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# taz.de -- South-By-Southwest-Festival in den USA: Rock ’n’ Robotik
> Das South By Southwest in Texas ist sowohl Politbühne als auch
> Musikspektakel und Tech-Werkstatt. Traditionell geht es bei dem Festival
> ums Ganze.
Bild: Blitzgescheit ging es nicht immer zu beim South by Southwest
Donald Trump war nicht in Austin. Und doch weht seine Föntolle in viele der
über eintausend Panels hinein. Fast keiner der Vortragenden und
Diskussionsrunden kommt ohne einen Seitenhieb auf den Ego-Shooter aus auf
dem Festival South by Southwest, der nahezu unvergleichlichen
Zukunftswerkstatt aus Wissenschaftlern, Künstlern, milliardenschweren
Tech-Firmen, Intellektuellen, Aktivisten und Musikern.
Der afroamerikanische Philosoph Henry Lous Gates Jr. bemerkt leicht
angewidert, dass sich Trump bei der abgehängten weißen US-Bevölkerung zwar
anbiedere, ihnen aber aus Ekel nicht mal die Hand schütteln würde.
Auch die Festivalmacher von South by Southwest greifen durchaus subtil in
den tosenden US-Wahlkampf ein. Der gesellschaftliche Graben zwischen
Trump-Fans und Liberalen ist ähnlich groß wie in Deutschland. Die fast
schon zwanghaft zukunftsoptimistische Messe in Austin ist in diesem Jahr
auf Moral programmiert – und zwar von Anfang an.
Im 30. Festivaljahr ist dem „South by“, wie man kurz sagt, schon am ersten
Tag ein spektakulärer Coup gelungen: Erstmals spricht ein amtierender
US-Präsident, auch wenn Barack Obama das versammelte Publikum aus Nerds und
Silicon-Valley-Mogulen 45 Minuten hat warten lassen: Der Präsident legte
unterwegs einen Zwischenstopp ein, um mal ein paar der berühmten
Austin-Tacos einzuwerfen.
Danach ermahnte er, ganz entspannt, aber sozusagen vollmundig, die
versammelte Silicon-Valley-Prominenz, ihr technisches Know-how, ihre
Werkzeuge eben, bitte schön auch der Zivilgesellschaft zur Verfügung zu
stellen und nicht nur den Konsumenten. Die USA brauche mehr politische
Teilhabe.
## „Film Fatales“
Schon Obamas Vorredner hat den entscheidenden Ton für diese Woche in Austin
gesetzt, die Veranstalter hatten einen jungen afroamerikanischen
Intellektuellen wohlüberlegt als Eröffnungsredner platziert. Casey Gerald,
Harvard- und Yale-Absolvent, gab den Preacherman. Sein Gospel: Silicon
Valley macht auf funkelnden Weltenlenker, aber wichtige Alltagsprobleme
bleiben ungelöst.
So hätten etwa die Bewohner der Industriestadt Flint in Michigan mit Blei
verseuchtes Wasser trinken müssen. „Wie kann es sein, dass wir Kabel
verlegen können, aber keine vernünftigen Wasserrohre?“
Ein paar Panels und Tage später nahm auch der Autor Douglas Rushkoff das
Silicon Valley in den Schwitzkasten. Fast schon wachstumsneurotisch seien
die Manager dort. Nur dass das fast schon scientologenartig gepredigte
Vorwärtsevangelium für die Arbeiterbienen leider nicht gilt. „Mit jedem
Fahrgast sammeln Uber-Fahrer Daten, wo und wann der Dienst in der Stadt
gebraucht wird. Uber kann das in Zukunft prima für die selbstfahrenden
Autos auswerten.“
Zahlreiche Panels drehten sich um Gender und Gleichberechtigung. Etwa die
„Film Fatales“, eine Vereinigung von Filmemacherinnen, die in Austin ihren
Kampf gegen das von weißen Männern dominierte Filmbusiness vorstellten.
Nur fünf Prozent der Blockbuster und nur 15 Prozent der Fernsehfilme würden
von Frauen gedreht, obwohl sie die Hälfte der Absolventinnen bei
Filmschulen stellten. „Vor allem wir schwarze Filmemacherinnen müssen
permanent für mehr Sichtbarkeit kämpfen“, sagt Janicza Bravo, die in
Meetings mit Filmbossen oft als einzige schwarze Frau unter alten weißen
Männern sitzt.
Traditionell geht es auf dem „South by“-Festival ums Ganze. Um die Zukunft
der Menschheit. Um die Gegenwart der Robotik. Und immer wieder ums große
Geld. Der steinreiche, vor Jahren schon ins Silicon Valley ausgewanderte
Berliner Unternehmer Dirk Ahlborn ist in Austin, um Investoren, Ingenieure
und Wissenschaftler für eine spektakuläre Idee zu begeistern.
Er will zusammen mit dem Erfinder und Milliardär Elon Musk den Hyperloop
bauen. Ein ziemlich grünes und Ressourcen schonendes Transportsystem, das
bald schon die fliegenden Kerosinschleudern und veralteten Dieselzüge
überflüssig machen soll.
## Kraftwerk hatten Recht
Mit dem Hyperloop können Fahrgäste in elektrisch betriebenen Kapseln von
Ort zu Ort geschossen werden – auf Röhren und mit 1.200 Kilometer
Spitzengeschwindigkeit. Die 559 Kilometer Distanz zwischen Los Angeles und
San Francisco wäre dann in 35 Minuten zu bewältigen. Kostenpunkt: mehrere
hundert Millionen US-Dollar. Hochbegabte Humanisten wie Elon Musk bekommen
auf dem „South by“-Festival aber heftige Konkurrenz.
„Wir sind die Roboter“ versprachen Kraftwerk schon 1978 – jetzt, knapp 40
Jahre später, sind sie wirklich da. Roboterdame Sophia zum Beispiel sitzt
sogar auf einem Panel. Ihre Wortbeiträge sind noch etwas
gewöhnungsbedürftig. Genauso Sophias Kollege Pepper, der uns demnächst ein
Bier aus dem Kühlschrank holen will. Hofiert werden beide wie Rockstars.
Was uns elegant zum Musikteil des zehntägigen Festivals bringt. Alex Ebert,
Sänger von Edward Sharpe and the Magnetic Zeros, hat schlechte Laune. Fans
hat er unzählige, aber „mit Facebook-Likes und Instagram-Pics verkaufe ich
keine einzige Platte“, schleudert er auf einem Panel der Internetcrowd
entgegen. Iggy Pop ist dagegen altersmilde.
Mit Josh Homme von den Queens of the Stone Age hat er in Austin sein neues
Album „Post Pop Depression“ live präsentiert. Und springt – ideal zum
Posten auf Instagram – mit nacktem Oberkörper ins Publikum. „Dude“, raunt
er mir einen Tag später beim Interview ins Ohr, gut erholt und mit der
Stimme eines Mannes, der alles gesehen hat: „Don’t worry, I get paid in so
many ways!“
Iggy ist nicht der einzige Dinosaurier der Rockmusik in diesen Tagen von
Austin – aber auch in der Musik ist das Festival fest auf Zukunft justiert.
Talente wie Thao and the Get Down Stay Down oder die junge Bibi Bourelly
versuchen, sich hier ihr Publikum zu erspielen. Insgesamt treten etwa 2.000
Künstler auf – und jeder spielt um sein Leben.
Ein Oktoberfest der Musik. Overkill. Kein Durchkommen. Wohin nur als
Nächstes gehen – zu Sun Kill Moon oder doch zu Moodymann auf der
Ninja-Tune-Nacht? Kapitulation – Silicon Valley, programmiere uns was! Wo
bist du, wenn man dich am dringendsten braucht?
21 Mar 2016
## AUTOREN
Michael Bartle
## TAGS
Texas
Popfestival
Iggy Iop
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Detroit
Panda Bear
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