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# taz.de -- Tausch der Nationalitäten: Paare, Pirouetten
> Trotz der Sperren für belarussische und russische Sportler:innen steht
> die Europameisterschaft in Tallinn im Zeichen des russischen
> Eiskunstlaufs.
Bild: Hübsche Hebefigur: Minerva Hase und Nikita Volodin
Der estnische Eiskunstlaufverband, der diese Woche die
Europameisterschaften austrägt, hätte nach eigenen Angaben die Titelkämpfe
zurückgegeben, wenn [1][der Weltverband ISU] Kufenkünstler aus Russland und
Belarus zugelassen hätte. Die sind seit dem russischen Angriff auf die
Ukraine international gesperrt.
Auf Druck des IOC darf beim im Herbst auszutragenden
Qualifikationswettkampf für die Olympischen Spiele eine kleine Zahl von
ihnen als „internationale neutrale Athleten“ teilnehmen, um sich ein
Olympiaticket zu verdienen. Das betrifft jeweils eine Frau, einen Mann, ein
Sportpaar und ein Eistanzpaar aus Russland oder Belarus. Wer in einem
Armeesportclub trainiert, bei Jubelveranstaltungen für den russischen
Angriffskrieg aufgetreten ist – und das betrifft in der in Russland
populären Sportart Eiskunstlauf eine große Anzahl von Sportlern –, soll
sich nicht qualifizieren dürfen.
Und doch kämpfen bei den Europameisterschaften viele Eiskunstläufer um
Medaillen, die in der Eiskunstlauf-Hochburg Russland ausgebildet wurden,
von dort stammen und teilweise auch dort leben und trainieren. Sie treten
allerdings für andere Staaten an. Dafür gibt es Gründe: Schon seit fast
zwei Jahrzehnten wechseln russische Eisläufer gern die Nation, weil im
eigenen Land zu viele auf Weltklasseniveau laufen und dadurch die
internationalen Startplätze knapp waren.
Im Paarlauf sucht man zudem weltweit nach passenden Partnern, und da in
Russland viele Eisläufer trainieren, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass
Paarläuferinnen aus anderen Nationen in Russland einen Partner finden.
Seit dem russischen Angriffskrieg ist der Nationenwechsel für Russinnen und
Russen zudem die einzige Chance, überhaupt international starten zu dürfen.
Am Start in Tallinn ist beispielsweise die Vize-Europameisterin bei den
Frauen Anastasiia Gubanova. Sie lebt und trainiert in St. Petersburg, tritt
aber seit 2020 international für Georgien an. Bei der EM ist sie in
Abwesenheit von Titelverteidigerin Leona Hendrickx aus Belgien eine
Kandidatin auf Gold. Dazu müsste Gubanova ihre Sprünge allerdings stehen,
was bei ihr öfter mal ein Problem ist.
Bei den Paaren haben [2][die Grand-Prix-Sieger aus Deutschland] Minerva
Hase/Nikita Volodin große Chancen auf den Titel. Die Berlinerin Hase läuft
die zweite Saison mit ihrem Partner aus St. Petersburg, mit dem sie in
Berlin trainiert. Hase hatte sich 2022 von ihrem langjährigen, aber
deutlich älteren Partner Nolan Seegert getrennt und ist seitdem äußerst
erfolgreich mit dem gleichaltrigen Volodin auf dem Eis unterwegs. Die
beiden haben alles, was ein Weltklassepaar ausmacht: Kreativität,
Höchstschwierigkeiten, eine souveräne Eleganz auf dem Eis und nicht zuletzt
immer öfter auch Nervenstärke im Wettkampf.
## Wenig ausdrucksstark
Das zeichnet allerdings auch ihre größten Konkurrenten aus, die für
Georgien startenden Anastasiia Metelkina/Luka Berulava. Beide wurden in
Russland geboren und trainieren dort auch. Das trifft auch auf das für
Ungarn startende Paar Maria Pavlova/Alexei Sviatchenko zu, das letztes Jahr
Vierte der Europameisterschaften wurde und in diesem Jahr ähnlich gut
abschneiden könnte, auch wenn dieses Paar wenig ausdrucksstark läuft.
Aber auch ohne in Russland arbeitende Trainer werden die
Europameisterschaften in Tallinn kaum über die Bühne gehen. Es spricht viel
dafür, dass die umstrittene russische Trainerin Eteri Tutberize an der
Bande steht. Bei ihr in Moskau trainiert der Georgier Nika Egadze, der im
Vorjahr Siebenter wurde. Aber auch der Italiener Daniel Grassl, der
immerhin schon einmal Vizeeuropameister war und nach einer Zwangspause
wegen verpasster Dopingkontrollen wieder auf dem Eis steht, nimmt bei ihr
Unterricht. Da Tutberize neben der russischen auch die amerikanische
Staatsangehörigkeit hat, dürfte sie keine Probleme haben, nach Estland
einreisen zu dürfen.
Eiskunstlaufshows werden in Russland als Propagandaveranstaltungen für den
russischen Angriffskrieg in der Ukraine missbraucht. Eine der
Organisatorinnen von den in Russland sehr attraktiven Shows, die ehemalige
Eistänzerin Tatjana Nawka, ist die Ehefrau von [3][Kremlsprecher Dmitri
Peskow]. Viele aktive Eiskunstläufer haben vor den Kulissen von
Kriegssymbolen wie dem „Z“ Geld verdient. Wenn das IOC seine Kriterien
ernst nimmt, dürften fast nur die ganz jungen Eiskunstläufer, die dazu noch
keine Gelegenheit hatten, ein Olympiaticket lösen dürfen.
27 Jan 2025
## LINKS
[1] https://www.isu.org/
[2] /Neues-deutsches-Eiskunstpaar/!5972795
[3] https://www.morgenpost.de/politik/article241919852/Luxus-Elite-Russlands-Da…
## AUTOREN
Marina Mai
## TAGS
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Kolumne Russisch Brot
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Kolumne Erste Frauen
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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