figuren laufe sie „ruhig und | |
kontrolliert“ und beende sie mit kunstvollen Bögen. | |
## Jähes Ende ihrer Karriere | |
Fünf Monate nach dem Olympiasieg wurde Magdas erster Sohn Per Åke geboren. | |
1922 starb ihr Mann, und Magda war zunächst auf sich allein gestellt, bis | |
sie 1925 dessen jüngeren Bruder heiratete. Nach dessen Tod im Jahr 1955 | |
eröffnete sie zunächst ein Café und später ein Restaurant, aber an | |
mangelnder Zeit lag es nicht, dass sie nach dem Tod ihres ersten Mannes nie | |
wieder an einem offiziellen Wettbewerb teilnahm. | |
Erst 1988 redete Magda Julin in einem Interview mit der isländischen | |
Zeitung Tíminn Klartext. Und zeigt sich noch immer ungehalten über das jähe | |
Ende ihrer Karriere und darüber, dass sie keine Chance erhalten hatte, wie | |
erhofft bei [2][den ersten olympischen Winterspielen 1924] in Chamonix | |
anzutreten. 1921 hatte sie es zwar noch geschafft, zum dritten Mal | |
schwedische Meisterin zu werden, aber danach durfte sie vom schwedischen | |
Eiskunstlaufverband aus nicht mehr bei offiziellen Wettbewerben antreten. | |
Geschweige denn, ihren Meistertitel verteidigen, was sie noch 67 Jahre | |
später extrem ungerecht fand. | |
Das Eiskunstlaufen werde von einer „einsamen Gangsterclique beherrscht“, | |
erklärte sie – im isländischen Zeitungsartikel wurde der von ihr benutzte | |
Ausdruck als „eintómur klíkuskapur“ wiedergegeben, eine Phrase, die in | |
Island noch heute gern unter anderem für Ungerechtigkeiten aller Art bis | |
hin zum [3][Eurovision Song Contest] verwendet wird. | |
Das damals in der Zeitung gedruckte schwarzweiße Foto zeigt Magda, | |
kerzengerade dastehend und sich mit einer Hand an einer Kommode abstützend, | |
denn an den Füßen trägt sie ihre historischen Olympiasieger-Schlittschuhe. | |
Trotz des großen Unmuts über die Funktionäre hatte sie das Eiskunstlaufen | |
als Hobby beibehalten, noch kurz vor ihrem Tod war die 96-Jährige beim | |
Eislaufen in einem Stockholmer Park gesehen worden. Einem Fotografen | |
zufolge, der sie angesprochen hatte, trug sie dabei die Schlittschuhe, die | |
ihr einst der schwedische Eiskunstlauf-Superstar Ulrich Salchow geschenkt | |
hatte. | |
24 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Elke Wittich | |
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