| # taz.de -- Immersive Ausstellungen: In der Bilderflut | |
| > In Hamburg erlebt man den Untergang der „Titanic“ und populäre Künstler | |
| > in immersiven Ausstellungen. Mit echtem Kunsterlebnis kann es nicht | |
| > mithalten. | |
| Bild: Wer will, kann in der „Titanic“-Ausstellung auf dem nachgebauten Sonn… | |
| Zum Glück gibt es eine Einweisung. In der Ausstellung „Titanic: Eine | |
| immersive Reise“ bekommt die Besucherin [1][die VR-Brille erklärt], bevor | |
| sie mit dieser den Untergang der „Titanic“ quasi hautnah miterlebt. | |
| Zwischen zerschepperndem Porzellan und panischen Rufen fliegen die | |
| Besucher:innen in einem mörderischen Tempo durch die Gänge des Schiffs. | |
| Dabei kann einem schwummrig werden, dann empfiehlt es sich, kurz die Augen | |
| zu schließen oder notfalls abzubrechen. | |
| Wer durchhält, kriegt nicht nur einen Achterbahn-ähnlichen Adrenalinkick, | |
| sondern soll sich im Idealfall mit den Opfern identifizieren können. | |
| Schließlich war diese Katastrophe real, sie ist nicht bloß eine | |
| Computeranimation. | |
| Ein mitreißender Moment, dessen Halbwertzeit allerdings gering ist. Er | |
| kann, zumindest langfristig, nicht mit den originalgetreuen Nachbauten der | |
| Kabinen oder einem der echten Liegestühle vom Sonnendeck der Titanic | |
| konkurrieren. Und erst recht nicht mit dem Memorial Room: Dort steht mitten | |
| im Raum ein gläserner Würfel, in den die Namen aller rund 2.200 Personen, | |
| die an Bord der Titanic waren, eingraviert wurden. | |
| Wenn man liest, dass nur etwa 700 Menschen überlebten und die meisten | |
| Rettungsboote gar nicht voll besetzt waren, ist das erschütternd und bleibt | |
| hängen. Der „Titanic“-Ausstellung, die bis zum 2. November in einer | |
| Expo-Halle unweit des Hamburger Rathauses zu sehen ist, gelingt etwas | |
| Ungewöhnliches: die Gratwanderung zwischen Unterhaltung und Information. | |
| ## Echte Kunst stimuliert das Hirn mehr | |
| [2][Sonst setzen immersive Ausstellungen eher auf Effekthascherei]. Etwa | |
| „Monets Garten“ 2022 in den Gaußhöfen, Hamburg-Altona. Vor den Augen des | |
| Publikums entstanden animierte Werke des Impressionisten, untermalt von | |
| Debussy-Musik. In einem Nachbau des weltberühmten Gartens duftete es | |
| zumindest ein wenig nach Lavendel, Lianen baumelten von der Decke, auf dem | |
| Boden lag Kunstrasen – alles aus Plastik. | |
| Ein interaktives Bild reagierte auf die Bewegungen der Gäst:innen. Ein | |
| launiges Spektakel, bloß kam man dem Künstler Monet nicht so nah wie in | |
| einem Museum, in dem wirklich von ihm gemalte Bilder hängen. | |
| Eine niederländische Studie von 2023 belegt: [3][Echte Kunst stimuliert das | |
| Gehirn deutlich mehr als Reproduktionen]. Mittels Eye-Tracking-Technologie | |
| und MRT-Scans stellten Wissenschaftler:innen fest, dass Originale bei | |
| den Betrachter:innen zehnmal stärkere Reaktionen hervorrufen als | |
| Nachbildungen. Das bringt die Leute zum Nachdenken, über sich und die Welt. | |
| In Projektionen verlieren sich die Menschen rasch, sie sind wie ein Rausch. | |
| Ist es gerade das, was das Publikum anzieht? Denn immersive Ausstellungen | |
| boomen. Es gibt sie seit gut 15 Jahren, ein weltweiter Anbieter ist [4][das | |
| Unternehmen Culturespaces]. Es hat 2025 einen Standort namens „[5][Port des | |
| Lumières]“ in der Hamburger Hafencity eröffnet, in Deutschland ist es sein | |
| zweiter. Vormittags wird dort Kunst von Gustav Klimt und Friedensreich | |
| Hundertwasser überdimensional aufgeblasen, nachmittags kann man virtuell in | |
| den Weltraum reisen. | |
| ## Im Fokus steht Unterhaltung | |
| „Unser Ziel ist es, so viele Menschen wie möglich für Kunst, Kultur und | |
| Wissenschaft zu begeistern“, sagt Geschäftsführer Jens-Peter Becker. Darum | |
| hat Culturespace für die Ausstellung „Kosmos: Die immersive Reise ins All“, | |
| im Programm bis zum 31. August, sowohl von der Nasa als auch von der | |
| französischen Raumfahrtbehörde CENS Unterstützungen bekommen und kann nun | |
| deren Aufnahmen zeigen. Mal sieht man [6][einen Raketenstart], mal eine | |
| Raumstation. Man kann über die Ringe des Saturn gleiten oder den Mars | |
| besuchen. Natürlich mit Musik – von Wagner bis Bowie. | |
| Gewiss sind diese Impressionen beeindruckend, doch Lai:innen können nicht | |
| jede Einblendung direkt zuordnen. Es hilft, sich vorab die auf der Galerie | |
| versteckten Informationstafeln anzuschauen. Expert:innen hingegen lernen | |
| bei dieser Präsentation nichts Neues. Trotzdem sind selbst sie meistens von | |
| der imposanten Darbietung begeistert und fühlen sich gut unterhalten – das | |
| kristallisiert sich in Gesprächen mit Gäst:innen heraus. | |
| Unterhaltung steht auch bei Klimt und Hundertwasser im Fokus. Während man | |
| auf einen Sitzsack plumpst oder auf einem Block sitzt, tauchen auf den | |
| Wänden Emilie Flöge und Adele Bloch-Blauer auf. Man muss ihre Namen nicht | |
| kennen, um zu begreifen: [7][Gustav Klimt hat gern Frauen porträtiert]. | |
| Schade nur, dass „Der Kuss“, eines seiner bedeutendsten Werke, nicht so | |
| richtig hervortritt. | |
| [8][Friedensreich Hundertwassers Kunst] wiederum kommt wie ein Trickfilm | |
| daher. Erst prasseln bunte Regentropfen vom Himmel, dann wachsen Bäume. Man | |
| ahnt zumindest, dass Umweltschutz dem Maler und Architekten wichtig gewesen | |
| sein könnte. Auch wenn die Bilderflut überwältigend ist: Macht das Lust auf | |
| einen Museumsbesuch? Nicht unbedingt. | |
| 19 Aug 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Virtual-Reality-Brillen/!6000087 | |
| [2] /Neues-Museum-in-Hamburg/!5931197 | |
| [3] https://www.neurensics.com/mauritshuis-meisje-met-de-parel | |
| [4] https://www.culturespaces.com/en/about-us/our-history | |
| [5] https://www.port-lumieres.com/de | |
| [6] /Auswandern-mit-Raketen/!6098247 | |
| [7] /Visuelle-Darstellung-von-Weiblichkeit/!6087799 | |
| [8] /Hundertwasser-Ausstellung-in-Osnabrueck-/!6080487 | |
| ## AUTOREN | |
| Dagmar Leischow | |
| ## TAGS | |
| Immersive Kunst | |
| Kunst | |
| Ausstellung | |
| Titanic | |
| Kunstmuseum Wolfsburg | |
| Virtuelle Realität | |
| Kunst | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Leandro Erlich-Ausstellung in Wolfsburg: Ansichten aus dem Inneren des Mondes | |
| Leandro Erlichs Kunst spricht jede:n an und bringt ihr Publikum lustvoll | |
| aus dem Gleichgewicht. Zu erleben ist das im Kunstmuseum Wolfsburg. | |
| Neue Technologie für Museen: 3D für erlebte Geschichte | |
| Auf einem französischen Dokumentarfilmfestival wurden die neuesten | |
| Virtual-Reality-Anwendungen gezeigt. Das ist auch für Museen interessant. | |
| Neues Museum in Hamburg: Ein Haus für digitalen Kitsch | |
| Hamburg bekommt das weltgrößte Rekordmuseum für digitale Kunst. Es soll ab | |
| 2025 superbunte Bildchen begehbar machen – klimaneutral natürlich. |