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# taz.de -- Iggy Pop im Berliner Tempodrom: Er ist der Letzte seiner Art
> Er hat sie immer noch, die alte Energie: Er tanzt, springt von der Bühne,
> singt sich durch den Saal und spielt fast komplett das neue Album durch.
Bild: Für sein neues Album „Post Pop Depression“ hat sich Iggy Pop (links)…
Die kaputte Hüfte nach hinten gereckt, den sehnigen, nackten Brustkorb nach
vorn, die weiche Mähne umrahmt die Falten. So steht Iggy Pop auf der Bühne
des Tempodroms, zappelt mit den Händen einen Veitstanz und singt „Lust for
Life“. So ist er, dieses schimpfende, aufgekratzte Huhn, dieser ADHS-Punk,
dessen zu Musik gewordene, energetische Wut stets etwas Entspanntes und
Amüsiertes beinhaltet: Nach über 50 Jahren Bühne hat er immer noch Lust zu
singen. Auch wenn die charismatischen Performer gerade sterben wie die
Fliegen und er bald allein dastehen wird. Als Letzter seiner Art.
Heute ist er nicht allein: Für das neue Album „Post Pop Depression“, dessen
Hit „Gardenia“ bereits zu Recht Airplay satt erfährt, tat sich Iggy mit
Joshua Homme zusammen, unter anderem Gitarrist und Sänger der Queens of the
Stone Age, den besten aller Stonerrocker. Homme und die Tourband – zwei
QOTSA-Kollegen und der Schlagzeuger der Arctic Monkeys – tragen rote
Jacketts wie die Begleitcombo einer Stripperin und arbeiten hingebungsvoll
daran, ein Soundgewitter herabregnen zu lassen.
Hommes Gitarrensound ist das Bett für Iggys beschwörende Stimme und seine
würdevollen Rock-Elegien. Die beiden sind ein unglaubliches Paar: Homme,
ein Synonym für cool, fast zwei Meter lang und der Beweis, dass rote Haare
sexy sind und Gitarren (wie Zigaretten) an großen Männern einfach besser
aussehen als an kleinen. Und Iggy, mit diesem überdimensionalen Kopf auf
dem zierlichen Körper – wenn man die Augen etwas zusammenkneift, sieht es
aus, als würde neben Homme dessen kleine Tochter stehen und ihn anhimmeln,
nicht zuletzt wegen Frise und Farbe („Trendhaarfarbe Brond“, aber Iggy
hatte sie schon immer).
## Wird er denn nicht müde? 69 Jahre? Hüfte? Leber? Nix da.
Auch der Band merkt man die Lust am Spiel an – weil es eben tatsächlich das
Größte sein wird, für fucking Iggy die fucking Backing Band zu geben. Sie
spielen fast das gesamte neue Album, dazu ältere Iggy-Hits wie „Sixteen“,
„Some weird sin“, „Tonight“. Iggy, der Attentionsucker, braucht wie imm…
den Publikumskontakt. Er stagedivt, er flirtet, er lässt das Licht im Saal
anknipsen und winkt uns allen, und wir alle winken zurück. Er spielt „The
Passenger“, und der Saal flippt komplett aus: Jeder hier weiß, dass der
Song in der S-Bahn nach Wannsee geschrieben wurde, und ist stolz. Er spielt
„German Days“, das beste Stück vom neuen Album, dessen gemächlicher
6/4-Takt nach „Cream“ klingt, nach den Sechzigern, und ebenfalls von Berlin
handelt.
Iggy redet von Bowie und spielt „China Girl“. Er spielt „Nightclubbing“…
hört gar nicht auf, wird er denn nicht müde? 69 Jahre alt? Hüfte? Leber?
Nix da. Und jetzt geht die Party erst richtig los: „I’m coming down, watch
out“, droht er, „I’m coming to get you“, und dann rennt er wahrhaftig
während „Fall in love with me“ von der Bühne in den Saal und singt sich
einmal durch die gesamte Manege, als Mittelpunkt eines begeisterten,
handyschwingenden Menschenknäuels, das nicht fassen kann, was gerade
passiert, wie nah man dem Leguan kommt.
Iggy mittendrin singt „You look so good to me / here in this old saloon /
way back in West Berlin“, und wenn er eine Frau findet, die ungefähr seine
Größe hat (nicht ganz so einfach in good old Germany), singt er die
Glückliche an. Kleine Männer singt er ebenfalls an.
Ganz am Ende spielt er „Success“, wiederum vom „Lust for Life“-Album (b…
auf die Zugabe „Repo Man“ stammten alle Songs des Abends von der neuen
Platte oder den beiden mit Bowies Hilfe in Berlin entstandenen Soloalben
von 1977). Die Band muss dabei den herrlichen Background intonieren: „I’m
gonna do the twist“, „I’m gonna hop like a frog“, „Oh shit“ , und H…
Harmoniegesang ist genauso beeindruckend wie seine Gitarrenläufe.
Iggy hat uns mit Qi für die nächsten 60 Jahre abgefüllt und entlässt uns.
Wir gehen zufrieden nach Hause und legen Iggy-Platten auf. Der Leguan
feiert wahrscheinlich immer noch.
8 May 2016
## AUTOREN
Jenni Zylka
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